SUSU (Custom)

Mehr als Glaskaraffen und Recycling – Mit nachhaltigem Messemanagement zukunftsfähig bleiben

Noch vor gut zehn Jahren galt das Thema Nachhaltigkeit als „nice to have“. Wer seinem Unternehmen oder seiner Veranstaltung einen grünen Anstrich verpassen wollte, setzte auf recyclefähiges Geschirr und Bioprodukte oder pflanzte für die entstandenen CO2-Emissionen zum Ausgleich Bäumchen. Heute sieht es ganz anders aus: „Kunden und Messebesucher schauen genauer hin. Sie wollen sicher sein, dass sich Messeaussteller und Veranstalter mit der Frage der Nachhaltigkeit auseinandersetzen und dabei nicht nur die ökologischen Komponenten der Nachhaltigkeit, sondern auch die sozialen und ökonomischen im Blick halten,“ so Jürgen May, Nachhaltigkeitsexperte und Geschäftsführer der Unternehmensberatung 2bdifferent. Durch Branchenstandards, Berichtspflichten usw. sehen sich zudem immer mehr Unternehmen in der Pflicht, das Thema Nachhaltigkeit konsequent anzugehen und fordern von allen Lieferanten und Akteuren rund um die Messe Nachweise einer nachhaltigen Wertschöpfungskette.

Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit

Doch wie sieht ein nachhaltiges Messemanagement aus? Jürgen May hat es im Gespräch mit der Eventmoods-Redaktion erklärt. Das Wichtigste vorab: „Wer sich auf den Weg in Richtung nachhaltiges Veranstaltungsmanagement macht, muss alle Beteiligten Schritt für Schritt mitnehmen. Eine umfassende Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Einzig durch intensive Einbindung von Kollegen, Kunden und Zulieferern gelingt es, Skeptiker zu überzeugen und gemeinsam das Image des Unternehmens „grüner“ zu entwickeln.

Nachhaltiges Messemanagement lässt sich in fünf operative Handlungsfelder unterteilen, wobei geschaut werden muss, welche davon für die geplante Veranstaltung tatsächlich relevant sind, beziehungsweise worauf das Unternehmen Einfluss nehmen kann und worauf nicht. Bei jedem dieser Handlungsfelder müssen übergeordnete Themen mitgedacht werden: Energie- und Wasserversorgung, Beschaffung und Einkauf, Abfallmanagement, Sozialaspekte wie Barrierefreiheit und Inklusion, Kommunikation und Marketing und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit.

Mobilität und Unterbringung

Für ein nachhaltiges Messemanagement kann greenmobility.de eine gute Hilfe sein, da man hier die Umweltbelastungen seiner Reise abschätzen kann.

Für ein nachhaltiges Messemanagement kann greenmobility.de eine gute Hilfe sein, da man hier die Umweltbelastungen seiner Reise abschätzen kann.

„Der größte CO2-Verursacher rund um Veranstaltungen ist die Mobilität,“ so Jürgen May. Messebau-Unternehmen, Caterer, Redner*innen usw. fahren zum Veranstaltungsort, das Messepersonal reist an und ab, Kunden kommen für einen Tag zur Messe. Hier muss sich der Veranstalter fragen, was davon tatsächlich notwendig ist. Bei lokalen Messen kann einiges optimiert werden: Eine gut erreichbare Location mit entsprechender Zertifizierung ist der erste Schritt. Hierbei sind die genannten übergeordneten Themen zu berücksichtigen. Aber auch die technische Ausstattung spielt eine große Rolle; moderne Technik verbraucht weniger Energie und ist damit nachhaltiger.

Der CO2-Ausstoß pro Person/pro Kilometer (Personenkilometer Pkm) bei Reisetätigkeit mit der Bahn beträgt weniger als 1 g Treibhausgase. Die Reisenden sind fast CO2-frei unterwegs. Bei einer Fahrt im Reisebus werden durchschnittlich 32 g Treibhausgase/Pkm, bei einer Fahrt im Pkw 142 g Treibhausgase/Pkm und bei einem Flug 211 g Treibhausgase/Pkm ausgestoßen.

Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Anpassung der Veranstaltungszeiten an diesen, das Angebot von Shuttleservice oder gemeinsamen Bustransporten sollten darüber hinaus bedacht werden.

Bei großen Branchenmessen kann man als Unternehmen weniger Einfluss nehmen. Doch auch hier gibt es Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Bereits bei der Einladung zur Messe kann eine klimafreundliche Reisekette beworben werden. Die Plattform greenmobility.de hilft beispielsweise, mit einer Art Routenplaner die Reiseart herauszufinden, die die geringsten verkehrsinduzierten Umweltbelastungen mit sich bringt.

Wer am Messeort übernachtet, sollte ein zertifiziertes Hotel buchen. Hoteliers sind sich bewusst, dass Gäste sich heutzutage nicht nur von der Anzahl der Sterne leiten lassen, sondern auf ein nachhaltiges und grünes Image des Hotels achten. Bei nachhaltiger Unterbringung wird der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen genauso großgeschrieben wie der faire Umgang mit Personal und Lieferanten. Zudem ist das Speisenangebot überwiegend regional und saisonal. Es existieren mittlerweile unterschiedliche Zertifizierungssysteme, die Hinweise darauf geben können, wie nachhaltig ein Hotel operiert.

Catering

Egal, ob es nur Getränke am Stand gibt oder ob ein abschließendes Get-together mit Messepersonal und Kunden geplant ist. Beim Catering lässt sich schon mit minimalem Aufwand viel erreichen. Das Abfallmanagement ist hier eine der größten Stellschrauben: Glaskaraffen statt PET, Mehrweg- statt Einweggeschirr, keine einzelverpackten Kekse, Kaffeemilch und Zucker, Recycling-Servietten statt Wegwerf-Servietten… Bei der Auswahl der Lebensmittel heißt es, nach Möglichkeit zu regionalen Bioprodukten zu greifen, um die CO2-Emissionen zu senken, bei Übersee-Produkten wie Kaffee, Tee und Schokolade wird mit fair gehandelten Produkten der Nachhaltigkeitsgedanke am besten transportiert.

Fair-Trade-Zertifizierung: Durch die Fair-Trade-Zertifizierung werden den Produzentinnen und Produzenten faire Arbeitsbedingungen, stabile Löhne und Mindestpreise für viele Produkte zugesichert.

Allein in der Außer-Haus-Verpflegung entstehen in Deutschland jährlich etwa 1,9 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle. Das sind gut 20 Prozent der gesamten Lebensmittelmengen, die in Deutschland weggeworfen werden und betrifft insbesondere auch das Veranstaltungs- und Messecatering.

Für nachhaltiges Messemanagement sind unter anderem Mobilität, Caterin und Messebau besonders wichtig.

Für nachhaltiges Messemanagement sind unter anderem Mobilität, Caterin und Messebau besonders wichtig.

‚Wissen, wer zum Essen kommt‘, ist laut Jürgen May eine oft unterschätzte Stellschraube in puncto Nachhaltigkeit. „Frauen essen meist weniger als Männer, alte Menschen weniger als junge – natürlich immer unter der Prämisse: ‚Ausnahmen bestätigen die Regel‘.“ Wer im Vorfeld geklärt hat, welche Gäste fürs Buffett oder Menü zu erwarten sind und gegebenenfalls auch welche Ernährungsgewohnheiten sie pflegen, kann mit dem Caterer eine realistischere Planung machen und so unnötige Lebensmittelabfälle vermeiden. Eine Umfrage bei der Vereinigung der führenden Event-Catering-Unternehmen in Deutschland (LECA) ergab, dass bei einer konventionell geplanten Veranstaltung mit 100 Personen 39 kg Speisen vernichtet werden und damit fast 900 Euro in die Mülleimer wandern (Quelle: bttr.live). Zudem ist es nachhaltig, bei der Auswahl der Speisen genauer hinzusehen: Fleischhaltige Speisen verbrauchen über die gesamte Lebensmittelkette gesehen ein Vielfaches des CO2, das vegetarische oder vegane Speisen verbrauchen. „Ein rein vegetarisches oder veganes Essen auf einer Veranstaltung polarisiert sicher, aber es wird darüber geredet und das Thema Nachhaltigkeit gelangt so tief ins Bewusstsein der Gäste. Man kann auch mal ein paar Stunden ohne die obligatorische Currywurst auskommen,“ lacht Jürgen May, als er von seinen Erfahrungen diesbezüglich beim Deutschen Filmpreis berichtet.

Ein Ziel ist, regionale Lebensmittel für das geplante Catering zu verwenden. Außerdem sollen sie dem saisonalen Angebot entsprechen. Diese vier Qualitätsmerkmale von Lebensmitteln sollten im Catering möglichst berücksichtigt werden: regional – saisonal – ökologisch – fair.

Messeunterlagen und Give-aways

Flyer, Plakate, Handouts, Give-aways – die Palette der Produkte, die auf Messen zu Werbezwecken eingesetzt werden, ist riesig. Doch insbesondere Printprodukte landen oft schnell in der Mülltonne. Ein genaues Abwägen, welche Produkte tatsächlich notwendig sind, und welche in einem anderen Format (als Video-Einspieler am Messestand, über Download-Links, per Mail, …) angeboten werden können, kann immense Kosten und vor allem CO2 sparen. Zudem sollte bei der Gestaltung von Drucksachen auf ein klimafreundliches Druckmanagement geachtet werden. Hierbei kommen ausschließlich schadstofffreie, umweltverträgliche Papiere und Farben zum Einsatz. Lacke und Öle finden keine Verwendung.

Das Herausgeben von Materialien nur auf Anfrage, Rücknahmestellen für Messeunterlagen, der Verzicht auf Give-aways oder das bewusste Auswählen nachhaltiger, recyclebarer Werbemittel sind hier nur einige Ideen, wie der Müllberg reduziert werden kann.

Was tatsächlich gedruckt werden muss, sollte in jedem Fall klimaneutral sein: Zertifizierte Farben und Papiere bieten mittlerweile viele Druckereien an. Auch die Wiederverwertbarkeit von Werbemitteln ist wichtig. „Steht eine Jahreszahl drauf, wandern Stellwände, Transparente etc. nach jeder Veranstaltung in den Müll. Aber gerade Werbemittel, die die Botschaft des Unternehmens transportieren, sind eigentlich länger gültig,“ so Jürgen May.

Teilnehmermanagement

Der Nachhaltigkeitsgedanke umfasst nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte. Diese kommen insbesondere beim Teilnehmermanagement zum Tragen. Über die bereits beschriebenen hinaus, spielt hier die Inklusion eine entscheidende Rolle. Diese beginnt bei der Barrierefreiheit der Räumlichkeiten und geht über unterfahrbare Tische beim Catering bis hin zur Möglichkeit, dass Medien so aufbereitet werden, dass auch Menschen mit Einschränkungen damit zurechtkommen (Kontrastreichtum, einfache Sprache etc.). „Ich muss nicht für eine Person das gesamte Event umkrempeln, aber im Bedarfsfall geschultes Personal bereitstellen, das bei der Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützt“, erläutert Jürgen May.

Jürgen May ist Geschäftsführer bei 2bdiffrent und kann nicht nur bei der Planung für ein nachhaltiges Messemanagement helfen.

Jürgen May ist Geschäftsführer bei 2bdiffrent und kann nicht nur bei der Planung für ein nachhaltiges Messemanagement helfen.

Barrierefreie und inklusive Veranstaltung. Veranstaltungen: mit Barrieren sind exklusiv und nicht inklusiv! Sobald jedoch Hindernisse abgebaut werden und die Zugänglichkeit nicht mehr eingeschränkt ist, ermöglicht eine Veranstaltung die Teilnahme für alle. In der menschlichen Vielfalt gibt es unterschiedliche Fähigkeiten und Beeinträchtigungen, denen jeweils berechtigte Bedürfnisse entsprechen. Diese sind jeweils unterschiedlich zu beachten.

Messebau

Messestände werden häufig nur für eine Veranstaltung konzipiert und gebaut. Doch auch hier ist Wiederverwertbarkeit möglich. Ein modulares System, das an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden kann und aus recyclebaren Materialien besteht, kann eine Lösung darstellen. Beschädigte, verschmutze oder abgelaufene Komponenten können so einfach ausgetauscht werden, ohne den gesamten Stand erneuern zu müssen. Das eingesetzte Holz für den Standbau sollte aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen oder Recyclingholz sein. Als Messeboden sind Teppichfliesen nachhaltiger als Messeteppiche, da diese meist anschließend weggeworfen werden. Verschmutzte Bereiche können bei Teppichfliesen für den nächsten Auftritt einfach ausgetauscht werden.

Schritt für Schritt zum zukunftsfähigen Messemanagement

Über den Erfolg entscheidet laut Jürgen May, dass nicht der letzte Schritt vor dem ersten gemacht wird. „Nachhaltiges Messemanagement beginnt mit dem Analysieren der bestehenden Situation, danach wird optimiert – ‚Wo kann man was verbessern?‘ Anschließend folgt die tatsächliche Umsetzung. Und als letzter Schritt kann mit dem ‚Kompensieren‘ die Klimaneutralität wiederhergestellt werden. Kostenfreie Eventrechner bietet CO2OL an: www.co2ol.de. Mit dem CO2 Rechner kann jeder selbst herausfinden, wie viel CO2 er verursacht und wo es noch Einsparpotenzial gibt. CO2-frei wird eine Veranstaltung allerdings nie sein, darüber muss sich jeder klar sein, aber eine CO2-Reduzierung wird sich zukünftig auch finanziell für Unternehmen bezahlt machen. Durch die anvisierte CO2-Steuer wird alles, was nicht nachhaltig ist, teurer.“ Jürgen May empfiehlt jedem Messeplaner, seine eigene Nachhaltigkeits-Checkliste zu erstellen, die stetig weiterentwickelt und optimiert wird. So bleibt das Messemanagement des Unternehmens zukunftsfähig.

Bei den Phasen der Organisation eines nachhaltigen Messeauftritts sind unterschiedliche Aspekte zu beachten:

1. Konzeption

Die Konzeption ist die wichtigste Phase, denn hier entscheidet sich, ob das Thema Nachhaltigkeit konsequent bei der Planung und Umsetzung mitgedacht wird. Wie weit kann der Messeauftritt unter Nachhaltigkeitskriterien ablaufen?

2. Planung

Bei der Planung des Messeauftritts werden die Eckdaten bestimmt. Hier stellt sich die Frage: Welche Handlungsfelder können wir beeinflussen und welche Relevanz für Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie haben sie bei unserer Veranstaltung? Wenn bei der Planung der Weg mit konkreten Zielen angelegt wird, kann jederzeit überprüft werden, wie weit und schnell sich die Planung und Umsetzung in Richtung Ziel bewegt. Damit wird auch die Gefahr der Nachlässigkeit vermieden.

3. Durchführung

Die Durchführungsphase bezieht sich auf den Tag oder die Tage des Messeauftritts mit den praktischen Vorbereitungen. Für diese Zeit ist sicherzustellen, dass alle Maßnahmen wie geplant umgesetzt werden. Zudem ist es wichtig, die Reaktionen der Teilnehmenden zu beobachten und gegebenenfalls zu fragen, wie die nachhaltige Veranstaltung ankommt oder die Gründe für die Ablehnung festzuhalten.

4. Nachbereitung

Nach dem Messeauftritt werden alle getroffenen Maßnahmen evaluiert. Haben wir unsere Ziele erreicht? Welche Maßnahmen müssen wir bei der nächsten Veranstaltung im Sinn der Nachhaltigkeit optimieren?

Jürgen May ist Experte für Nachhaltigkeit in der Eventbranche. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie mit klaren Zielen für Unternehmen zu definieren und umzusetzen – das ist sein tägliches Geschäft. Von der Feststellung des Status Quo über die Implementierung eines Managementsystems zur Nachhaltigkeit bis hin zu Coachings für Mitarbeiter*innen, begleitet er Unternehmen mit seiner Beratungsagentur 2bdifferent. Eine Herzensangelegenheit für ihn ist die „Teilnahme für alle!“ Dazu entwickelte er für das German Convention Bureau einen 30-seitigen Inklusionskompass „Inklusive Tagungen und Kongresse“, mit dem Veranstalter wertvolle Hinweise erhalten, um Inklusion und die Barrierefreiheit bei ihren Events umzusetzen.