MEISTER UND MEISTERWERKE – Eventtechnische Spitzenklasse
Das erste Medium war das Feuer. Schon die Römer kannten große Feuerinszenierungen. Nach der Entdeckung des Schwarzpulvers waren es Künstler wie Amédée-François Frézier und Perrinet d’Orval, die das Feuerwerk verfeinerten und im französischen Barock zu einer ersten großen europäischen Blüte brachten. In China kannte man diese Kunst allerdings schon Jahrhunderte zuvor. Der österreichische Multikünstler André Heller griff diese alte Tradition im 20. Jahrhundert übrigens wieder auf. Es waren immer noch gezähmte Flammen, die des Gaslichts, die die Bühnen im 19. Jahrhundert erhellten. Es folgte der Strom. Lichtbogenscheinwerfer beleuchteten das Geschehen taghell. Deutschland war in dieser Entwicklung führend. Der Theatermacher Erwin Piscator setzte in der Volksbühne Berlin als Erster Projektionen des jungen Mediums Film in seinen Inszenierungen ein. Das war 1924. Im 21. Jahrhundert werden alle Medien kräftig gemischt und miteinander kombiniert. Auch die Kinetik spielt eine Rolle. Es gibt Künstlerinnen und Künstler, die sogar mit bewegter Luft Meisterwerke schaffen.
READY TO TAKE OFF
Feuerwerke sind in die Kritik geraten. Die Auswirkungen auf die Tierwelt sind nicht zu leugnen und auch die Feinstaubbelastung ist nicht wegzudiskutieren. An ihre Stelle treten vermehrt Drohnenshows. Lunatx SFX, die mit Feuershows und Pyroshows groß wurden, haben sich ebenso auf diese fliegenden Objekte kapriziert. Die Spezialisten aus Düsseldorf entwickeln musiksynchrone Shows für viele Großereignisse. In Deutschland und ganz Europa. Demnächst sollen sie auch in den Golfstaaten fliegen, wo Lunatx schon mit Flammenshows und Feuerwerk seit Längerem vertreten ist. Der Himmel ist dabei ihre unbegrenzte Leinwand. Die Drohnenshows dauern bis zu 15 Minuten. Auf Wunsch sind sie komplett CO2-neutral. Ab Mitte 2025 wird ihr Drohnenensemble auf 1.000 Stück angewachsen sein, das synchronisiert am Himmel tanzen können. Zurzeit ist es noch auf 350 Stück begrenzt. Mit dem Lunatx-LED-Drohnenschwarm können Themen wie Elektromobilität, autonomes Fahren, Robotik, aber auch Brand & Product Launches spektakulär inszeniert werden. Von fliegenden Firmenlogos über ausgetüftelte Markenbotschaften in 3DFiguren bis hin zu QR-Codes, die auf Online-Inhalte verlinken, ist alles möglich. Die Drohnenshows sind vom Bundesamt für Zivilluftfahrt und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit zertifiziert. Sicherheit spielt nicht nur bei Pyrotechnik eine große Rolle. Schließlich will doch niemand, dass ihm, wie bei den Galliern, der Himmel auf den Kopf fällt. Deshalb dürfen die Drohnen auch nicht direkt über dem Publikum geflogen werden.
WEM DIE STUNDE SCHLÄGT
Akrobatik mit der Präzision eines Uhrwerkes liefert die australische Gruppe Gravity & Other Myths (GOM). In ihrer Show »Ten Thousand Hours« zählen sie die Stunden, die kreative, leidenschaftliche Menschen für ihr Werk brauchen, mit einer großen, bühnenbreiten LED-Uhr und einer punktgetakteten Lichtdramaturgie. Dies ist eine Ode an die unzähligen Stunden, die nötig sind, um Großes zu erreichen. Eine Hommage an die Hingabe, die nötig ist, um menschliche Ambitionen zu verwirklichen: »Acht Elite-Akrobaten untersuchen, wie wir Fähigkeiten erlangen, wie wir sie perfektionieren und wie sie unser Leben verändern können. « GOM touren mit zwei Ensembles, die ständig unterwegs sind und in ganz Europa und Australien auftreten. Gerade haben sie das gesamte Ensemble in Adelaide zusammengetrommelt, um »Ten Thousand Hours« im Rahmen des Adelaide Fringe aufzuführen. In naher Zukunft werden die beiden Ensembles zusammengebracht, um die Produktion »The Pulse« in Südkorea und Dubai aufzuführen. Mit diesem ebenso erstaunlichen Werk haben sie 2024 die Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffnet. Alle Stücke von Gravity & Other Myths sind mit Preisen ausgezeichnet worden. Für »The Pulse« erhielt GOM den International Circus Award in drei Kategorien: Outstanding Circography, Outstanding Design und Outstanding Production. Sie transformieren das Medium Zirkus ins 21. Jahrhundert und in neue Zusammenhänge. Die Schwerkraft ist nichts als ein lichtumspieltes Märchen. Beim Festival »Colours 2025« im Theaterhaus Stuttgart wird »Ten Thousand Hours« im Juni 2025 auch für das deutsche Publikum zu sehen sein. Set- und Lichtdesigner ist Chris Petridis. Die Produktion ist ein Beispiel, wie Zirkus mit den technischen Möglichkeiten moderner Bühnen verbunden wird, ohne die Faszination der menschlichen Bewegung zu verlieren. Natürlich hat die Produktion in Adelaide auch schon einen Preis gewonnen.DER MEISTER DES LICHTES
Der Lichtdesigner Jerry Peter Appelt aus Hamburg ist ein echter Weltenbürger. Der Herr des Lichtes ist international gefragt und stemmt auch die größten Produktionen. Eigentlich war er Musiker, Tonmensch und ist als Lichtoperator zufällig eingesprungen. Er ist vom Licht nicht mehr losgekommen. Mit Bands arbeitet er immer noch, wie kürzlich auf Tour mit dem Sänger Mark Forster, mit den Onkelz beim Großkonzert in Hockenheim oder beim Wacken Open Air. Sich selber bezeichnet er als Licht Production Designer. Bühnendesigns und Drohnenshows gehören heute zum Handwerk dazu. Appelt arbeitet viel für Openings oder mit Architektur. Seine Lichtchoreografie für die Eröffnung der Elbphilharmonie war spektakulär. Und wohltuend ist, dass er ohne Reminiszenzen an Speersche Lichtdome der Naziästhetik auskommt. Er arbeitet schon früh in den Achtzigern mit den damals aufkommenden Moving Lights, was seine Karriere steil beschleunigte. Er macht große TV-Shows. Mehrere ESCs befinden sich in seinem Werkverzeichnis, wie die in Düsseldorf, Kiew oder Baku. Er macht die Abschlussshows für Heidi Klums GNTM und für das Bürger-Speed-Dating bei Pro7 und Sat1 rückte er die Kanzlerkandidat:innen ins richtige Licht. Die Golfstaaten sind allerdings die aktuelle Destination für Superevents. Da gibt es, wie Appelt sagt, immer eine Schippe drauf! Dort wird dann zum Beispiel das Burj Khalifa mit seinen 828 Metern in Szene gesetzt. Oder die Abschlussveranstaltung des Dubai World Cup mit 4.500 fliegenden Drohnen als Leuchtobjekte.
DER LUFTGEIST
Was Jerry Peter Appelt für das Licht ist, ist der kinetische Künstler Daniel Wurtzel für das Medium Luft. Der New Yorker lässt Objekte tanzen oder erzeugt auf der Bühne echte Wirbelstürme. Aber keine Angst, die sind gezähmt. Bei der diesjährigen Pariser Fashion Week inszenierte er den Laufsteg des Labels Kid Super Studios. Die durchgängige Show, bei der Federn, Wolken und Stoffe schwebten, kulminierte in einem solchen Bühnenhurricane als Luftskulptur. Musicalproduktionen am Broadway griffen auf Wurtzels Künste schon zurück, wie auch der Cirque du Soleil für »Amaluna«. Bei Cindy Laupers Abschiedstour »Girls Just Wanna Have Fun« kam ebenso eine seiner Luftquellen zur Anwendung. Für Mercedes inszenierte er seine fliegenden Tücher in Istanbul. Für die Abschlussfeier der Winterolympiade in Sotschi 2014 schuf er einen Tornado mit Papier. Auf der ursprünglichen Ebene ist seine Arbeit ein Versuch, gewöhnliche Materie in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln, eine Brücke von der konzeptionellen zur materiellen Welt zu schlagen. Dabei werde, so Wurtzel, unerwartete Schönheit auf eine zuvor nicht gesehene Weise offenbart. In seinen jüngsten Arbeiten geht es ihm darum, chaotische Luftstromsysteme zu ordnen. Die »Air Series«-Skulpturen und bühnengroßen Installationen bestehen aus verschiedenen leichten, einfachen Materialien wie Vogelfedern, Luftballons, Blütenblättern, Styropor, Papier, Stoffen, Nebel, Feuer oder gewöhnlichem Müll, die in Säulen, Wirbeln oder Wellen offener Luft gefangen sind und kontinuierlich fliegen. Durch etwas Unsichtbares in Bewegung gesetzt, werden die aerodynamischen Eigenschaften dieser Materialien und die zugrunde liegende Ordnung in diesen, von Natur aus chaotischen Luftstromsystemen auf eine Art und Weise offenbart, die nachhaltig dargestellt werden kann. So der Luftgeist Daniel Wurtzel über sein Schaffen.
DIE HERRIN DES RINGS
In Down Under passieren gerade besonders coole Dinge, was Bühneninszenierungen angeht. In der Oper Brisbane geschieht das nicht ohne großartige Unterstützung aus Berlin. Die Digital Content Designerin Leigh Sachwitz von Flora&Faunavisions stattete eine Aufführung des kompletten 15-stündigen »Ringes« von Richard Wagner mit bewegtem Video aus. Dafür wird sie unter anderem mit dem »Opus – International Stage Award« ausgezeichnet. Die Neuinterpretation von Wagners »Ring Cycle« verbindet traditionelles Operntheater mit hochmoderner Technik und erschafft eine faszinierende Fantasiewelt, die besonders gut zu Wagners gewaltigem Epos passt. In der Inszenierung spielen 83 Musiker und Musikerinnen, 102 Sängerinnen und Sänger stehen auf der Bühne und 200 Personen wirken im Hintergrund. So entsteht ein außergewöhnliches Opernerlebnis, das sowohl für die Kunst des Bühnendesigns als auch für die Eventbranche wegweisend sein kann. Die Produktion setzt auf eine Kombination von Bewegungssensoren, interaktiven Kostümen, synchronisierten Animationen sowie beweglichen LED-Bildschirmen, Motion-Tracking und KI-generierten Inhalten. Ein Highlight der Inszenierung ist ein sieben Meter hoher, 3D-gescannter Bonsai-Baum, der in »Die Walküre« als zentrales Bühnenbild dient. Leigh Sachwitz stammt aus der Berliner Szene und betont, dass das Werk eine Gemeinschaftsleistung von Flora&Faunavisions sei. Dafür war sie fünfmal in Brisbane. Die Endproben dauerten vier Monate. Vor Ort war ein 20-köpfiges Videoteam im Einsatz. Die Gesamtproduktion dauerte durch Corona bedingt drei ganze Jahre. Die hochgelobte Avantgarde-Inszenierung transferiert die traditionelle Wagnermusik für ein junges Publikum. Flora&Faunavisions erntet gerade jede Menge Preise für dieses Meisterwerk der Szenografie. Ist der Antisemit Wagner auch umstritten, ist seine Musik große Kunst und so gehören seine Werke zum Repertoire der Opernhäuser der ganzen Welt. Wobei sich wenige direkt an den gesamten Ring in einem Rutsch wagen. Für Leigh Sachwitz war es sehr emotional, mit dem Live-Orchester zu arbeiten. Die absolute Challenge, alle Szenen so auszustatten, »dass der Content mitschwingt«. Herausgekommen ist ein besonders intensives Werk. Und das gleich in XXL-Übergröße.
Bühnen- und Eventtechnik sind die Werkzeuge, besondere Erlebnisse zu schaffen. Präzision ordnet das kreative Chaos, so dass große Schönheit entstehen kann, die die Menschen erreicht und beim Zuschauen besonders bewegt. Die Szene ist groß, aber einige wie Lunatx SFX, Jerry Peter Appelt, Gravity & Other Myths, Daniel Wurtzel oder Leigh Sachwitz und Flora&Faunavisions haben es zur Perfektion und Meisterschaft gebracht und die Grenzen der Event- und Theaterwelt verschoben. Da schließt sich der Kreis zu Erwin Piscator.