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27. Internationale Kulturbörse: ein Erlebnisbericht

Die Kultur- und Eventbranche traf sich vergangene Woche zur 27. Internationalen Kulturbörse in Freiburg (IKF). Zum allerersten Mal mit dabei war unser Autor Aljoscha Grabowski, der angesichts des kunterbunten Treibens zu Beginn völlig perplex war und am Ende gar nicht mehr weg wollte. Ein Erlebnisbericht.

27. Internationale Kulturbörse in Freiburg

Wahre Liebe gibt es nur zwischen Mensch und Kartoffel: Knol d’Armour

Hat sie Kartoffel gesagt? Ungläubig starre ich die Dame vor mir an. Die scheint solche Reaktionen gewohnt zu sein, lächelt freundlich und wiederholt ihren Satz. „Suchen Sie sich bitte die Kartoffel aus, in die Sie sich gleich auf den ersten Blick verlieben.“ Ich – noch immer verwirrt – greife in die Kartoffelkiste, wühle ein bisschen darin herum und muss beinahe laut lachen, als ich die erste Kartoffel wieder wegtue, weil ich die Liebe nicht spüre. Meine Wahl fällt schließlich auf ein richtig großes Exemplar. Ja, hier stimmt die Chemie, denke ich zufrieden. Und als mir meine Gastgeberin einen Kartoffelschäler in die Hand drückt, bin ich schon mitten drinnen in der verrücktesten Liebesgeschichte, die ich je erlebt habe.

„Du wirst überrascht sein, was du hier auf der Kulturbörse alles siehst“

Das ist sie also, die Kulturbörse. Die größte internationale Fachmesse für Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen Raum, von der ich schon so viel gehört habe. 350 Aussteller aus ganz Europa, die vier Tage lang ihre neuesten Programme und Kreationen präsentieren. „Du wirst überrascht sein, was du hier auf der Kulturbörse alles siehst“, warnt mich meine Chefin bereits am Eingang vor und grinst dabei über das ganze Gesicht. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was mich erwartet, als ich die Messehalle betrete und in die fantastische Welt von Straßenkünstlern, Zauberern und Artisten eintauche.

27. Internationale Kulturbörse in Freiburg

Vor allem die überlebensgroßen Figuren erregten große Aufmerksamkeit

Weit komme ich nicht. Ich bin so fasziniert von den bunten Ständen rechts und links, dass ich fast gegen eine rund vier Meter große Figur aus Pappmaschee renne. Ein Mann mit Zylinder und Wrack, der mit einer echten Frau tanzt, die dabei auf einem riesigen roten Ball balanciert. Sie schwingt gekonnt den Hintern, er hingegen ist ein bisschen hüftsteif. Aber die Lebensfreude, die das Duo dabei ausstrahlt, ist ansteckend. Genau wie der Rhythmus des Swings, der aus einem Lautsprecher am Gürtel der Frau schallt.

Immer mehr der skurrilen Gestalten um uns herum beginnen, zu tanzen. Ein Mann, der von seinem Outfit er eher auf ein Segelschiff aus dem 18. Jahrhundert passen würde, ein Greis mit Krückstock und Koffer, ein winziges Hutzelmännchen mit einem Berg Reisig auf dem Rücken. Der Hirtengott Pan an Stand 2.0.7 zückt seine Querflöte und stimmt in die Musik ein. Die beiden Bodyguards, die am Rand stehen, behalten die Kontenance, nicken aber immerhin lässig im Takt mit. Ich hingegen stehe wie angewurzelt mit offenem Mund daneben und kann nicht glauben, was hier passiert.

Wilde Trommelshow auf einem alten Industrieroboter

größte internationale Fachmesse für Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen Raum

Die “Menschmaschine” von UliK Robotik bei einer Produktion in Rastatt 2014 ohne Trommel

Den halben Tag lang streife ich durch die Messegänge, lerne Künstler kennen und sehe Dinge, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Die „Menschmaschine“ von UliK Robotik zum Beispiel. Ein Industrieroboter, der früher in den Niederlanden Autos zusammengeschweißt hat, und an dessen Ende jetzt statt des Schweißgerätes eine überdimensionale Trommel samt Sitz befestigt ist. Als die Show beginnt, schnallt sich UliK auf dem Sitz fest, schnappt sich seine Schlägel und los geht’s. Während der knapp vier Meter lange Roboterarm wild herumwirbelt, trommelt der Künstler, was das Zeug hält. „Du musst dir das mit riesigen Lichteffekten vorstellen, die im Takt der Trommel aufleuchten“, erzählt mir UliK wild gestikulierend, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Dass ihm bei dem Ritt nicht schlecht geworden ist, wundert mich schon.

größte internationale Fachmesse für Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen Raum

Das Duo “lonely husband” führte das Publikum äußerst kurzweilig durch den großen Varieté-Abend

Dazwischen schaue ich mir immer wieder einige der zahlreichen Liveauftritten an, die im Straßentheater oder in den verschiedenen Sälen aufgeführt werden. Ich sehe Comedians wie den sympathischen Bauchredner Tim Becker mit seinem sprechenden Donat oder Lars Redlich, der gemeinsam mit seinem Publikum einen Hip Hop-Song aufnimmt, bevor ihn nach 20 Minuten die Uhr stoppt. Schade, davon hätte ich gerne noch mehr gesehen und gehört. Genau wie von den „Jashgawronsky Brothers“ aus Armenien, die mit einer unvergleichlichen Mischung aus Slapstick und Musikcomedy begeistern und mir zeigen, dass verrückte Bärte und dicke Brillen doch lustig sein können.

Rundum gelungener Varieté-Abend zum Abschluss der Kulturbörse 2015

größte internationale Fachmesse für Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen Raum

Ganz große Jonglage-Kunst zeigten “Spot The Drop”

Höhepunkt der Woche ist jedoch der große Varieté-Abend, den die Veranstalter in diesem Jahr erstmals gemeinsam mit der Verleihung der Freiburger Leiter am letzten Tag der Kulturbörse ausrichten. Trotz des neuen Termins ist der Saal voll und obwohl alle nach drei langen Messetagen müde sind, haben es die beiden Moderatoren des Duos „lonley husband“ nicht schwer, das Publikum zum Lachen zu bringen. Für die Wow-Effekte hingegen sind die Showacts zuständig. Das Jonglage-Duo „Spot the Drop“ zum Beispiel, die Artisten vom „Duo 3fach“ oder die Nachwuchskünstler Mario Espanol und Fine Zintel. Meine Güte, wie gut die beiden Preisträger des „Sprungbretts 2014“ jetzt schon sind. Wo soll das noch hingehen?

größte internationale Fachmesse für Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen Raum

Die Gewinner der Freiburger Leiter in der Kategorie Musik: die Gruppe Federspiel

Ach ja, eine Preisverleihung gab es ja auch noch. Die ging allerdings ein bisschen unter, weil sich alle drei Preisträger schon gen Heimat verabschiedet hatten. Die Freiburger Leiter in der Kategorie „Darstellende Kunst“ ging an die Österreicherin Betty O., der Preis in der Kategorie „Musik“ an die Gruppe „Federspiel“ und damit ebenfalls an unsere südlichen Nachbarn. In der Rubrik „Straßentheater“ ergatterten die Spanier von „Cia. La Tal“ die begehrte Trophäe. Um kurz vor elf fiel dann der letzte Vorhang der diesjährigen Kulturbörse. Ich war zwar schwer geschafft, aber auch höchst beeindruckt und ich kann es kaum erwarten, im nächsten Jahr wiederzukommen.

Die Liebesgeschichte zwischen mir und meiner Kartoffel am Stand von Knol d’Armour ging übrigens gut aus – zumindest für mich. Mit einem kleinen Karottenherzchen und einem Klecks Mayonnaise auf den Pommes.