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Wolfgang Beyer - Eventberater und Mitinhaber der Agentur COLORI Events, Offenbach

„Think global, Act local“?

vom 07.05.2020 veröffentlicht über meinMemo

Wie geht’s weiter nach Corona? Das weiß derzeit niemand so recht. Und der Lockdown konnte nicht ewig anhalten, soviel war klar. Sozialer, moralischer und volkswirtschaftlicher Niedergang wäre die Folge gewesen. Wo also wird diese Zäsur ansetzen? Soviel jedenfalls wurde klar: Auf die zuletzt häufig stark vermisste Verhältnismäßigkeit (ordnungs)politischen Maßnahmen und Anwendungen müssen WIR selber einwirken.

„Think global, Act local“?
Gedanken zu den Corona-Folgen und ihren Perspektiven

„Think global, act local“? „Think big!“ – ach wie gerne, ach wie oft haben wir uns in der Branche, haben uns unsere Kunden mit diesem alten Werber-Spruch zu großem, noch größerem animiert. Höher, größer, weiter? Kein Problem. Schneller, öfter, interaktiver? Kein Problem. Budget rauf … naja, da wurde es schon eher mal „zurückhaltender“. Aber in der Summe der Dinge: Event allenthalben, überall und jederzeit. Der alljährliche Eventzyklus (oder doch eher Eventzirkus?) hatte sich in allen Bereichen des Marktes zu einem festen Bestandteil in Marketing & Kommunikation, hatte sich zu einer eigenen, festen Größe unserer globalen Marktwirtschaft entwickelt. Nicht, dass die Wirtschaft, der Sport, die Medien nicht vorher auch schon präsentiert und gefeiert hätten, nein: Live-Communication betreibt die Menschheit schon seit des „Circus Maximus“ - und vermutlich auch schon viel länger. Doch erst in den letzten 40, vielleicht 50 Jahren hat sich aus der Marktnische „Veranstaltungsorganisation“ eine wirklich ernsthafte Event-Industrie entwickelt: Von „Konzerten“ hin zu „Festivals“, von „Woodstock“ hin zu „Rock am Ring“, Tomorrowland“ oder „ESC“ und analog dazu vergleichbare Entwicklungen in allen Marktsegmenten. Egal ob Messe oder Roadshow, ob Jahreshauptversammlung oder Galas und Ehrungen - qualitativ wie quantitativ stabilisierte, etablierte und professio¬na¬lisierte sich da eine Branche, die vor noch nicht mal 20 Jahren noch vielfach aus „Quereinsteigern“ bestand. Sein eigenes Berufsbild überhaupt erst auch auf ein zertifiziertes ausbildungs- und Studienniveau zu hieven, das war in den frühen 2000ern noch die Ausnahme. Die gastronomischen Entwicklungen parallel dazu: Ebenso vielseitig, vielschichtig und allumfassend - egal, in welcher Location, egal wie groß. „Everything goes“ – das war unsere Normalität, „Think big“ war selbstverständlich. Prima! Die Welt war in Ordnung, die Aussichten auf 2020, 2021, 2022 wunderbar bis hervorragend. Und dann plötzlich „Corona“, Pandemie, Lockdown. Ende: offen!!

Nun - ist nichts mehr „normal“. Zunächst wurden einzelne Meetings und Konzerte abgesagt, dann auch ganze Messen, Festivals und schließlich alles was irgendwie mit Menschenansammlungen zu tun hat. Indoor, Outdoor – überall und einfach alles, auch, was mit Events zunächst gar nichts zu tun hat! Das Unvorstellbare trat ein, nahezu alle Dienstleister unserer Branche mussten eine Vollbremsung hinlegen: Ein Totalschaden für die Event-Industrie!

Doch wie geht’s weiter? Das weiß derzeit niemand so recht, wie auch - bei so viel gefragter wie ungefragter Expertenmeinung, die sich in unseren Medien breit gemacht hat? Der Lockdown konnte nicht ewig anhalten, soviel war klar. Andernfalls hätten wir gerade den eigenen sozialen, moralischen und volkswirtschaftlichen Niedergang unserer Kultur begleitet, ja dramatisch beschleunigt und irrsinnig selbst vorangetrieben. Immerhin: Wir haben gelernt, wieder aufzustehen, die Krone zu richten und neu anzufangen. Nicht alle können das, nicht alle wollen das. Und hört man sich das zahlreiche Lamento aus allen Ecken von Gesellschaft und Wirtschaft an - die Wiederaufbau-Mentalität der lengendären „Trümmerfrauen“ ist den Menschen heute auch nicht mehr zu eigen, „Sisyphos“ hat keine Lobby mehr. Aber, allen Pessimisten zum Trotz: Eine Alternative „zum Zähne zusammenbeißen und los“ gibt’s auch nicht. Aber – das sei uns zu Gute gehalten – den „Mensch“ drängt es nun mal, sich mit anderen zu treffen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sich mit ihnen zu messen, miteinander zu feiern. Der Ruf nach Öffnung der Kinderspiel- und Sportplätze, nach Öffnung der Gastronomie im Allgemeinen und der Biergärten im Speziellen macht das deutlich. Dass die gerade beschlossenen Lockerungen da das zu erwarten sonnige „Muttertags“-Wochenende aber noch ausklammern, macht die Zwickmühle, in der sich unsere politischen Entscheider derzeit befinden, nochmal zusätzlich besonders deutlich.

Künstler, die bislang digital aus ihrem Wohnzimmer performen, werden nicht alle wieder zur Bühne und Unternehmen, die, die Meetings per Video-Konferenzen abhalten, nicht alle wieder zu Dienstreisen zurückfinden. „Unsere“ Event- und Location-Welt wird dahingehend sicher eine etwas andere werden. Und genau da wird diese Zäsur ansetzen:
„Think big - Think global, Act global“ war gestern. „Think big“ werden wir hin zu einem „Think smaller, Act local“ adaptieren müssen, danach dann vielleicht wieder zum klassischen „Think global, Act local“. Die globalen Event-Massenbewegungen werden sicher wieder stattfinden, aber womöglich kleiner werden müssen, Einlass und Besucherströme anders „kontrolliert“ werden. „Orville“s totale Überwachungswelt sollte aber so gut es irgendwie geht trotzdem vermieden werden. Auch die Zahl der Delegierten, Reporter, Techniker, Ü-Wagen etc. bei den Mega-Events wie einer Fußball-EM, -WM, einem Formel1- oder Tenniszirkus oder bei Olympia wird zukünftig vielleicht wieder kleiner. Mehr „Public Viewing“ anstelle der bisherigen Fan-Reisen? Vielleicht. Ganz bestimmt aber werden die Messe-, Event- und Festival-Dimensionen wie auch die Hallen-Nutzungsgrößen aller Locations neu berechnet werden müssen. Kleinere Saal-Einheiten, großzügigere Bestuhlungsabstände, neue Bestuhlungs¬pläne – all diese Veränderungen werden uns jetzt, in den Anfängen „nach Corona“ begleiten, vielleicht sogar noch lange darüber hinaus. Veränderungen, die die lokalen Vorzüge und Vorteile zahlreicher „Special Locations“ ihrer Regionen zu ihrem persönlichen USP nutzen können, ja nutzen sollten. Zumindest solange, bis die Viruswelle wieder komplett abgeebbt ist und unsere Nachrichten nicht mehr von diesem Thema allein dominiert werden.
Die Existenz von „Sicherheitskonzepten“ wurde erst nach der desolaten „Love Parade“ in Duisburg als tatsächlich notwendig akzeptiert. Stellen wir uns also auf mehr Abstand, weniger „Gedränge“ und weniger Nähe ein. Sonst wird da ein bequemer Reflex auf politischer Ebene entstehen, den ich mit dem „Zwickmühle“-Effekt vom „Mühle-Spiel“ vergleichen möchte: Droht von irgendwo wieder irgendeine als dramatisch eingeschätzte Krankheitswelle - egal wie sie heißen wird -, macht die Politik ihre Mühle wieder zu und kassiert bei uns das nächste Spielsteinchen. So lange bis, wir keine Steinchen mehr zum Mitspielen haben. Auf die zuletzt häufig stark vermisste Verhältnismäßigkeit dieser ordnungspolitischen Maßnahmen dazu und in deren Anwendung müssen wir selber also einwirken. Permanent, pragmatisch und angstfrei.

Von Wolfgang Beyer
WBE EventConsulting und Mitinhaber von COLORI Events GbR, Offenbach - 07. Mai 2020