Tim Burton, Surrounded, 1996, Öl und Acryl auf Leinwand

Tim Burton – einer, der im Dunkeln leuchtet

Bekannt ist Tim Burton Millionen seiner Fans als eigenwilliger Hollywood-Regisseur, Autor und Produzent von genial-schrägen Filmen wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Nightmare before Christmas“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Mars Attacks!“, „Alice im Wunderland“ „Ed Wood“ oder „Frankenweenie“. Im Max-Ernst-Museum in Brühl ist nun das weitgehend noch unbekannte bildkünstlerische Werk des morbid-fantastischen Exzentrikers zu entdecken. Nach Stationen der Ausstellung in Prag, Tokio und Osaka können Burtons Werke dort zum ersten Mal in Deutschland bestaunt werden.

Mit „The World of Tim Burton“ präsentiert das Max-Ernst-Museum des Landschaftsverbands Rheinland 500 Zeichnungen, Gemälde, Filmpuppen, Maquetten, Storyboards sowie persönliche Dokumente des Ausnahmekünstlers, der, wie man in Brühl sehen kann, die Produkte seiner überschäumenden Fantasie auch auf Hotelnotizblöcken und Servietten der Bar Vendôme oder des Pariser Ritz gebannt hat. Zeichnen ist das Medium, das es Burton ermöglicht, sich unmittelbar auszudrücken. Seit seiner Kindheit führt er eine Art visuelles Tagebuch.

Design des Außerordentlichen: It’s life Tim, but not as we know it!

Tim Burton, Ohne Titel (The Melancholy Death of Oyster Boy and Other Stories), um 1982–84, Tusche, Marker und Buntstift auf Papier

Zeichnen ist das Medium, das es Burton ermöglicht, sich unmittelbar auszudrücken

Eventkreative, die ihren Ideenpool mit neuen Inspirationen auffüllen möchten, werden in Tim Burtons Welt garantiert fündig. Zwischen lebendigen Handschuhen, Außerirdischen, deren Köpfe beim Klang klassischer Musik explodieren oder kleinen Wesen, die sich zu einer monströsen Kreatur übereinanderstapeln, werden Synapsen nachhaltig befeuert und mittelmäßige Einfälle im Keim erstickt. Zudem wirkt Burtons herrlich-subversiver Humor, der alle seine Arbeiten durchzieht, wie eine schöpferische Frischzellenkur und ist zugleich ein Antidot gegen allzu Naheliegendes.

In Brühl werden auch Burtons nichtrealisierte Projekte und einige der Arbeiten gezeigt, die er für die Disney-Studios gemacht hat, wo er nach seiner Ausbildung zum Trickfilmzeichner am California Institute of the Arts eine Festanstellung bekam. Dort fühlte er sich jedoch geknechtet und irgendwie eingesperrt wie Rapunzel im gleichnamigen Märchen und alle seine für Disney gezeichneten Füchse, so Burton, sahen aus, als seien sie von einem Hund überfahren worden. Irgendwann, so lässt Burton die Anwesenden der Eröffnungs-Pressekonferenz wissen, habe er sich dann selbst zum Maßstab erhoben.

Tim Burton zeigt mit Vorliebe das Menschliche im Monster

In der Stadt Burbank in Kalifornien, wo der kleine Timothy Walter Burton aufwuchs, fühlte er sich selbst als Außenseiter und suchte Zuflucht im Kino. Der Mann, der Christopher Lees Stimme auf seinem Anrufbeantworter verewigt hat, verehrte seit Kindertagen Vincent Price, liebte Science-Fiction und Horrorfilme und hatte ein Faible für Ungeheuer. Letztere schienen ihm in den Filmen immer die menschlicheren und emotionaleren zu sein. Seit dieser Zeit ortet Burton das Monströse im Menschen und das Menschliche im Monster.

Die besten Dinge, so Burton, sind die, die überraschen und die man nicht erwartet. Angelehnt an die erste Surrealisten-Ausstellung, die man seinerzeit nur mit Taschenlampen besuchen konnte, gibt es auch im Max-Ernst-Museum einen in Schwarzlicht getauchten Raum, in dem den taschenlampenbewehrten Besuchern Burtons Kreaturen in der Dunkelheit entgegen leuchten. Ein exquisites kindliches Vergnügen – wie einst unter der Bettdecke.

Die Anti-Idylle: Unheimliche Clowns und bissige Teddybären

Tim Burton

Der Meister höchstpersönlich: Tim Burton

Von Zeit zu Zeit klappt in einem der Ausstellungsräume die Hirnschale des „Robot-Boys“ auf und entblößt dessen skurril-drahtiges Innenleben. Etwas abseits davon steht ein mit bunten Lichtern geschmücktes Häuschen, in dem Weihnachten gefeiert wird. Weihnachten á la Burton, versteht sich. Blickt man durch das Fenster auf den geschmückten Tannenbaum, neben dem ein kleiner Junge steht, so entpuppt sich die Idylle schnell als Schauplatz eines grausigen Verbrechens: Je nach Beleuchtung werden Blutspuren an der Wand sichtbar und die langen Beine einer Leiche im Türrahmen.

Idylle scheint Burton per se nicht geheuer zu sein. Überall lauert bei ihm Unheil, kriecht Grusel aus Ritzen und Spalten, kippt Idylle ins Bizarre, wenn der „Toxic Boy“ dem Nikolaus versehentlich den Bart in Brand setzt oder eine Krake genüsslich den Weihnachtsbaum verspeist. Auch Weihnachtsmänner sind ihm suspekt. In einer seiner Zeichnungen schenkt der Weihnachtsmann einem kleinen Jungen einen Teddybären. Doch hält sich dessen Begeisterung in Grenzen, denn der letzte Teddy hatte ihn gebissen. Die, die normalerweise Schrecken verbreiten, sind bei Burton verlässlich Sympathieträger, dafür verströmen seine Clowns eine Aura des Unheimlichen, dass jedem Kind der Atem stocken dürfte.

Die Schönheit des Bizarren

Tim Burton, Ohne Titel (Creature Series), um 1980–1989, Tusche, Marker und Buntstift auf Papier

Tim Burton gewährt mit seiner Ausstellung einen tiefen Einblick in seine Fantasie

Wie sein Robot-Boy gewährt Burton dem Besucher in dieser Ausstellung einen tiefen Einblick in seine von Fantasie überbordende, düster-groteske Innenwelt, in deren Fokus missverstandene Außenseiter, vom Leben gezeichnete Sonderlinge mit angenähten Gliedmaßen oder untauglichen Scherenhänden stehen, die sich letztlich als die wahren Helden erweisen.

Auch die Eventbranche sollte sich nicht scheuen, sich in diesem Biotop des Besonderen einmal genauer umzuschauen, denn die wirklich seltenen Blumen wachsen bekanntlich nicht auf den Straßen des Mainstreams, sondern am Wegesrand.

Auf dem dazugehörigen Ausstellungskatalog strahlt das Konterfei des Meisters und leuchtet in die von burtonesken Wesen bevölkerte Dunkelheit. „The World of Tim Burton“ kann noch bis zum 3. Januar 2016 im Max-Ernst-Museum in Brühl bestaunt werden.