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„Bei Problemen geben wir nicht so schnell auf“

Als die erste Messe Anfang März abgesagt wurde, musste Anja Daiker sich erst einmal setzen. So groß war der Schock, dass aufgrund der Corona-Pandemie keine Veranstaltungen mehr stattfinden durften. Gemeinsam mit Mira Spoo-Sonntag führt sie die Geschäfte von carpe event productions, einem Full-Service Dienstleister, der sich vor allem auf den Messebereich konzentriert – und jetzt komplett ohne Aufträge dasteht. Sämtliche Mitarbeiter sind im Homeoffice, teilweise in Kurzarbeit, die Umsätze gleich null. Doch die Gründerin, die auch die click.wand, ein flexibles Trennwandsystem für Messen und Veranstaltungen, entwickelt hat, steckt den Kopf noch lange nicht in den Sand. „Lösungen finden ist in den letzten 20 Jahren zu meinem Hobby geworden“, sagt sie siegessicher, als wir mit ihr sprechen. Auch wenn die Messe- und Eventbranche von dieser Krise wohl so hart getroffen wird, wie kaum eine andere: Anja Daiker malt nicht schwarz. Sondern schaut, wo darin auch Chancen liegen.

Anja, wo warst Du, als Anfang März die erste Messe abgesagt wurde, von der Ihr direkt betroffen wart?

„Ich stand mit dem Krisenstab der Messe Köln zusammen. Eigentlich, um zu besprechen, wie wir mit unserem click.wand-system die Stände der chinesischen Aussteller, die zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr kommen konnten, abschalen könnten. Das war nur wenige Tage vor der Messe, die meisten Aussteller waren unterwegs, die Stände fertig. Dann kam die Entscheidung: Die Messe findet nicht statt. Da mussten wir uns alle erstmal setzen.“

Konntet Ihr zu dem Zeitpunkt schon absehen, was das bedeuten würde?

„Wir waren erst einmal sprachlos. Eine Messe komplett abgesagt, wegen eines Virus? Das gab es noch nie. Die Tragweite war niemandem bewusst. Es wurde uns eigentlich erst dann bewusst, als die Entscheidung der Regierung kam und klar war, dass erst mal gar keine Messen mehr stattfinden dürfen. Das Jahr hat gut so gut angefangen, wir hatten tolle Projekte und dann das.“

Wie hast Du reagiert?

„Mir war sehr schnell bewusst, dass wir es anders nicht schaffen und habe dann beim Arbeitsamt angerufen, um Kurzarbeit zu beantragen. Mir war immer wichtig, die Mitarbeiter früh ins Boot zu holen und auf dem Laufenden zu halten. Dennoch war das für alle ein Schock. Gottseidank gibt es in Deutschland überhaupt die Möglichkeit, Kurzarbeit zu beantragen! Wir haben aber auch viele freie Mitarbeiter, denen ich kurzfristig absagen musste. Das ist einfach furchtbar. Und viele der Fixkosten laufen weiter, wie Miete und Verbindlichkeiten. Manches konnten wir selbst übernehmen, wie das Putzen, jedoch bleibt ein großer Batzen an monatlichen Kosten bestehen“

Der Name „Carpe Event“ kommt von Carpe Diem – nutze den Tag. Nutzt Ihr den Tag auch jetzt in der Krise?

„Wir nutzen jetzt die Zeit für Themen wie Marketing, virtuelle Events, digitale Messestände. Wir kreieren neue Projekte, überlegen gemeinsam, wie wir uns breiter aufstellen können, auch nach Corona. Das ist jetzt die Chance, heraus zu kitzeln, was alles Tolles in den Mitarbeitern steckt! Wir haben Zoom-Arbeitsgruppen gebildet und auch ganz neue Einsatzmöglichkeiten für die click-wand gefunden: Schutzzentren, Altenheime, mobile Büros, all das werden wir nicht nur während der Krise machen, sondern auch danach. So kommen wir auch wieder neue Kontakte zustande. Wir entwickeln neue Konzepte z.B. für Weihnachtsfeiern, die man auch in diesem Jahr feiern kann, nur eben anders. Und dazwischen holen wir mal Luft – auch das gab es sonst während des Tagesgeschäfts eigentlich so gut wie nicht.“

Denkt denn überhaupt schon jemand an Weihnachtsfeiern? Wird es so etwas in diesem Jahr geben?

„Wir schon! Wir haben ein Arbeitsteam für Hygienemaßnahmen gegründet und sammeln jetzt Ideen, wie es dieses Jahr funktionieren kann. Social Distancing ist wichtig, aber das Zusammensein fehlt den Menschen. Und gute Events kann man auch mit Hygienekonzept umsetzen. Man muss ja nicht jedem die Hand schütteln.“

Euch gibt es jetzt seit mehr als 20 Jahren – gab es in dieser Zeit schon einmal Rückschläge?

„Ja, das gab es schon. 2017 haben wir einen Großbrand überstanden, da ein Nachbarbetrieb in Flammen aufging. Und ich bin einmal wegen Krankheit länger ausgefallen. Corona ist jetzt unsere dritte Krise und ich habe zu meinen Mitarbeitern gesagt: Das packen wir jetzt auch noch.“

So optimistisch blicken andere Unternehmen, die im Messebereich tätig sind, nicht in die Zukunft. Was muss jetzt passieren, damit es nicht zum großen Massensterben kommt?

„Die Verantwortlichen müssen langsam erkennen, wie viele Jobs an diesem Wirtschaftszweig hängen und vor allem bei ihren Entscheidungen eine einheitliche Linie fahren! Es kann doch nicht sein, dass eine Messe ganz normal stattfinden kann und im nächsten Bundesland nicht – oder dass die Hygienevorschriften komplett verschieden sind! Ja, das ist Föderalismus, aber das ist total skurril. Der Startschuss für die erste Messe in NRW ist ja nun zum Glück gefallen. Und dann müssen wir schauen, wie es weitergeht – denn ganz große Veranstaltungen werden wir vorerst nicht mehr sehen. Und Einschränkungen wird es auf jeden Fall geben.“

Was heißt das für Euch?

„Ich sehe darin für uns auch eine Chance. Denn mit unserem click.wand-system können wir genau das schaffen, was gefordert wird: Abstandsregelungen, geregeltes Begehen, etc. Unsere click.wand ist abwaschbar und so flexibel, dass wir sie an jede Vorschrift anpassen können, egal, wie hoch und wie breit. Wir können Abstände sichern, Tresen bauen, die breit genug sind für Social Meetings. Aber wir machen auch viele Dekorationen – und daran wird sicherlich jetzt gespart werden.“

Wie fühlt Ihr Euch vom Staat und den finanziellen Hilfen aufgefangen?

„Finanzielle Hilfe ist natürlich gut und notwendig. Das Hilfspaket haben wir beantragt und auch bekommen, das ist auch gut. Aber wirklich helfen tut es eigentlich nur sehr kurzfristig, vielleicht ein, zwei Monate. Dann ist Feierabend. Gewinn habe ich erst einmal komplett abgeschrieben, ich bin froh, wenn wir mit dem kompletten Team wieder durchstarten können. Kredite bekommt man ganz leicht, aber nicht die Chance zu arbeiten – das irritiert mich schon.“

Es klingt aber auch, als würde Euch die click.wand ein Stück weit auch durch die Krise retten. Du hast das System selbst entwickelt – wie kam es eigentlich dazu?  

„Die Wand ist mein drittes Kind (lacht). Ich war 1999 schwanger und habe die Firma gegründet, denn ich hatte das Bedürfnis, jetzt zu machen, was mir wirklich Spaß macht. Und das waren Formen, Farben, Gestaltung, Einrichtung. Und so kam eines zum anderen – ich habe jahrelang einen großen Presseball organisiert. Darüber bekam ich Kontakt zur Koelnmesse. Sie baten mein Team und mich, ihre Holzwände mit Stoff zu bespannen, was nicht besonders nachhaltig war. Also habe ich mir Gedanken gemacht und ein Jahr lang gemeinsam mit Fachleuten, Holzverarbeitern und Klebetechnikern geschaut, wie man das besser machen könnte. Und die click.wand entwickelt, das war 2007. So wurde ich auch Partnerin der Koelnmesse– und bin es immer noch. Das System wurde optimiert, aber das Grundprinzip ist immer noch das Gleiche. Und: Mindestens die Hälfte unseres Bestandes ist noch original von damals. Die Wände sind extrem stabil, die halten ein Auto aus! Das Thema Nachhaltigkeit war mir schon immer wichtig – im Messebau kommt das oft zu kurz.“

Was hat sich in all den Jahren verändert?

„Ich war am Anfang eine Einzelkämpferin. Widrige Situationen bin ich daher gewohnt. Lösungen zu finden ist mein Hobby geworden (lacht). Das hilft mir auch im Moment enorm dabei, trotz allem den Kopf und die Motivation hochzuhalten. Was sich verändert hat, ist die neue Generation. Es ist toll zuzusehen, wie junge Leute arbeiten. Die haben andere Ansätze, gehen Dinge komplett anders an. Auf meine jungen Mitarbeiter bin ich besonders stolz.“

Was würdest Du Dir für die nächsten Monate wünschen?

„Ich hoffe, dass wir, bis alles wieder losgeht, noch die Chance nutzen können, unsere neuen Ideen auch umzusetzen. Und vor allem natürlich, dass wir im September wieder auf der Messe arbeiten können und Kunden und Mitarbeiter einfach glücklich mit uns sind, so wie sie es eben immer waren.“