Axel1050

„Am meisten fehlt das Feedback vom Publikum“

Axel Schiel – oder besser gesagt „Axel S.“ – ist wohl das, was man unter einem echten „Tausend-Sassa“ versteht. Und das ist in der Krise seine Chance. Denn der Gründer des Künstlernetzwerks Showpaket steht nicht nur als Profi-Diabolo-Jongleur auf der Bühne, sondern auch als Veranstaltungsplaner und Moderator – und das sogar in Gebärdensprache! Trotzdem trifft Corona ihn und seine Branche hart. Keine Veranstaltungen bedeutet kein Publikum. Und dabei ist es genau das, was Axel und seinen Kollegen so wichtig ist. Wir haben mit dem Künstler über die Krise, gerissene Diabolo-Seile und staatliche Hilfen gesprochen und sind beeindruckt, wie Axel S. es schafft, in allem etwas Positives zu sehen. Selbst dann, wenn die Zuschauer eigentlich Autos sind. 

Axel, wie hast Du gemerkt, dass Corona näherkommt – und Dich sogar direkt betrifft?

„Ich war gerade auf der Locations-Messe in Leipzig – eine der letzten Veranstaltungen, die noch stattfinden konnten. Da wurde klar, dass unsere eigene Veranstaltung (Axel S. ist Vorsitzender des Varieté- und Kleinkunstvereins Achterbahn, Anm. d. Red.) zwei Tage später nicht stattfinden darf. Überrascht hat es mich nicht, denn ich habe die Entwicklungen in der Welt natürlich verfolgt. Anfangs haben wir noch gewitzelt, dass wir ja keine Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Leuten haben. Trotzdem hatten wir uns bereits Gedanken gemacht, was wir machen, wenn es uns dann doch betrifft.“

Wie habt Ihr Euch gefühlt, als klargeworden ist, dass alle Veranstaltungen komplett gestrichen werden?

„Wir waren nicht geschockt. Wir hatten uns früh mit dem Gedanken befasst, welche Möglichkeiten uns trotz Lockdown bleiben – und wie man diese kreativ nutzen kann.“

Und welche waren das, bzw. wie habt ihr sie genutzt?

„Wir bei Showpaket haben das Glück, dass wir nicht darauf angewiesen sind, live auf der Bühne vor Publikum zu stehen. Jeder von uns (das sind neben Axel S. noch die Artistin Andrea, Stuntman Andrew, Xylophonist Dirk, Artistin Annette und Akrobat Craig, Anm. d. Red.) hat noch eine andere Profession. Ich zum Beispiel moderiere nicht nur auf der Bühne, sondern auch fürs Fernsehen und für Unternehmen. Und darauf haben wir uns jetzt konzentriert. Ein Bereich ist weggefallen, also konzentrieren wir uns auf einen anderen. Die Krise hat ja überall in diese Kerbe geschlagen: Viele Unternehmen haben plötzlich im Digitalen einen großen Bedarf gesehen, Events digitalisiert, Meetings virtuell durchgeführt, etc. Wir hatten plötzlich eine riesige Nachfrage nach Online-Videos, diesen Bereich mussten wir erst einmal strukturieren. Die Krise ist eben für niemanden leicht. Nicht für den Apotheker, dem plötzlich das Desinfektionsmittel aus der Hand gerissen wird, und auch nicht für den Gitarristen, der gar keine Auftritte mehr hat.“

Wird das Digitale auch nach der Krise noch eine so starke Rolle spielen wie jetzt?

„Ich denke, Live-Events werden zu ihren alten Stärken zurückfinden. Denn die Menschen haben Sehnsucht, sie wollen sich wieder treffen – und zwar in ‚Echt‘. Das wird sich auch auf die Veranstaltungsbranche auswirken. Auch wenn man vielleicht öfter Videokonferenzen durchführt als früher: Kontakt gehört für die Menschen dazu, das können auch Zoom & Co. nicht ersetzen.“

Was vermisst Du am meisten, jetzt, wo Du nicht vor Publikum auf der Bühne stehst?

„Ganz klar: Das Feedback der Zuschauer. Wenn ich ohne Publikum vor der Kamera stehe, spüre ich keine Reaktionen. Und die Zuschauer machen einen Auftritt eigentlich zu dem, was er ist, nämlich zu etwas Besonderem. Das Publikum hat einen kollektiven Charakter, der sich von Ort zu Ort unterscheidet. Das fehlt mir im Moment schon.“

Du arbeitest viel mit Künstlern zusammen, stehst selber auf der Bühne und packst „Showpakete“ für Veranstaltungen aus verschiedenen Talenten. Wie hart trifft Corona die ganze Branche? Und inwieweit hilft da der Staat?

„Die Veranstaltungsbranche hat es als erstes getroffen und sie wird es am längsten treffen. Grundsätzlich sind wir in Deutschland ja gut aufgestellt. Der Staat hat schnell reagiert, es gibt Soforthilfen und Kurzarbeit. Aber nicht alles hilft jedem. Wenn Solo-Selbständige, um eine Unterstützung zu bekommen, Hartz IV anmelden müssen, obwohl sie gut gewirtschaftet haben, finde ich das ehrlich gesagt würdelos. Passender sind Soforthilfen, die sich an Ausfällen bemessen, und die sollen ja jetzt zum Glück auch kommen. Spannend wird es noch, wie man die Ausfälle beziffern kann.“

Am stärksten trifft es die Veranstaltungsbranche

Wie wird es mit der Branche weitergehen?

„Dazu sind zwei Aspekte wichtig. Zum einen: Man muss von der Kunst leben können – da verlasse ich mich auf den Staat, dass jetzt nicht alle Künstler verhungern und es nach der Krise noch genauso viele gibt wie vorher. Aber man muss auch mit der Kunst leben können. Und da sind die Kulturveranstalter gefragt. Sie müssen dafür sorgen, dass über Online-Shows oder Veranstaltungen in einem anderen Rahmen – das können meinetwegen auch Shows im Autokino sein – die Kalender der Künstler auch wieder gefüllt werden und diese wieder Perspektiven haben. Künstler leben vom Hinfiebern auf ihre Auftritte und einem geregelten Rhythmus.“

Bist Du selbst auch im Autokino aufgetreten?

(Lacht) „Nein, das lag aber eher daran, dass ich ein Kinderprogramm gehabt hätte – und vor 120 Autos hätte das für mich nicht funktioniert. Grundsätzlich kann das aber sehr gut funktionieren und ich finde es toll, dass es solche kreativen Formate gibt! Wir haben unsere ‚Achterbahn‘-Show ins Fernsehen gebracht, auf Rhein-Main TV läuft bis Ende des Jahres monatlich unser Programm. Und dabei haben wir festgestellt: Es ist gar nicht unbedingt schlechter, wenn man mal etwas anders machen muss, sondern es gibt immer auch Vorteile.“

Zum Beispiel?

„Fürs Fernsehen muss ja nicht alles auf der Bühne stattfinden. Wir können gewisse Szenen auch woanders drehen, zum Beispiel unseren Gemüse-Krimi in der Küche. Und: Wir können unseren Künstlern wieder eine Perspektive bieten, einen Termin im Kalender und vor allem ihre Gage! Denn kostenlos seine Kunst auf Facebook zu verramschen, finde ich überhaupt nicht gut. Kunst ist was wert – und zwar mindestens so viel wie Autos reparieren.“

Auch Du bist Künstler – wie kamst Du eigentlich dazu? War Diabolo-Jongleur schon immer Dein Berufswunsch?

„Du willst wissen, ob ich der Klassenclown war (lacht)? Also, ich habe mit zehn Jahren auf einer Klassenfahrt ein Diabolo in die Hände bekommen. Und fand das so cool, dass ich mir eines zum Geburtstag gewünscht habe und dann so viel trainiert habe, dass eine Schnur nach der anderen gerissen ist. Ich habe einfach sehr viel geübt, mit zwölf bin ich auf Geburtstagen aufgetreten und mit 16 hatte ich bereits eine Rohversion meines Diabolo-Acts, mit dem eigentlich meine Karriere gestartet ist. Ich kam ins französische Fernsehen und ins Varieté und so fing alles an. Mich hat es auch gereizt, den Menschen zu zeigen, dass man mit einem Diabolo die Leute genauso begeistern kann wie mit Keulen oder Bällen. Auf der anderen Seite hat mich das Thema Journalismus, Zeitungen, Fernsehen und Video-Journalismus interessiert. Bei Firmenauftritten habe ich irgendwann Showacts anmoderiert und irgendwann dann neben dem eigenen Act auch inhaltlich moderiert. Ich bin aber kein Einzelkämpfer und so habe ich mich mit den Künstlern zusammengetan, die mich in meiner Varieté-Zeit bereichert haben. Das war 2008, seitdem gibt es Showpaket.“

Auf was freust Du Dich am meisten, wenn die „Krise“ und die Kontaktbeschränkungen vorbei sind?

„Zurzeit planen wir eigentlich nur mit Fragenzeichen. Das heißt, jede Veranstaltung, für die wir ein tolles Konzept erarbeiten, findet nur unter Vorbehalt statt, da die Pandemie noch nicht vorbei ist. Dadurch ist der bürokratische Aufwand extrem gestiegen. Und Bürokratie ist das Gegenteil von Kreation. Für etwas zu arbeiten, das nur vielleicht stattfindet, scheint so sinnlos. Wenn das vorbei ist, und wir wieder sicher planen können, darauf freue ich mich!“