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Ist „Sani“ gleich „Sani“?

vom 26.10.2007 veröffentlicht über meinMemo

Die Buchung des Sanitätsdienstes ist ein lästiges, aber notwendiges Übel, welches oft „auf den letzten Drücker“ noch schnell vom Praktikanten erledigt wird. Aber ist Sanitäter gleich Sanitäter? Brauche ich einen Krankenwagen? Auf was ist sonst noch zu achten? Das fragten wir Erik Herbote, Inhaber der Firma BMLG, die in Berlin seit über 10 Jahren erfolgreich Sanitätsdienste anbietet.


Ist „Sani" gleich „Sani"? Die Buchung des Sanitätsdienstes ist ein
lästiges, aber notwendiges Übel, welches oft „auf den letzten Drücker"
noch schnell vom Praktikanten erledigt wird. Aber ist Sanitäter gleich
Sanitäter? Brauche ich einen Krankenwagen? Auf was ist sonst noch zu
achten? Das fragten wir Erik Herbote, Inhaber der Firma BMLG, die in
Berlin seit über 10 Jahren erfolgreich Sanitätsdienste anbietet.





Frage: Herr Herbote, eine provokante Frage gleich am Anfang: Warum sind Sanitätsdienste inzwischen so teuer geworden?





Erik Herbote: Sie spielen wahrscheinlich darauf an, daß die Sanitäter
früher teilweise umsonst gearbeitet haben. Das ist auf die Geschichte
des Sanitäts- und Rettungsdienstes zurückzuführen. Dieser wurde in den
Anfängen in den 60er und 70er Jahren überwiegend von ehrenamtlichen
Helfern durchgeführt. Beim Sanitätsdienst, also der medizinischen
Absicherung von Veranstaltungen, ist das bei den klassischen
Hilfsorganisationen (DRK, Johanniter, ASB, Malteser usw.) auch heute
noch teilweise der Fall. Größtenteils müssen aber auch diese
Organisationen inzwischen wirtschaftlich arbeiten und sich selbst
tragen. Bei privaten Anbietern stellt sich die Frage eigentlich nicht:
Diese müssen ihre Mitarbeiter bezahlen, Ausrüstung und
Verbrauchsmaterial anschaffen und ständig aktuell halten und natürlich
fallen alle anderen Kosten wie bei jedem anderen Unternehmen auch an.
Nicht zuletzt sind die heutigen Mitarbeiter oft hoch spezialisierte und
gut ausgebildete Fachkräfte, die mit dem ehrenamtlichen Sanitätshelfer
nicht vergleichbar sind. Und Fachkräfte kosten nun mal Geld. Insgesamt
sind die Preise jedoch immer noch sehr moderat und liegen weit unter
den Stundensätzen für andere Fachkräfte, wie zum Beispiel Tontechniker
oder Beleuchtungsspezialisten.





Frage: Sie sprachen gerade die verschiedenen Qualifikationen im
Rettungs- und Sanitätsdienst an: Welche gibt es und ist es nicht egal,
wen ich da buche, Hauptsache der Sanitätsdienst ist vorhanden?





E. H.: Ich möchte gleich mit dem zweiten Teil Ihrer Frage anfangen: Es
kommt auf Ihren Anspruch als Veranstalter eines Events an. Möchten Sie
nur den Paragraphen gerecht werden und die Versicherung befriedigen,
sich also nur absichern: Dann ist es tatsächlich oft egal! Wenn Sie
allerdings den Sanitätsdienst mit dem gleichen hohen Niveau wie alle
anderen Teilbereiche Ihrer Veranstaltung durchgeführt wissen möchten,
sollten Sie schon gut ausgebildete und erfahrene Kräfte anfordern. Das
fängt meines Erachtens beim erfahrenen Rettungssanitäter an. Wenn
nämlich der „worst case" eintritt und einer Ihrer Besucher schwer
erkrankt oder verletzt wird, hilft Ihnen der Sanitäter, der keine
Routine mit solchen Notfällen hat und dementsprechend aufgeregt ist,
nicht weiter. Zu den Qualifikationen: Im ehrenamtlichen Bereich, also
bei den Hilfsorganisationen gibt es den Sanitäter oder Sanitätshelfer
mit 60 - 80 Stunden Ausbildung. Dann gibt es noch den
Betriebssanitäter, der vor allem wegen Auflagen der
Berufsgenossenschaften als Ersthelfer in Betrieben ab einer bestimmten
Mitarbeiterzahl vorhanden sein muß. Der erste Schritt auf dem Weg zum
Profi ist der Rettungshelfer. Er erfährt ungefähr die gleiche
medizinische Ausbildung wie ein Rettungssanitäter, die vorgeschriebenen
Praktika im Krankenhaus und auf dem Rettungswagen sind allerdings
zeitlich reduziert und es findet keine Abschlußprüfung statt. Die
nächst höhere Qualifikation und der erste, der auch regulär auf einem
Rettungswagen eingesetzt werden kann, ist der Rettungssanitäter. Seine
Ausbildung umfaßt einen theoretisch/ praktischen Teil und Praktika im
Krankenhaus sowie auf dem Rettungswagen, endet mit einer
Abschlußprüfung und dauert insgesamt ca. 3 Monate. Die höchste
nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst, und damit auch im
Sanitätsdienst, stellt der Rettungsassistent dar. Dieser, leider vom
Gesetzgeber etwas mißverständlich gewählte Begriff (nicht etwa nur der
Assistent auf dem Rettungswagen, sondern Assistent des Notarztes)
bezeichnet den Verantwortlichen an der Einsatzstelle bis zum Eintreffen
des gegebenenfalls gerufenen Notarztes. Die Mehrzahl der Einsätze wird
allerdings ohne Notarzt abgewickelt. Es ist die einzige
Rettungsdienstqualifikation, die als Berufsbild anerkannt ist. Die
Ausbildung dauert ca. 2 Jahre. Man sieht also: Sani ist nicht gleich
Sani. Und nicht alles, was Reflexstreifen an Jacke oder Hose hat ist
erfahren im Rettungsdienst und kompetent, komplexe Einsätze und
Notfallsituationen zu beherrschen.





Frage: Brauche ich einen Krankenwagen?





E. H.: Das kommt sehr auf die Größe der Veranstaltung an. Kranken- oder
Rettungswagen werden oft eingesetzt, obwohl sie eigentlich nicht
benötigt werden. Transporte werden dann damit auch meist nicht
durchgeführt. Der Sanitätsdienst bei Veranstaltungen hat meines
Erachtens die Aufgabe, den Patienten optimal fachgerecht
erstzuversorgen. Wenn nötig, wird vom Sanitätsdienst dann das passende
Rettungsmittel, also Krankenwagen, Rettungswagen oder Notarzt
angefordert, dieses eingewiesen und der Patient zum Transport und
eventuell nötiger Weiterbehandlung übergeben. Würde man selbst
transportieren, würde man ja die Einsatzkraft vor Ort schwächen, da
dann mehrere Einsatzkräfte für längere Zeit nicht mehr am Ort der
Veranstaltung wären. Hilfreich kann ein Rettungsfahrzeug als
Behandlungsraum vor Ort sein. Diesen kann man aber meist günstiger in
vorhandenen Räumen oder in extra aufgestellten Zelten oder Containern
schaffen. Anders sieht es bei sehr großen „Megaveranstaltungen" aus.
Erwartet man mehrere zehntausend Besucher und/ oder ist mit vielen
Notfällen zu rechnen, kann die Kapazität des örtlichen öffentlichen
Rettungsdienstes überschritten werden. Hier muß man dann, in Absprache
mit den zuständigen Stellen, Transportkapazität zur Verfügung stellen.
Jetzt hat übrigens auch der Sanitätshelfer wieder seine
Daseinsberechtigung: Es gibt nämlich schlicht nicht so viele
Rettungssanitäter und Rettungsassistenten um eine Veranstaltung, wie
zum Beispiel die Loveparade, nur mit ihnen abzusichern. Das geht dann
aber schon in Richtung Katastrophenschutz. Die Behandlung und
Versorgung findet jetzt unter ganz anderen Gesichtspunkten, nämlich im
Sinne der Ersten Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen statt. Eine
individuelle notfallmedizinische Behandlung ist jetzt nicht mehr
durchzuhalten.





Frage: Müssen die Sanitäter eigentlich immer in dieser nach Medizin und
Notfall aussehenden Kleidung kommen oder geht das nicht auch in zivil?
Schließlich bringt man das ja immer mit schlimmen Unfällen oder
Ähnlichem in Verbindung und das könnte ja der Stimmung auf der
Veranstaltung abträglich sein! Die Besucher sollen doch gute Laune
haben und sich wohl fühlen!





E. H.: Das ist ein etwas zweischneidiges Schwert: Natürlich möchte der
Veranstalter auf seinem Premium-Event, wie zum Beispiel einer Gala mit
Prominenten und Politikern, nicht unbedingt rote oder blaue Jacken und
Hosen mit leuchtenden Reflexstreifen sehen. Deshalb wird auf Wunsch des
Veranstalters auch mal darauf verzichtet. Gute Dienstleister können
auch Mitarbeiter in Abendgarderobe anbieten. Aber: Ein Sanitätsdienst
sollte eigentlich schon deutlich sichtbar sein, damit er für jeden
sofort erkennbar ist und im Fall des Falles schnell gefunden wird.
Grundsätzlich sollten sich die Einsatzkräfte natürlich eher im
Hintergrund halten und werden so kaum auffallen.





Frage: Wie viele Einsatzkräfte sollte ich als Veranstalter denn anfordern?





E. H.: Das hängt von vielen verschiedenen Kriterien ab. Hauptkriterium
ist natürlich die Anzahl der Besucher. Aber auch die Art der Besucher,
der Veranstaltungsort, die Art der Veranstaltung, die Dauer, das
Wetter, der erwartete Alkoholkonsum und vieles mehr ist zu beachten.
Außerdem kann es natürlich Auflagen von Behörden für die einzelne
Veranstaltung oder den Veranstaltungsort allgemein geben. Seriöse
Sanitätsdienste werden Sie gerne dazu ausführlich beraten.




Frage: Was muß ich als Verantwortlicher des Veranstalters sonst noch beachten?




E. H.: Natürlich sollten Flucht- und Rettungswege nicht verstellt
werden und gut ausgeschildert sein, eine Zufahrt für den eventuell
nötigen Abtransport von Patienten sollte vorhanden sein, über den
eventuell einzurichtenden Sanitätsraum sollte man sich vorher
abstimmen, Ablauf- und Lagepläne sollten übermittelt werden und so
weiter. Gerade bei großen Veranstaltungsarealen ist eine vorherige
Besichtigung durch den Sanitätsdienst sinnvoll. Kontakt zum
Sicherheitsdienst sollte hergestellt werden, damit die Zusammenarbeit
dann auch reibungslos funktioniert. Und: alle Sanitätsdienste, ob
Privatunternehmen oder Hilfsorganisationen brauchen auch eine gewisse
Vorlaufzeit, um den Einsatz zu planen und die erforderlichen
Mitarbeiter einzuteilen. Auch wenn die Anforderung des Sanitätsdienstes
für den Veranstalter naturgemäß nur eine lästige Pflicht ist, bitte
nicht erst einen Tag vorher anrufen! Außerdem, wenn möglich, die
Sanitäter in die Crewversorgung mit einplanen. Dies ist nicht nur eine
alte Tradition sondern auch oft erforderlich, da die Einsatzkräfte
teilweise viele Stunden vor Ort sein müssen und das Gelände ja nicht
verlassen können.





Herr Herbote, ich danke für das Gespräch!




weitere Informationen: berlin medical Lifeguard - BMLG