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Long Learning und digitale Lernerfolge …

Nicht erst die Corona-Krise zeigt, dass Ausbildung und Weiterbildung ein wichtiges Thema für die Livebranche ist. In der Goldgräberzeit der Neunziger des letzten Jahrhunderts war sie noch die Branche der Selfmademen- und -women. »Learning by doing« war der einzige Weg nach oben, beziehungsweise seine Visionen umzusetzen. Erst gegen Ende des Jahrtausends entstanden langsam die Angebote für eine qualifizierte Ausbildung in technischen, Management- und Kreativausbildungsgängen. showcases lud fünf wichtige Protagonist:innen der Szene zum virtuellen Roundtable.

Micheal Hosang ist Inhaber und Geschäftsführer der Studieninstitut für Kommunikation GmbH und befasst sich seit mehr als 25 Jahren mit Aus- und Weiterbildungen, Inhouse-Schulungen und Konferenzformaten rund um die Themenfelder Kommunikation und Marketing. 1995 konzipierte er die bis dato in Deutschland einzigartige berufsbegleitende Weiterbildung zum Eventmanager.

Anke Lohmann ist Diplom-Ingenieurin (FH) für Theater- und Veranstaltungstechnik, Pyrotechnikerin, Geschäftsführerin seit der Gründung der Deutschen Event Akademie GmbH und selbst auch als Dozentin für Pyrotechnik, Brandschutz und Arbeitsschutz aktiv.

Stefan Luppold ist Professor an der staatlichen DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) Ravensburg; dort leitet er den Studiengang »BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement«. Zuvor war er zwei Jahrzehnte in internationale Projekte der Veranstaltungs-Branche eingebunden. Er hat viel veröffentlicht und ist Mitglied in verschiedenen Beiräten und Leiter des Instituts für Messe-, Kongress- und Eventmanagement (IMKEM).

Sven Pries studierte Informationsmanagement in Darmstadt und später Erwachsenenbildung in Kaiserslautern. Er war zunächst in der IT und Marketingberatung tätig und wechselte danach zu einem großen Bildungskonzern in Heidelberg, um den Aufbau von Fachschulen zu begleiten. 2007 wurde er Schulleiter der EurAka Baden-Baden gGmbH und ist nun seit 2015 Geschäftsführer der Gesellschaft.

Andrea Wittwer gehört schon seit 1983 zum Team der ZAV-Künstlervermittlung, der Bundesagentur für Arbeit, und ist dort die Vermittlerin für den Bereich Unterhaltung: Show, Artistik, Entertainment. Sie ist als regelmäßiges Jurymitglied beim Internationalen Kleinkunstfestival auf Usedom, beim Artistenpreis Sprungbrett von memo-media, beim Internationalen Kleinkunst- und Gauklerfestival Koblenz, beim Entertainment Award Artistik für das Goldene Stadttor auf der ITB und auch einmal bei der Internationalen Kulturbörse Freiburg. Seit 2016 etabliert sie ihr Projekt »Young & Fresh« beim Gauklerfestival Koblenz und bei der Kulturbörse Freiburg.

Welche Ausbildungsgänge sind (noch) erfolgversprechend?

Sven Pries: In der Erstausbildung laufen die klassischen Angebote »Fachkräfte für Veranstaltungstechnik« und »Veranstaltungskaufleute« weiterhin im Dualen System. Die Zahlen sind aber deutlich zurückgegangen und wir rechnen für den Herbst mit einem weiteren Rückgang. Im Weiterbildungsbereich haben wir auch Teilnehmende, die den Leerlauf nutzen, um jetzt ein für sie passendes Fortbildungsangebot zu besuchen. Beispiele sind hier die Fachkräfte und Meister:innen für Veranstaltungstechnik.

Micheal Hosang: Im Segment der Veranstaltungswirtschaft können wir konstatieren, dass die zunehmende Komplexität vieler Event- und Messeprojekte bzw. die Digitalisierung noch keine Berücksichtigung im Rahmenstoffplan erhalten hat. Dementsprechend werden, neben dem kaufmännischen IHK-Unterbau, weiterhin zum Teil veraltete Lehr- und Lerninhalte vermittelt. Um hier die inhaltliche Diskussion voranzutreiben, befinden wir uns aktuell im Austausch mit übergeordneten institutionellen und politischen Gremien. Wir verstehen »die Digitalisierung« in der Veranstaltungsbranche zugleich als Herausforderung und große Chance – insbesondere auch für die Bildungslandschaft und deren Angebote.

Anke Lohmann ist Geschäftsführerin der Deutschen Event Akademie

Anke Lohmann ist Geschäftsführerin der Deutschen Event Akademie

Anke Lohmann: Ausbildungsbetriebe, mit denen wir als Bildungsträger Kontakt haben, spiegeln uns ein eher rückläufiges Interesse an den Ausbildungsberufen. In der Fort- und Weiterbildung setzt sich eindeutig der europäische Gedanke des Lebenslangen Lernens durch. Und dies, obwohl viele ihnen ihren Bildungsetat kürzen müssen.

Stefan Luppold: Es zeigt sich, dass unser Studiengang BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement – eine gute Mischung aus betriebswirtschaftlichen Grundlagen und sogenannten branchenspezifischen Kernmodulen ist. Unsere Ausrichtung auf Dienstleistungsmanagement und Kommunikation bleibt während und sicherlich auch nach der Pandemie erfolgversprechend für einen ersten akademischen Abschluss.

Welche individuellen Förderungen für Weiterbildungen gibt es?

AL: Es gibt finanzielle Förderungen des Bundes und der EU. Wir sind zum Beispiel aktuell in das europäische Netzwerk-Projekt ready4future eingebunden. Es ist ausgerichtet auf die fachliche Qualifizierung und ergänzende Skills für Selbstständige und Ein-Personen-Unternehmen in der Messe- und Veranstaltungswirtschaft. Das Aufstiegs-BaFöG für Teilnehmende an Fortbildungen wie z. B. Meister:innen-Kurse wurde sogar ausgeweitet. Zusätzlich gibt es Bildungsprämien auf Bundes sowie Weiterbildungsförderung auf Länderebene und Förderprojekte der Kammern.

Stefan Luppold ist Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württenberg in Ravensburg

Stefan Luppold ist Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württenberg in Ravensburg

SL: Unser duales Studienmodell sieht einen Vertrag zwischen den Unternehmen und den Studierenden vor. Als staatliche Hochschule entfallen Studiengebühren, allerdings erhalten die Studierenden eine Ausbildungsvergütung.

SP: Genutzt werden hauptsächlich die ESF-Förderung des Europäischen Sozialfonds, der Bildungsgutschein und das Meister:innen-BAföG.

MH: Für Arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit Bedrohte ohne Berufsabschluss gibt es die Finanzierungshilfe von der Agentur für Arbeit. Die Kosten werden nach eingehender Prüfung mit dem Gutschein beglichen. Ähnlich aufgebaut ist die Förderung einer Weiterbildung für Beschäftigte. Auch hier kann der Bildungsgutschein beantragt werden. Seit 2008 werden mit der Bildungsprämie einkommensschwächere Arbeitnehmer:innen unterstützt. Der Prämiengutschein kann alle zwei Jahre in einer der über 500 bundesweiten Beratungsstellen beantragt werden. Der Bildungsscheck wird in dieser Form nur in NRW angeboten, es gibt allerdings vergleichbare Alternativen in den anderen Bundesländern. Für einige Lehrgänge besteht die Möglichkeit, Aufstiegs-BAföG zu beantragen. Das von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) – sog. »Aufstiegs-BAföG« – begründet einen individuellen Rechtsanspruch auf Förderung von beruflichen Aufstiegsfortbildungen, d. h. von Meister:innenkursen oder anderen auf einen vergleichbaren Fortbildungsabschluss vorbereitenden Lehrgängen.

Wurden die Ausbildungsgänge aufgrund der Pandemie verändert oder angepasst?

SP: Bei unseren Bildungsangeboten haben wir schnell reagiert, die laufenden Kurse werden entweder online oder hybrid durchgeführt. Hier sind wir natürlich abhängig von der aktuellen Verordnungslage, haben jedoch gute Hygienekonzepte. Die Inhalte konnten wir soweit beibehalten.

Michael Hosang ist Gründer und Geschäftsführer des Studieninstituts für Kommunikation

Michael Hosang ist Gründer und Geschäftsführer des Studieninstituts für Kommunikation

MH: Sowohl inhaltlich als auch von der Organisationsform. Schnell haben wir festgestellt, dass der digitale Unterricht alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen stellt. Eine 1:1-Übertragung des Lernformats ist nicht möglich. Dementsprechend haben wir uns mehr und mehr an Organisationsformen herangetastet, welche idealtypisch die Lust am Lernen, die Aufnahmefähigkeit und Motivation und den Lernerfolg während des inhaltlichen Transfers abbilden. Hierbei war es für uns von Vorteil, dass wir bereits in Zeiten »vor Corona« sehr modulartig agiert haben.

AL: Die Menschen in der Branche haben aktuell und künftig große Herausforderungen. Die Mission der DEAplus ist es, dafür entsprechende direkt anwendbare Kompetenzen zu vermitteln.

SL: Verändert wurde, gezwungenermaßen, die Art der Lehrveranstaltungen. Aus Präsenz wurde Online. Inhaltlich arbeiten wir daran, das akkreditierte Curriculum um Kompetenzen der virtuellen und hybriden Varianten von Messen, Kongressen und Events zu erweitern.

Wie schätzt Ihr die Perspektiven unserer Branche ein?

Andrea Wittwer gehört zum Team der ZAV-Künstlervermittlung

Andrea Wittwer gehört zum Team der ZAV-Künstlervermittlung

Andrea Wittwer: Die Liveveranstaltungen fehlen nicht nur den Künstler:innen und Veranstalter:innen, sondern auch dem Publikum. Meiner Meinung nach werden Online-Events die Präsenzveranstaltungen nicht ablösen oder ersetzen. Trotz Bestehen einiger guter Hygienekonzepte findet das Live-Erlebnis leider viel zu wenig statt. Allerdings glaube ich fest daran, dass vieles einfach nachgeholt wird. Ich hoffe, dass die Locationbetreiber:innen sowie die Darsteller:innen diese düstere Zeit der ausbleibenden Kultur überstehen und im Anschluss alles nachholen können. Weiterhin gehe ich leider davon aus, dass die Preispolitik der Gagen, Mieten und Eintrittspreise einen Wandel erleben wird. Das Publikum wird mehr zahlen müssen, die Gagen werden nur vereinzelt gleich hoch bleiben und ich kann mir eine höhere Mietpreispolitik vorstellen. Allerdings glaube ich, dass die Kreativität in dieser Zeit ansteigt und es viele neue Darbietungen und Shows geben wird. Ich hätte in diesem Punkt gern Recht.

MH: Wir sind davon überzeugt, dass die Erfahrungen vor, mit und nach Corona sowohl privat als auch beruflich einen großen Einfluss auf unser weiteres Tun haben werden. Liebgewonnene Selbstverständlichkeiten wie vor Corona, wie z. B. Business-Reisen, müssen weiterhin kritisch hinterfragt werden. Der Nachholbedarf nach »live« ist da und »live« wird sich seinen Platz wieder zurückerobern. Schnelltests, Impfungen und Hygienekonzepte werden uns das Miteinander auf Veranstaltungen wieder ermöglichen – in Ergänzung zu einer tragfähigen und nachvollziehbaren Öffnungsstrategie.

SL: Die Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen ist in Zeiten der Pandemie gewachsen; schon vorher konnten wir wahrnehmen, dass die zunehmende Digitalisierung gleichzeitig den Wunsch nach einem Treffen mit anderen Menschen im physischen Raum befeuert. Wir werden dennoch einen Wandel erleben, der andere Formate, andere Plattformen und ein anderes Verhalten der Teilnehmenden und Gäste mit sich bringt.

Sven Pries ist Schulleiter der EurAka Baden-Baden

Sven Pries ist Schulleiter der EurAka Baden-Baden

SP: Grundsätzlich ist sicher der Bedarf an Produkten und Dienstleister:innen der Eventbranche wieder da, sobald Veranstaltungen möglich werden. Wann und ob das Niveau von vor der Pandemie wieder erreicht wird, ist aber für uns noch nicht abzuschätzen. Die Virtualisierung, die wir nun alle im Schnelldurchlauf gelernt haben, wird uns aber sicher erhalten bleiben. Das eröffnet ganz neue Chancen für Dienstleister:innen, die in der Lage sind, diese Transformation mitzumachen.

Welche Trends in punkto Ausbildung seht ihr?

AW: Eine Fortbildung oder auch Umschulung wird momentan von etlichen Künstler:innen in Erwägung gezogen – und auch durchgeführt. Dabei nutzen die Betroffenen ihre durch die fehlenden Jobs vorhandene Zeit für eine berufliche Weiterentwicklung. Einige mussten staatliche Unterstützung beantragen oder auch Arbeitslosengeld 2. Durch den Umstand der Arbeitslosmeldung, hatten sie die Möglichkeit, einen Bildungsgutschein in Anspruch zu nehmen. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt bei förderungsfähigen Maßnahmen die Ausbildungs- oder Fortbildungskosten. In einigen Fällen werden 50 Prozent der Kosten übernommen. Dadurch ergibt sich meiner Meinung nach eine einmalige Chance für die Künstler:innen, aus zeitlicher und finanzieller Sicht die beruflichen Perspektiven zu erweitern. So hat es auch ein Gutes, sich arbeitslos melden zu müssen.

AL: Fachliche Erwartungen sind stärker geprägt von Know-how in der Veranstaltungssicherheit und für neue Formate, z. B. virtuelle und hybride Events. Persönlichkeits-, Sozial- und Methodenkompetenzen rücken weiter in den Vordergrund. Das spiegelt sich auch in der Modifizierung der Rechtsverordnungen und der Rahmenpläne wider.

SP: Wir können das recht gut an unseren eigenen Auszubildenden festmachen, denn Präsenzveranstaltungen hatten wir seit 2020 natürlich nur sehr wenige. Onlinemeetings, -unterricht sowie Liveübertragungen gehören jetzt zum Alltag. Somit verlagert sich auch die Ausbildung schwerpunktmäßig in diesen Bereich – zur Freude aller Beteiligten.

MH: Der hybride Ansatz ist erfolgversprechend. Die Teilnehmenden können selbstbestimmt entscheiden, ob sie vor Ort im Live-Seminar oder im Live-Workshop dabei sein möchten. Alternativ können sie sich, unabhängig von räumlichen Faktoren und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt, dennoch den vermittelten Lernstoff aneignen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich Bildungsträger, wesentlich mehr als bisher, mit technologischen Entwicklungen beschäftigen müssen, um somit ein zukunftsorientiertes Aus- und Weiterbildungsangebot konzipieren zu können. Es gilt also, Inhalte stets auf Neues hinsichtlich Aktualität zu überprüfen und anzupassen, insbesondere auch für die Anwendung bzw. die Anwendbarkeit digitaler Tools zur Lernunterstützung.

SL: Mehr denn je müssen wir den Begriff Life Long Learning mit betrachten: Es bleibt ganz sicher – bezogen auf unseren Studiengang – bei dem kompakten Kompetenzerwerb; damit ist es nicht getan. Weiterbildungseinheiten im Sinne qualifizierter Updates muss es noch mehr als bisher geben. Und hybride Lehrkonzepte – mit einer Mischung aus Online und Onsite.