Wer wird denn da gleich schwarz sehen? – Glossary von Marius Jung zum Thema Rassismus
Vorurteile haben wir alle! Mit dieser Erkenntnis und Botschaft gehe ich auf all diejenigen zu, die niemals vorhatten, rassistisch zu sein und gerne wissen möchten, wie sich unbedarfter Rassismus vermeiden lässt. Wir sollten uns überlegen, wie wir miteinander leben wollen. Anstatt mit Stühlen auf vermeintliche Gegner zu werfen, können wir uns auch auf die Stühle setzen und miteinander reden. In meinem aktuellen Buch »Wer wird denn da gleich schwarz sehen« beschreibe ich Wege zu einer gemeinsamen Sprache und die Notwendigkeit des Diskurses. Nachfolgend erkläre ich einige Begriffe, die im Streit um Gerechtigkeit und dem Stattfinden marginalisierter Gruppen gerne eingesetzt werden. Wir brauchen gemeinsame Definitionen.
Zuhören: Warum in aller Welt erklärt er uns den Begriff »Zuhören«. Das tue ich nicht. Ich weise nur darauf hin, dass dies der Anfang von Verständnis ist für uns alle. Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennen. Das ist vielleicht etwas kitschig, aber Angst haben wir meist vor Unbekanntem. Hören wir zu, lernen wir das Unbekannte kennen. Das nimmt den Schrecken.
Rassismus: Es gibt keine Menschenrassen. Dafür müssten wir uns genetisch relevant unterscheiden. Etwa ein Prozent Unterschiede in den Genen beweisen das Gegenteil. Menschenrassen sind nicht mehr als eine pseudowissenschaftliche Erfindung, um Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen. Rassismus beschreibt Menschen, die dieser perfiden Theorie glauben oder zumindest mit ihr argumentieren.
Cancle Culture: Bei Wikipedia lesen wir: »Cancel Culture ist ein politisches Schlagwort, mit dem systematische Bestrebungen zum sozialen Ausschluss von Personen oder Organisationen bezeichnet werden, denen beleidigende, unanständige oder diskriminierende Aussagen beziehungsweise Handlungen vorgeworfen werden.« Das Anprangern finde ich wichtig. Viele Kunstwerke vergangener Zeiten sind glücklicherweise aus der Zeit gefallen. »Vom Winde verweht« ist hochrassistisch. Den Film zu tabuisieren, verleugnet aber die rassistische Vergangenheit. Anstatt das Kinde mit dem Bade auszuschütten, sollten wir die vergifteten Klischees ans Tageslicht zerren, um sie zu erkennen und für die Zukunft zu tilgen.
Google übersetzt »Cancel culture« mit »Kultur abbrechen«. Das ist nicht das Ziel der Diskussion. Das schafft nur Corona.
Blackfacing: Blackfacing beschreibt das lange Zeit unhinterfragte übliche Schwarzschminken weißer Darsteller:innen, die eine schwarze Figur verkörpern sollen. Ich gebe zu, dass beim Thema Blackfacing zwei Herzen in meiner Brust schlagen. Denn ich würde es sehr bedauern, wenn infolge der eindeutig rassistischen, verhöhnenden Darstellung von Schwarzen, für die das Blackfacing oft genutzt wurde und wird, die gesamte Tradition des Maskenspiels auf den Index geriete.
BIPOC (gesprochen BieiPiOC oder auch Bipock): Das ist ein durchaus sperriger Begriff. Es ist eine Sammelbezeichnung für Schwarze, Indigene und nicht weiße Menschen. Er ist wie ein Streik eher als Störer zu sehen. Er soll uns immer wieder darauf aufmerksam machen, dass Stattfinden in der Sprache die Grundvoraussetzung ist, Teil des Spieles zu sein. Mitgemeint zu sein, reicht nicht.
Wer wird denn da gleich schwarz sehen? So heißt mein neues Buch. Ein versöhnliches Buch für mehr Respekt. Es erklärt nicht nur Begriffe, sondern bringt Lösungsansätze für ein besseres Miteinander.
Black Friday: Hat nichts, aber auch gar nichts mit Schwarzen oder indigenen Menschen zu tun. Es nervt einfach nur. Im Gegensatz zu Rassismus ist hier Ignorieren die Lösung.
Der Kölner Autor, Trainer, Moderator und Kabarettist Marius Jung ist eine der wichtigen Stimmen in der deutschen Kulturszene. Er ist ein Brückenbauer. Nicht jede Art von Rassismus beruht auf Bösartigkeit, findet der 56-Jährige. Er sieht auch Gedankenlosigkeit, Unsicherheit, Unwissenheit und mangelnde Selbstreflexion als Ursachen. Mit seinem aktuellen Buch will er auf diesen ahnungslosen, unbewussten Rassismus aufmerksam machen, der in Deutschland immer noch allgegenwärtig ist. Marius Jung geht davon aus, dass arglose Diskriminierung am besten durch Gespräche und Aufklärung zu beheben ist, und setzt dabei auf Konstruktives statt Destruktives, auf Humor statt Verbissenheit, auf Argumente statt Empörung.