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Letztendlich ist ein Streaming-Event so aufwändig wie eine Fernsehshow

Erfahrungen der Live-Event-Bühne kann man nicht eins zu eins auf digitale Events übertragen, denn der Content hat eine ganz andere Bedeutung. Alles, was man contentmäßig cool machen kann, kommt bei den Leuten auch digital super an. Man kann also nicht einfach nur auf Party machen, das geht nicht. Der Inhalt spielt die Hauptrolle. Letztendlich ist so ein Streaming-Event wie eine Fernsehshow, gepaart mit den interaktiven Möglichkeiten (Polls, Chats etc.) einer digitalen Plattform.

Hindernisse, die es mitzudenken und zu bewältigen gilt, sind beispielsweise interne IT-Probleme bei den Kunden. Im arabischen Raum darf zum Beispiel nicht auf Skype zurückgegriffen werden. Also muss man sich überlegen, wer genau in welcher Rolle teilnimmt, und von wo das geschieht. Und darauf muss alles abgestimmt werden. Die einen sind im Home-Office, die anderen sind im Büro, Dritte in einem eigens eingerichteten kleinen Studio. Alle müssen gleich zugreifen können. Denn beim Streaming kann man nichts kompensieren, wenn etwas schief geht. Es erfordert also eine noch sorgfältigere Planung. Vor allem, wenn zum Hauptstream interaktive Elemente hinzugefügt werden.

Digitale Events bestehen nicht nur aus dem Hauptstream, sondern wie Nebenbühnen auch aus Nebenstreams. Workshop-Räume, um Themen gruppenspezifisch zu bearbeiten, sind auch virtuell einzufügen. Wichtig ist es, permanent in allen parallelen Streams interessante Inhalte zu bringen, denn nur dann bleiben die Teilnehmer:innen auch dabei. Sie sind ja nur einen Klick entfernt. Und es ist auch nur ein Klick, auszusteigen oder die Kamera auszuschalten und anstatt zuzuhören etwas Spannenderes zu machen. Alles, was Live-Content ist und bei dem die Zuschauer*innen mit interagieren können, ist mit viel, viel mehr Aufmerksamkeit verbunden.

Peter Schaul ist als Regisseur überall im Einsatz: für Film & Fernsehn, aber auch für Streaming-Events.

Peter Schaul ist als Regisseur überall im Einsatz: für Film & Fernsehn, aber auch für Streaming-Events.

Durch Ventuz oder Unreal im Verbund mit getrackten Kameras kann man jetzt in großartige virtuelle Welten eintauchen, die so kein Live-Event bieten kann. Das ersetzt zwar nicht den zwischenmenschlichen Aspekt, erweitert aber die Möglichkeiten, Kampagnen, Produktlinien etc. anschaulich und klar darzustellen. AR- und VR-Content kann ganz natürlich mit eingesetzt werden und führen so das Streaming-Event in eine neue Dimension.

Viele filmische Inhalte funktionieren noch besser als auf der Live-Bühne. Logisch, denn die Teilnehmer sind näher am Medium. Performances funktionieren dagegen leider sehr selten. Man kann nicht einfach irgendeinen Entertainment-Act auftreten lassen und den dann abfilmen. Das funktioniert nicht, die digitalen Formate verlangen mehr Interaktivität. Es gibt viele Künstler*innen, die sich schon angepasst haben. Es gibt zum Beispiel Zauberer, die interaktiv vor der Kamera arbeiten. Bands, die auf Wünsche aus dem Chat eingehen. Und und und…

Es gibt jetzt eine viel größere Akzeptanz für digitale Formate, und man wird nicht mehr für jedes Treffen reisen müssen. Deswegen werden auch nach der Coronakrise die digitalen Formate bestehen bleiben. Nicht nur Zoom-Konferenzen, auch aufwändigere Events, bei denen auch Präsentationen integriert sind. Auch die Internationalität ist einfacher zu gewährleisten. Aus reinen Präsenz-Messen werden immer mehr Hybrid-Messen werden. Eine kleine Firma kann keine zehn Leute vom Westerwald für zehn Tage nach Las Vegas auf eine Messe schicken. Virtuell ist das dagegen möglich.

Und unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit ist das alles nicht so verkehrt. Ich habe jetzt selbst in 2020 weltweit 35 Filme gedreht, bei denen ich von zu Hause aus Regie geführt habe, und das hat gut funktioniert.

Einen Trugschluss gilt es aufzulösen: Digital heißt nicht unbedingt, dass es billiger ist. Digital heißt, dass viel im Hintergrund steckt, was man nicht sieht, was aber funktionieren muss. Letztendlich ist ein Streaming-Event so aufwändig wie eine Fernsehshow. Auch bei digitalen Formaten muss vorher geprobt werden, und es müssen trotzdem Licht und Kamera stimmen. Kein Vorstand will im Halbdunkeln sitzen. Es muss wertig aussehen, damit es als relevant eingestuft wird. Wenn digitale Events erfolgreich sein sollen, brauchen sie auch ein angemessenes Budget.