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Auch nach dem Beschluss der WRC bildet das Frequenzmanagement das Nonplusultra eines Events

Im November und Dezember 2023 fand in Dubai die Weltfunkkonferenz (WRC) statt. Bei dieser Konferenz ging es, unter anderem, um die Verteilung verschiedener Frequenzbereiche in den drei sogenannten „ITU-Regionen“ ab dem Jahr 2031, jedoch in bestimmten Fällen schon früher. Die WRC fasst grenzüberschreitende Beschlüsse für die einzelnen Mitgliedsländer und ist als Fach- und Abstimmungsgremium äußerst wichtig, damit in den ITU-Regionen und zwischen den unterzeichnenden Ländern Planungssicherheit beim Funkfrequenzmanagement herrscht. 

Zusätzlich hat die Konferenz, in Vorbereitung der WRC in 2027, Studienaktivitäten für weitere Funkanwendungen beschlossen, zum Beispiel für Satellitenfunksysteme, die teilweise in Frequenzbereichen arbeiten sollen, die aktuell von unseren Videoanwendungen genutzt werden. Gerade für die Veranstaltungs- und Eventbranche ist der Funkbereich, auch Kulturfrequenz- bzw. PMSE-Bereich (Program Making and Special Events) genannt, zwischen 470 MHz und 698 MHz mit einer Ausnahme von 608 MHz bis 614 MHz von entscheidender Bedeutung. Denn hier findet nicht nur der Großteil aller drahtlosen Mikrofon- und InEar-Anwendungen im Veranstaltungsmarkt statt, sondern auch das drahtlose und digitale Rundfunkmedium „DVB-T2“, über das Informationen möglichst barrierefrei an die Bevölkerung weitergegeben werden können.

Allerdings ist auf diesen Frequenzbereich nicht nur die Eventbranche angewiesen, ebenso melden auch die finanz- und lobbystarken Mobilfunkanbieter, die bisweilen bereits die Frequenzbereiche von 700 MHz bis 900 MHz für ihre Dienste beanspruchen, Interesse für Teilbereiche dieses Spektrums an. Walter Wehrhan sprach mit den Spezialisten für drahtlose Übertragungen und Frequenzmanagement in der Veranstaltungsbranche Dominik Feltes von ARTKUSTIK AUDIO SOLUTIONS, Marco Völzke von MARCO VÖLZKE – FREQUENZMAGEMENT und mit dem HF-Berater Matthias Fehr von IKHF, der zudem auch aktiv an den letzten vier WRCs teilgenommen und vor Ort dazu beigetragen hat, dass das aktuell zur Verfügung stehende Funkspektrum mindestens bis zur nächsten Weltfunkkonferenz für die Veranstaltungsbranche auch weiterhin problemlos nutzbar bleibt.

INTERVIEW MIT DOMINIK FELTES, MARCO VÖLZKE UND MATTHIAS FEHR

WALTER WEHRHAN: Zusammenfassend: es hätte schlimmer kommen können… Als Basisbeschluss bleibt der Frequenzbereich zwischen 470 und 698 MHz als Rundfunk- und Kulturfrequenz erhalten. Was bedeutet das für die deutsche Veranstaltungs- und Eventbranche, die zur ITU-Region 1 gehört?

Dominik Feltes ist Dozent für den Themenbereich Frequenzmanagement an der beruflichen Schule für Veranstaltungstechniker in Hamburg und spricht über den WRC

Dominik Feltes ist Dozent für den Themenbereich Frequenzmanagement an der beruflichen Schule für Veranstaltungstechniker in Hamburg.

DOMINIK FELTES: Es hätte durchaus schlimmer kommen können, wir hätten zum Beispiel all unsere aktuell noch nutzbaren Frequenzbereiche verlieren können. Schaut man sich nur einmal an, welche alternativen Entscheidungen bei der WRC möglich gewesen wären, ist der aktuelle Beschluss vermutlich mitunter das Beste, was unserer Branche vorerst passieren konnte. An dieser Stelle muss unbedingt die Arbeit der Fachverbände, allen voran des APWPT e.V. und des ISDV hervorgehoben werden, die sich auf deutscher Seite unermüdlich für stetige Kommunikation und Vermittlung zwischen unseren Bedürfnissen und der Politik einsetzen und damit bei dieser WRC vorläufige Erfolge verzeichnen konnten.
Man darf aber nicht vergessen, dass wir als Sekundärnutzer, neben Fernsehen (DVB-T2) als Primärnutzer, nicht die einzigen sind, die in diesem Frequenzbereich unterwegs sind. Der Beschluss der WRC ist aktuell zwar ein Erfolg, jedoch melden nicht nur Mobilfunkanbieter Interesse an diesem Spektrum an. Zurzeit möchte zum Beispiel auch der BOS, also Funkanwendungen für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie zum Beispiel der Feuerwehr, Polizei, THW oder auch Rettungsdienste einen Teil des Spektrums für sich beanspruchen. Das würde für uns bedeuten, dass wir enger zusammenrücken müssten und uns weniger des aktuell zur Verfügung stehenden Spektrums mit dem Rundfunk, also DVB-T2, teilen müssten. Als Konsequenz würde es für uns als Branche fast genau das bedeuten, was ein Beschluss zur Umwidmung des 600 MHz-Bereiches an den Mobilfunk bedeutet hätte: Wir hätten weiterhin einen hohen und tendenziell steigenden Nutzungsbedarf, jedoch weniger Spektrum zur Verfügung. Produktionen müssten Abstriche machen und in kritischen Situationen vielleicht sogar abgesagt werden, da Shows und Performances in einem solchen Umfang beeinträchtigt werden, dass eine Durchführung nicht mehr möglich wäre. Zusätzlich kommt es bei zukünftig weniger verfügbarem Spektrum vermutlich öfter zu nicht vorhersehbaren Störungen, die jedoch erst auftreten, sobald „der Zuschauerraum voll ist“ und uns dann erheblich herausfordern.
Vereinfacht bedeutet die derzeitige Beschlusslage für unsere Branche jedoch erst einmal: Da wir vorerst unser Spektrum behalten können, sind bis 2031 keine Ersatzinvestitionen in neue Drahtlostechnik zur Kompensation von Frequenzverlusten nötig. Das ist eine gute Nachricht für alle, die erst vor kurzem in neue Technik investiert haben. Des Weiteren kann das uns genehmigungsfrei zur Verfügung stehende Spektrum von 470 MHz bis 698 MHz (mit Ausnahme von 608 MHz bis 614 MHz, für das bei der BNetzA Sondergenehmigungen beantragt werden müssen) voraussichtlich bis 2031 von uns genutzt werden. Damit kann wahrscheinlich den meisten Anforderungen der Content-Produktion entsprochen werden; die Refinanzierung des bereits gekauften Materials ist auch weiterhin möglich.

MATTHIAS FEHR: Problematisch sind zudem Videoanwendungen. Europa hat im Bereich von 2 GHz bis 50 GHz mehrere Video-Frequenzbänder vereinbart. Das klingt erst mal gut, man darf aber nicht vergessen, dass auch die Anforderungen an Videoübertragungen immer weiter steigen. Inzwischen wird zum Beispiel in Frankreich seit dem 23. Januar Ultra-HD übertragen, was deutlich mehr Spektrum für Videokameras beansprucht als zum Beispiel Full-HD. Hier müssen wir der Politik in Zukunft deutlich machen, dass der Bedarf an Spektrum wegen der steigenden Qualitäts-Anforderungen an die Video-Produktion nicht sinkt, sondern, ganz im Gegenteil, erheblich steigt.
Selbstverständlich fokussieren sich die Hersteller ständig auf neue Technologien, wie zum Beispiel 5G, jedoch bedeutet das nicht, dass für diese Anwendungen in Zukunft weniger Frequenzspektrum benötigt wird. Am Beispiel von Frankreich oder auch Japan erkennt man weltweit, dass immer höhere Datenraten dazu führen, dass effizientere Technologie einen steigenden Spektrumbedarf nicht verhindern kann. Der Umstieg von Full-HD auf Ultra-HD führt beispielsweise zu einer höheren Datenrate von mehr als 1 Gbit/s, die übertragen werden müssen. Hier kann man technisch nur begrenzt gegenwirken, weil eine zu hohe Datenkomprimierung in der finalen Programmverteilung, also bei der Decodierung am Endgerät, zu Störungen führen kann.

WALTER WEHRHAN: Wie verhält es sich mit den Primärnutzern bzw. Sekundärnutzern? 
Konkret gefragt: Welche Anbieter bzw. Branchen sind Primärnutzer bzw. Sekundärnutzer für den Frequenzbereich zwischen 470 und 698 MHz?

MARCO VÖLZKE: Allem voran sei gesagt: Wir sind bisher immer Sekundärnutzer. Das geht aus der aktuellen Allgemeinzuteilung für PMSE-Anwendungen, Punkt 1.4, hervor. Diese erlaubt es uns, Funkanlagen wie zum Beispiel drahtlose Mikrofone und drahtlose InEar-Systeme im deutschen Bundesgebiet innerhalb gewisser technischer Grenzwerte und Auflagen in diesem Frequenzbereich jederzeit nutzen zu können. Mit dieser Technik dürfen wir jedoch keine Primärnutzer stören; auf der anderen Seite genießen wir als Sekundärnutzer keinen Schutz durch Störungen von anderen Frequenznutzern.
Wirft man einen Blick in den Frequenzplan der Bundesnetzagentur (BNetzA) stellt man sehr schnell fest, dass wir in diesem Bereich nicht allein sind. Der wohl bekannteste Primärnutzer, mit dem wir uns seit 1961 erfolgreich das Spektrum teilen, ist der Rundfunk, also früheres analoges und heutiges digitales Fernsehen. In Deutschland handelt es sich dabei um das bereits erwähnte DVB-T2, für das wir mit unseren Produktionsmitteln unter anderem Content erstellen.
Herausfordernd wird es durch die Tatsache, dass wir als Produzent des Inhaltes für die Content-Verbreitung, wie unter anderem den Rundfunk und andere Streamingdienste, weiterhin als Sekundärnutzer gelten und dadurch Störungen durch andere Frequenznutzer/-innen hinnehmen müssen; der von uns hochwertig vorproduzierte Content jedoch für einen Primärnutzer erstellt wird, der einen Schutz vor Störungen genießt. Wenn das Ende der Produktionskette vor Störungen geschützt wird, der Anfang jedoch nicht, stellt sich dies als Widerspruch dar. Eine denkbare Lösung könnte ein „Update“ von Sekundär- zu Co-Primärnutzer sein. Zusätzlich sei gesagt, dass politische Unterstützung in dieser Sache notwendig ist, da diese Situation nicht von uns allein bewältigt werden kann.

Marco Völzke ist freiberuflicher Frequenzmanager und Dozent für Frequenzkoordinierung und Spektrum-Management.

Marco Völzke ist freiberuflicher Frequenzmanager und Dozent für Frequenzkoordinierung und Spektrum-Management.

Des Weiteren findet man beispielsweise Messsysteme zur Bestimmung von Windrichtung und -Geschwindigkeit oder militärische Frequenznutzungen. Zusätzlich arbeitet die Radioastronomie im Frequenzbereich von 608 MHz bis 614 MHz.
Es gibt jedoch nicht nur diesen einen Frequenzbereich, in dem wir mit unseren Anwendungen unterwegs sind. Schaut man im Spektrum ein bisschen höher, findet man Allgemeinzuteilungen für uns im 700 MHz- und 800 MHz-Bereich. Dort sitzen wir zwischen den Downlink- und Uplink-Frequenzblöcken der Mobilfunkanbieter. Auch hier gilt, dass wir als Sekundärnutzer arbeiten müssen und der Mobilfunk als Primärnutzer zu behandeln ist.
Prinzipiell bedeutet es für uns, dass wir uns, bevor wir überhaupt Drahtlossysteme in Betrieb nehmen, erst einmal informieren müssen, wer noch so in unserem Frequenzbereich (vor Ort) arbeitet. Dazu hilft zum einen der Frequenzplan und die Allgemeinzuteilungen, zum anderen, und das finde ich persönlich mindestens genauso wichtig, hilft ein umsichtiges und vorausschauendes Arbeiten während der Produktion. Dazu zählen regelmäßige und nachvollziehbare Messungen und Dokumentationen des Funkspektrums vor Ort, sowie einer gewissen Fehlersuche, falls es doch einmal zu Interferenzen kommen sollte.
Sobald man selbst Interferenzen in seinem Drahtlossystem feststellen kann, besteht durchaus die Möglichkeit, dass man selbst für Interferenzen in anderen Systemen, auch branchenfremden und/oder nicht zur Veranstaltung dazugehörigen sorgt. Die Störung eines Primärnutzers ist verboten und kann mitunter sehr teuer für den oder die „nicht legalen“ Frequenznutzer/-in („Piratensender“) werden.

WALTER WEHRHAN: Das heißt auch, dass der Kampf um die „besten“ Frequenzen für die Veranstaltungs- und Eventbranche weitergeht. Ab jetzt in Berlin…

MATTHIAS FEHR: Die Kämpfe um hochwertige Frequenzen für unsere Anwendungen werden vermutlich auch noch ewig weitergehen und ich schätze, dass die Verhandlungen um die Spektrumnutzung in ferner Zukunft wohl länger andauern könnten als die Bauzeit des Kölner Doms beträgt, der ja bekannt ist als „ewige Baustelle“. Spaß beiseite – wir müssen uns weiterhin deutlich machen, dass das zur Verfügung stehende Spektrum eine knappe Ressource ist, die nicht in unbegrenztem Maße zur Verfügung steht und die es im Sinne des Telekommunikationsgesetzes aufzuteilen gilt.
Ich spreche bei dieser Frage bewusst nicht von einem einzelnen, sondern von ganz vielen kleineren Kämpfen, die fortlaufend geführt werden müssen. Auf der einen Seite muss weiterhin politisch aktiv agiert werden, um unseren Spektrumbedarf langfristig erhalten zu können. Dazu gibt es die Initiative SOS und Branchenverbände wie den APWPT e.V., der bisher mit aller Kraft um unsere Bedürfnisse kämpft.
Dann gibt es die Hersteller, die die bestehende Technik immer weiterentwickeln müssen, um in Zukunft mit komplizierter werdenden HF-Umgebungen trotzdem noch zuverlässige Drahtlossysteme anbieten zu können. Diese Hersteller müssen zusätzlich auch noch andere Herausforderungen meistern. Bis voraussichtlich August 2025 wird, zum Beispiel, die aktualisierte Radio Equipment Directive (RED) in Kraft gesetzt, nach der viele Funkstrecken nur noch verschlüsselt, übertragen dürfen. Was genau das für unsere Branche bedeutet kann man aktuell noch nicht sagen, es wird herstellerseitig jedenfalls an Lösungen gearbeitet.

DOMINIK FELTES: Ein weiterer Kampf wird von Anwender/innen selbst jeden Tag bei den verschiedensten Produktionen geführt. Die Ansprüche, die an die Drahtlossysteme gestellt werden, werden immer größer und folglich der Spektrumbedarf immer höher. Früher hat es vielleicht gereicht, eine gute Abdeckung auf einer Bühne und vielleicht auch noch auf einer zusätzlichen, kleinen B-Stage zu erreichen. Heute gibt es Künstler/-innen, die durch „ganze Stadien fliegen“ möchten. Früher waren es maximal 30-40 Drahtlosstrecken, heute sind es teilweise 600-700 Geräte, die möglicherweise zusätzlich aus nicht-europäischen Ländern mitgebracht werden. Zurzeit mangelt es an Personal, das sowohl die theoretischen als auch die praktischen Erfahrungen hat, um solche Projekte zuverlässig umsetzen zu können.

MARCO VÖLZKE UND DOMINIK FELTES: Diesbezüglich wird gerade versucht, eine IGVW-Qualifikation zu erarbeiten und zu implementieren, mit der man einen Qualitätsstandard auf diesem Aufgabenfeld sichern kann, vergleichbar mit der SQQ2-Qualifikation der IGVW für Rigger/innen.

MARCO VÖLZKE: Ein weiterer Punkt, an dem gearbeitet werden muss, ist die Transparenz unserer Arbeit gegenüber den Behörden und der Politik. In der Kommunikation mit diesen fällt oft auf, dass über die Arbeit in der Veranstaltungsbranche mit unserer Funktechnik kaum Erfahrung bei den Ansprechpartnern und Ansprechpartnerinnen vorhanden ist. Infolgedessen fällt es den Behörden umso schwerer, einen Spektrumsbedarf für uns praxisnah zu ermitteln und unsere sich ständig anzupassende Arbeitsweise zu verstehen. Das ist jedoch etwas, das nur lokal gelöst werden kann. Auf der Internetseite der BNetzA gibt es ein Online-Meldeformular für Störfälle. Sollte es auf einer Produktion zu Funkstörungen kommen, die nachweislich nicht auf das eigene System zurückzuführen sind, sollte man dies unbedingt der BNetzA melden.

WALTER WEHRHAN: Werden bei den Gesprächen und Beratungen in Berlin auch Vertreter/-innen der Veranstaltungs- und Event-Branche, Audio-Funkfachleute bzw. Hersteller, u.a. Sennheiser oder Shure, einbezogen? Die Mobilfunkanbieter haben ihre Lobbyisten/-innen bestimmt schon vor Ort…

MATTHIAS FEHR: Die Mobilfunkanbieter sind wohl omnipräsent in Berlin mit verschiedensten Forderungen. Wir als Branche sind jedoch ebenfalls sehr gut aufgestellt. Der APWPT e.V. zum Beispiel hat Mitglieder, die als kompetente Ansprechpartner/-innen aus allen Bereichen der Branche angesehen werden, auch denen, die man nicht direkt mit unserer Arbeit assoziieren würde. So setzen sich die Ausschüsse beispielsweise aus Mitgliedern zusammen, die sowohl von verschiedenen Herstellern stammen, als auch aus Anwender/-innen aus dem Live-, Broadcast- und Theaterbereich sowie von Personen, die sich an Universitäten mit dem Thema Hochfrequenztechnik beschäftigen.

Matthias Fehr war Techniker für Ton und Licht und ist seit 1996 als freiberuflicher Ingenieurberater in vielen Weltregionen tätig.

Matthias Fehr war Techniker für Ton und Licht und ist seit 1996 als freiberuflicher Ingenieurberater tätig.

Ebenfalls wirken Personen im APWPT e.V. bzw. in den Ausschüssen mit, die für Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalten tätig sind. Schon hier erkennt man, dass das Teilen des zur Verfügung stehenden Funkspektrums nicht unbedingt immer ein „Gegeneinander“ sein muss. Es wird auch sehr viel Hand in Hand gearbeitet. Gerade mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wir in der Veranstaltungsbranche einen sehr starken Alliierten, der uns den Rücken freihält.
Das Fernsehen (aktuell DVB-T2) ist ein niedrigschwelliger, kostenfreier Zugang zu Informationen für die Bevölkerung, was sogar im Grundgesetz, Artikel 5 Absatz 1, so festgehalten ist. Damit wird DVB-T2 geschützt und hat ein unbestreitbares Recht auf Spektrum. Dieses Spektrum teilt er sich mit uns, wir setzen uns mit unseren Anwendungen in die Lücken, in denen regional zum Veranstaltungszeitraum kein DVB-T2 ausgesendet wird.
Den Spektrumbedarf für diese Anwendung legen die Öffentlich-Rechtlichen jedoch selbst fest. Bedeutet: Sollte es in diesem Bereich Innovationen geben und DVB-T2 weniger Spektrum benötigen, geht höchstwahrscheinlich auch für uns Platz verloren. Das wird dann im jeweiligen Bundesland politisch entschieden und wirkt sich im Endeffekt auf das gesamte Bundesgebiet aus. Dahingehend finden jedoch auch Dialoge statt. Man ist jedenfalls nicht untätig, was das Thema Lobbyarbeit angeht, und setzt aus unserer Richtung eher auf Evidenz statt auf Quantität und finanzielle Stärke.

WALTER WEHRHAN: Eine praktische Frage zum Schluss: Wie sind Eure Erfahrungen mit der Nutzung der Kulturfrequenzen und was erwartet ihr bei der Nutzung der Kulturfrequenzen über das Jahr 2031 hinaus?

DOMINIK FELTES: Prinzipiell bin ich froh, dass wir vorerst das Spektrum, das wir bisher hatten und von dem wir in der Vergangenheit bereits Abstriche machen mussten (Digitale Dividende I und II) behalten können. Wir müssen als Branche jedoch lernen, wie wir die uns zur Verfügung stehende Technik optimal einsetzen können. Das ist eine ständige Herausforderung.
Hersteller bieten gute Kurse an, bei denen man lernt, mit deren Tools umzugehen. Außerdem wird, wie schon gesagt, versucht, Branchenstandards im Bereich Frequenzmanagement und Frequenzkoordination zu erarbeiten. Auch hier lohnt es sich als Anwender/-in von Drahtlosgeräten teilzunehmen, sobald diese Kurse verfügbar sind, da dort wichtige Aspekte einer effizienten Frequenznutzung vermittelt werden.
Zudem werde dort viele wichtige Inhalte vermittelt, um zu jeder Zeit möglichst sichere Drahtlossysteme herstellerunabhängig planen und errichten zu können. Wir werden wohl nicht um die Tatsache herumkommen, dass auch in Zukunft versucht wird, unser Funkspektrum anderweitig zu nutzen. Irgendwann wird es dann auch so weit sein und wir müssen uns neu arrangieren. Neben innovativer Technik, die von Herstellern angeboten wird, kommt es zusätzlich immer auf die Fachkompetenz der Anwender/-innen der Drahtlossysteme an. Umso früher man beginnt, sich damit zu beschäftigen, desto einfacher hat man es dann später. Im Endeffekt sind wir alle gemeinsam daran interessiert, dass die Produktionen, die wir begleiten, perfekt verlaufen und es keinerlei Störungen gibt. Dazu gehören die Veranstalter/-innen, die Endkunden/-innen, die Projektleiter/-innen, die Gewerke-Leiter/-innen, wir Techniker/-innen und viele mehr.

MARCO VÖLZKE: Wir befinden uns in einer sich stetig verändernden Umgebung und müssen jederzeit reagieren können und neue Herausforderungen meistern. Aktuell funktionieren die auf dem Markt befindlichen Drahtlossysteme noch sehr gut, auch wenn man nicht so viel Fachkenntnis über die Systeme hat. Mit komplizierter werdenden Spektrum-Gegebenheiten wird jedoch die Fachkenntnis immer wichtiger. Dazu zählen viele Bereiche wie zum Beispiel Antennentechnik, Kabeltechnik, die Ausbreitungseigenschaften elektromagnetischer Wellen oder auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, um ein paar Wenige zu nennen.
Ein übergeordneter und noch zentralerer Punkt ist dabei die Frequenzkoordination bzw. das Frequenzmanagement, das teilweise auf Veranstalterebene noch sehr unterschätzt wird. Sobald Frequenzen mehrfach zur selben Zeit oder in enger, sowohl räumlicher als auch frequenztechnischer Nachbarschaft genutzt werden, muss mit Störungen gerechnet und entsprechend zeitnah reagiert werden.
Zu erwartende Störungen können unter anderem Audioabbrüche in InEar-Systemen oder bei drahtlosen Mikrofonsystemen sein. Videoübertragungen können gestört werden, Licht- und Effekt-Steuerungen funktionieren nicht mehr einwandfrei, Drohnenshows können gestört und somit unkontrollierbar werden, eine Kommunikation mit Funkgeräten und Intercom-Systemen kann erschwert werden oder Präsentationstechnik arbeitet nicht einwandfrei. Im schlimmsten Fall führt es zu einem Ausfall des gesamten Funksystems und damit zu kostspieligen Verzögerungen oder zum Abbruch der Veranstaltung.

MATTHIAS FEHR: Die nationale Frequenzumsetzung erfolgt in den einzelnen Ländern unterschiedlich und hat jeweils zusätzliche Auflagen zur lokalen Frequenznutzbarkeit. Dabei handelt es sich in der Regel um eine rechtlich bindende Verpflichtung, die sogar innerhalb verschiedener Veranstaltungsgrößen wechseln können. Der bzw. die Veranstalter/-in und die von ihnen beauftragten Experten/-innen müssen sicherstellen, dass die rechtlichen Grundlagen zu jeder Zeit eingehalten werden. Das gilt nach meiner Beobachtung ohne weiteres erst einmal in allen Ländern, die die Beschlüsse der WRC unterschreiben.

DOMINIK FELTES, MARCO VÖLZKE UND MATTHIAS FEHR: Die in diesem Interview zusammengefassten Herausforderungen stellen uns als Team täglich vor Probleme, die sowohl jetzt als auch in Zukunft nur durch herausragende Qualifikation und Praxiserfahrung der Anwender/-innen zu bewältigen sind. Ebenso kommt es auf ein erfahrenes Frequenzmanagement an, das von den Veranstalter/-innen, egal um welche Veranstaltungsgröße es sich handelt, benannt und beauftragt werden muss, sobald drahtlose Produktionsmittel eingesetzt werden. Die Pflicht der Veranstalter/-innen liegt darin, eine verantwortliche Person zu benennen, die diese Aufgabe wahrnimmt und erfolgreich umsetzt. Alles andere kann zu kostspieligen Konsequenzen führen, die wir alle zu jeder Zeit vermeiden möchten.

WALTER WEHRHAN: Danke für das ausführliche Interview.

ZU DEN PERSONEN

DOMINIK FELTES
Seit 2016 beschäftigt sich Dominik Feltes aus Hamburg intensiv mit dem Thema Frequenzmanagement, Frequenzkoordinierung und Drahtlostechnik. In entsprechender Position konnte er in den vergangenen Jahren bereits viele nationale sowie internationale Großveranstaltungen erfolgreich betreuen. Er doziert an der beruflichen Schule für Veranstaltungstechniker in Hamburg den Themenbereich Frequenzmanagement.

MARCO VÖLZKE
Marco Völzke ist freiberuflicher Frequenzmanager und Dozent für Frequenzkoordinierung und Spektrum-Management. Er hat viele renommierte Musik- und Unternehmensveranstaltungen betreut und ist außerdem ein gefragter Referent und Berater in Frequenzfragen. Am liebsten setzt er anspruchsvolle und komplexe HF-Systeme in die Realität um.

MATTHIAS FEHR
Im Jahr 1972 startete Matthias Fehr seine berufliche Tätigkeit als Techniker für Ton und Licht an mehreren deutschen Theatern. Nach wissenschaftlicher Ausbildung in mehreren Fachgebieten ist er seit 1996 als freiberuflicher Ingenieurberater in vielen Weltregionen tätig. Das Frequenzmanagement ist dabei eine besondere Herausforderung, die gemeinsam mit erfahrenen Kollegen umgesetzt werden muss.