Mikrofone als Radiostars und für zu Hause
Viele Künstler sind darauf angewiesen, ihre schönen und prägnanten, sanften und beschwörenden, röhrenden und jauchzenden Stimmen bei sich zu Hause aufzunehmen. Die üblichen Studiokondensator-Mikrofone haben dabei einen Nachteil, der ihnen eigentlich zum Vorteil gereicht: Sie sind sehr empfindlich und nehmen dadurch nicht nur Details, sondern auch gerne ungewollte Nebengeräusche oder unschöne Reflexionen des Raumes auf. In der Praxis wird deshalb gerne zu dynamischen Rundfunk-Mikrofonen gegriffen, deren Membran in der Kapsel, die den Schall in elektrische Signale wandelt, träger ist. Ein Klassiker ist das seit fünfzig Jahren hergestellte Electro Voice RE20, das unter Tontechnikern einen sehr obszönen Spitznamen hat, aber äußerst beliebt ist. Dynamische Mikros vertragen auch hohe Schallpegel und Luftzüge, ohne zu verzerren, weshalb sie gerne vor Gitarren-Amps, Bassverstärkern oder Bassdrums platziert werden. In den Radiostationen werden sie in der Regel für die Ansagen genommen.
Der Tonmann Bruce Swedien machte das Shure SM7, dass es in drei Entwicklungsvarianten gab bzw. gibt, zum heimlichen Gesangsstar bei Michael Jacksons „Thriller“. Von dieser Legende profitiert Shure bis heute. Deshalb haben wir uns die amerikanische Legende, die in inzwischen in Mexiko gebaut wird, als Erstes vorgeknöpft. Hinzukommen Neukreationen der bewährten Studiolieferanten Microtech Gefell aus Deutschland und Audio Technica aus Japan, die alle für sich empfehlenswert sind und vor Instrumenten und Stimmen eine gute Figur machen. Wenn es allerdings um Hörbuch oder Hörspielproduktionen geht, sollte man in die bessere Raumakustik investieren und die detailreicheren Elektrostaten, die man üblicherweise Kondensator-Mikros nennt, vorziehen.
Der Klassiker der Mikrofone: Shure SM7b
Dieser Klassiker hat einen Ahnen; das noch größere Rundfunkmikro SM5. Rund um eine Fortentwicklung der Unidyne-III-Kapsel, die schon in Woodstock für eine ganze Festivalaufzeichnung herangezogen wurde, wurde ab 1976 das SM7 verkauft. Die neuste Revision ist das SM7b, das seit 2001 auf dem Markt ist. Beim Zwischenprodukt überarbeitete man 1999 die Brummkompensationsspule. Das Mikro klingt einfach gut. Nahe Verwandte der Kapsel findet man in den beliebten Livemikros SM57/SM58. Es handelt sich aber nicht, wie bei den anderen Broadcast-Mikros, um einen Großmembraner. Das SM7(b) hat gerne laute Stimmen und gute Vorverstärker mit viel Gain. Es ist das leiseste in unserem kleinen Testfeld (Empfindlichkeit : -59,0 dBV/Pa bzw. Ürertragungsfaktor: 1,12 mV/Pa). Mit einem Aufholverstärker wie den Triton Fethead kann man es aber tunen. Es macht vor allem bei lautem Gesang einen guten Eindruck. Es ist deshalb auch bei den Freunden der härteren und schwermetallernen Klänge beliebt. Und es ist eine treue Freundin für Anhänger der Keep-it-simple-Methode. Der Ladenpreis liegt bei 400,00 Euro.
Soundbeispiel: Shure SM7b Gesang
Soundbeispiel: Shure SM7b Sprache
Sushi im Studio: Das Audio Technica BP40
Auch das BP40 ist keine kleine Maki-Sushi-Rolle. Das Aludruckgehäuse ist stabil und mächtig. Es umschließt und schützt seine Großmembrankapsel entschieden. Es ist das Mikro mit dem höchsten Output in diesem Testfeld (Empfindlichkeit: –48 dBV/Pa bzw. Übertragungsfaktor: 3,9 mV/Pa) und drängt sich bei schwächeren Vorverstärkern direkt auf. Der Klang ist mächtig und macht etwas aus Sprechstimmen, so dass auch bei schwächeren Volumina wenig Nachbearbeitung von Nöten ist. Es gefällt besonders mit den Sprachtakes, wofür es konzipiert wurde. Es ist somit auch ein tolles Mikro für anspruchsvolle Podcasts. Der Ladenpreis liegt bei 350,00 Euro.
Soundbeispiel: Audio Technica BP40 Gesang
Soundbeispiel: Audio Technica BP40 Sprache
Primadonna aus Thüringen: Das Microtech Gefell MD 300
Die Thüringer können nicht nur würzige Bratwürste, sie können auch feine Mikrofone. Die Georg-Neumann-Firma aus Gefell, die ansonsten die Feinkostabteilung der Kondensator-Mikrofone bildet, hat sich bewährte Hilfestellung in Sachsen geholt. Die Gebrüder Hinz von Mikrofontechnik Leipzig, die man schon zu Honecker-Zeiten kannte und mit denen man nach dem Ende der DDR für die dynamischen Bühnen-Mikros aus Gefell zu kooperieren begann, entwarfen die dynamische Großmembrankapsel. Die mit ihrer Nexteloberfläche reflektionsarme Universalistin ist nicht ganz so laut wie unser Japaner, übertönt den Ami aber doch (Empfindlichkeit: -55,9 dbV/Pa bzw.
Übertragungsfaktor: 1,6 mV/Pa) hörbar. Mit einem Netto-UVP von 595,00 Euro ist sie der teuerste Schallwandler im Feld, aber auch der feinsinnigste. Bislang galt das Sennheiser MD 441 als das sensibelste unter den Dynamikern. Mit der Primadonna aus Thüringen ist eine ernsthafte Konkurrenz entwickelt worden. Die beiden konkurrieren in der Champions League. Auch preislich, wobei das MD 300 doch ein wenig günstiger zu haben ist. Es ist schon erstaunlich, wie detailreich und natürlich ein dynamisches Mikro klingen kann. Dabei hat es den buttrigen Sound, der Künstlern schon bei der Aufnahme gefällig ins Ohr kriecht und dann noch zu besseren Leistungen anspornt. Es ist eben eine Primadonna, aber keine Diva.
Soundbeispiel: Microtech Gefell MD 300 Gesang
Soundbeispiel: Microtech Gefell MD 300 Sprache
Fazit: Alle drei Kandidaten kann man getrost empfehlen. Robust und zuverlässig verrichten sie einen universellen Dienst nicht nur in Rundfunkstudios. Es sind gutmütige Kameraden auch für lange Aufnahmeschlachten zu Hause.