UM 900 von Microtech Gefell

Weltklasse-Mikrofone aus Deutschland

In der Januarausgabe 2015 der showcases hatten wir uns vier Bühnengroßmembranmikrofone von Markenherstellern vorgeknöpft, die die Live-Performance von Vocalartisten positiv unterstützen. Mit dem Microtech Gefell M 900 war ein Mikrofon dabei, das wir getrost als die Stradivari für Sängerinnen und Sänger empfehlen können. Das hat uns neugierig gemacht und wir haben uns einmal das Spitzenmikrofon des Thüringer Traditionsbetriebes, das UM 900, angehört.

Eine kleine Geschichte der edlen Mikrofone

Ein Mikfrofon-Klassiker: Neumann U 47

Weltstars wie Frank Sinatra und die Beatles liebten das U 47.

Professionelle Produktionen werden in der Regel mit hochprofessionellem Equipment aufgenommen. Selbst wenn es um Demos geht, von denen ein Großteil später auf Youtube landet. Der Mikrofonpionier Georg Neumann wusste, dass wirklich gute Mikrofone gute Künstler noch besser machen. So hat er Legenden geschaffen. Das U 47 ist solch eine Legende und das erste Röhrenmikrofon, das er nach dem Zweiten Weltkrieg neu entwickelte. Das tat er 1947 und war dafür nach Berlin zurückgekehrt. Von dort war er im Krieg 1943 mit seinen Mitarbeitern und Maschinen nach Gefell, einem kleinen Ort in Thüringen, ausgewichen, wo er nicht mit Bombardements rechnete. Nach dem Krieg entwischte er den Sowjetsoldaten dann nach Heilbronn, wo er zuerst auslaufsichere Akkus baute, um erst später wieder in Sachen handfester Tontechnik nach Berlin-West zurückzukehren. Der Betriebsleiter Erich Kühnast blieb dagegen in der Sowjetzone und der späteren DDR. Neumann war noch lange eine gut laufende Ost-West-Geschichte, bevor der Kalte Krieg dieses Kapitel der Kooperation abschloss.

Währenddessen wurde der Name Neumann der Inbegriff für Studiomikrofone: ein Synonym für guten Klang in Ost wie West und rund um den ganzen Globus. Nach der Wende sorgte die Kühnastfamilie gemeinsam mit der Familie Drechsler dafür, dass die akustische Erfolgsgeschichte auch in Gefell fortgeschrieben werden konnte. Wie Georg Neumann selbst beim U 47 setzen die Thüringer neben sehr hörwürdigen Neuentwicklungen auf die von Georg Neumann entwickelte zeitlose M7-Kapsel. Darum herum baute Microtech Gefell zeitgemäße Mikrofone auf dem jeweiligen Höchststand der Technik für diverse Preisklassen und Anwendungen. Und zwar seit 1993 eigenständig mit diesem neuen Namen „Microtech Gefell“. So kompliziert wie die Geschichte durch die Irrungen und Wirrungen auch ist, die Mikrofone selbst sind dank ihrer Qualität und zuweilen Genialität in Technik und Design einfach zu handhaben und, was professionelle Kunden besonders freut, auch äußerst wertstabil.

Das U 47 schrieb Popmusikgeschichte

Das U 47 ist das Popmikrofon überhaupt. Frankie-Boy Sinatra hat es geliebt. Die Beatles nahmen damit an der Abbey Road ihre legendären Alben zunächst vierspurig auf. Auch wenn das Röhrenmikrofon nur bis Mitte der 60er Jahre gebaut wurde, erzielt es heute guterhalten sogar Höchstpreise von bis zu 18.000 $. Jedes bekannte Studio der Welt hat mindestens ein solches. Den Klang kennt und schätzt man insbesondere für den Gesang. Die Klassik und die Sprecherwelt dagegen setzen auf andere Neumänner und die bauartbedingten präziseren Schoepsmikrofone mit ihren kleineren und damit schnelleren Membranen. Deutschland ist gleich mehrfach Mikrofonweltmeister.

Neben seinem hohen Preis und seiner Seltenheit hat das U 47 ein paar Nachteile. So muss es für die Impedanzwandlung mit einem Hochspannungsnetzteil für die verwendete Röhre betrieben werden. Die zunehmende Transistorisierung führte in den Sechzigern zu der standardisierten Phantomspeisung von 48 Volt über das dreipolige Mikrofonkabel, die sich wegen ihrer einfacheren Handhabung in Tonstudios und Rundfunkanstalten letztlich durchsetzte. Das U 47 überlebte wegen seiner nicht einfach nachzuahmenden Vorzüge trotzdem. Wie ein Bison in den amerikanischen Weiten, das von den Hauskühen zwar verdrängt wurde, ob seiner Qualitäten von Spitzenköchen jedoch immer noch als unübertroffen geschätzt und in Reservaten gepflegt wird. Und reichlich „Beef“, die Veganer mögen den Vergleich verzeihen, fügt das U 47 dem Originalsignal zu, ohne das selbige auch in irgendeiner Weise negativ für das menschliche Gehör zu beeinflussen.

Sound-Beispiele Neumann U 47:

Gesang dry

Sprache dry

Das Mikrofon als Präzisionswerkzeug

Claudia Gahrke spricht in das Mikrofon UM 900

Die Sängerin und Schauspielerin Claudia Gahrke hat für uns beide Mikrofone getestet

Mit dem UM 900 gelang es Jochem Kühnast, dem Sohn von Erich Kühnast, und seinen Leuten, die Röhrenwelt mit der der Phantomströme zu vereinigen. Dabei griff er auf sogenannte Batterieröhren zurück, die man in Hörgeräten wie auch den frühen Walkie-Talkies einsetzte. So ist das wohlgerundete Mikrofon das erste Studio-Röhrenmikrofon, das sich mit 48 V Phantomspeisung begnügt. Der Klang ist oben herum ähnlich seidig wie beim U 47, aber von oben nach unten wesentlich präziser und rauschärmer. Trotzdem unterstützt das Mikrofon die Künstler, die es benutzen. Es kommt mit Frauen- wie Männerstimmen exzellent zurecht und ist für Sprachaufnahmen die oberste Referenz dessen, was mir an Präzision mikrofontechnisch je untergekommen ist. Aber auch bei musikalischen Signalen kann das UM 900 das gefragte „Beef“ hinzugeben. Das jedoch macht es viel subtiler und ohne an Wirkung zu verlieren. Wenn das U 47 das „Bison“ ist, so ist Jochem Kühnast das „Kobe“-Mikrofon gelungen. Die Feinzeichnung ist unerhört. Bei Plosivlauten kommt keinerlei Härte und bei „S“-Lauten keinerlei Schärfe auf. Das aufgezeichnete Signal hat eine Zartheit wie das marmorierte Beef des edelsten Waygu-Rindes, gleichzeitig aber einen eindeutigen Biss und Konsistenz. Wenn Sie jetzt Appetit bekommen, so ist das durchaus gewollt. Technik, die (auch schon gute) Künstler in ihrer Arbeit weiterbringen kann und die nicht nur dazu da ist, irgendwelchen anonymen Gesellschaftern auf den Virgin-Islands einen höchstmöglichen Gewinn zu bescheren, stellen wir sehr gerne vor. Wir kämpfen für Qualität.

Natürlich ist das UM 900 mit seinem üblichen Praxispreis von rund 4.200 Euro nicht billig. Verglichen mit einem halbwegs gut erhaltenen U 47, gilt es allerdings als Schnäppchen. Wer wirklich Waffengleichheit mit den Großproduktionen haben will, kommt um ein solch hochwertiges Mikrofon wie das aus Gefell nicht herum. Wer es in seiner Studioumgebung ausführlich testen will, kann es erst mal bei Microtech Gefell ausleihen. Die Air Studios in London besitzen vier Exemplare davon. Schade, ich hätte mit dem Microtech Gefell gerne auch die Callas und den Pavarotti aufgenommen. Hat jemand für mich eine Zeitmaschine? Das UM 900 nähme ich natürlich mit.

Sound-Beispiele Microtech Gefell UM 900:

Gesang dry

Sprache dry

Das UM 900 wurde uns von Microtech Gefell zur Verfügung gestellt. Das U 47 haben wir uns hinzugeliehen (man kann es zum Beispiel bei Echoschall in Berlin bekommen!). Aufgenommen wurde über ein ADT-Mischpult mit der Sängerin und Schauspielerin Claudia Gahrke bei Reinhard Finke (Valve Records). Wir danken Karl-Heinz Kuntze (FÖÖN Audiotecture) für die Tests an seinen Clia-Systemen.