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Agenturen vor strategischen und kreativen Herausforderungen

Die heutigen Agenturen haben in diesem Jahrtausend bereits viele Krisen hinter sich. Die Eventbranche hat 9/11, die Finanzkrise, Corona und die Inflation überstanden. 2023 zeichnen sich weitere Herausforderungen ab. showcases befragte zwei Agenturinhaberinnen und -gründerinnen, den Managing Partner von Eventagenturen und den Gründer und Inhaber eines Designstudios. Petra Lammers, Daniela Wilken, Adone Kheirallah und Dirk Bachmann-Kern gaben bereitwillig ihre Antworten.

Petra Lammers ist die Gründerin der Agentur onliveline

Petra Lammers ist die Gründerin der Agentur onliveline

Petra Lammers ist die jüngste in der Runde und 2013 Gründerin der onliveline GmbH in Köln und Mitglied des ADC Deutschland. Daniela Wilken wirkt von Hamburg aus und führt ihre Agentur Wilkenwerk schon zweieinhalb Jahrzehnte durch alle Untiefen. Dirk Bachmann-Kern entwirft Messebau und Showrooms in aller Welt. Seit 2006 tut er das von Solingen aus und sammelt dort dutzende internationale Preise. Adone Kheirallah ist noch länger im Geschäft. Ein echter alter Hase. Nach erster Selbstständigkeit, Tätigkeit bei Vok Dams und einer Partnerschaft bei Hagen Invent landete der passionierte Kitesurfer 2015 in der Düsseldorfer Agentur Stagg & Friends GmbH. Dabei sammelte er im Laufe von drei Jahrzenten über 100 Branchenpreise ein.

Welche Aufgaben übernehmen Agenturen noch in einer Zeit, in der das Internet und KI immer mehr bieten?

Petra Lammers: Ich würde sagen, vor allem Schnittstellenmanagement, effizientes Projektmanagement, Transformationsberatung und Menschlichkeit. Ah, und: Lachen!

Adone Kheirallah ist ein alter Hase im Agenturen-Geschäft

Adone Kheirallah ist ein alter Hase im Agenturen-Geschäft

Adone Kheirallah: Kreativität bleibt das Hoheitsgebiet der Agenturen. Wenn alle mit gleichen Mitteln agieren, gewinnt der- oder diejenige, der oder die am kreativsten damit umgehen kann. KI wird zu einem Tool, das uns zu noch mehr außerordentlichen Ideen befähigt. In unserem Segment und bei unseren Kunden ist die Kompetenz, Erfahrung und Fähigkeit von Menschen nach wie vor gefragter denn je. Wir als Stagg & Friends pflegen hier unsere Philosophie: #frompeopleforpeople.

 

Daniela Wilken: Im Bereich der klassischen Handwerksfähigkeiten wie einer guten Location-Recherche oder einer ordentlichen Aufplanung nehmen uns KI-Tools heute schon viel Fleißarbeit ab und werden das in Zukunft sicher noch viel besser tun können.

Dirk Bachmann-Kern: KI kann Arbeitsabläufe deutlich verkürzen und auch im Kreativprozess interessante Unterstützung bieten. Dem stellen wir uns natürlich. Aber es wird noch lange, aus meiner Sicht sogar immer, in der entscheidenden Phase eines Kreativprozesses auf den Menschen ankommen – ganz besonders, wenn es um Exzellenz geht. Welche Werkzeuge genutzt werden, spielt keine Rolle. In diesem Sinn ist ein Prompt auch nur ein Tool.

KI wird zu einem Tool, das uns zu noch mehr außerordentlichen Ideen befähigt.

Wie definierst du die Kreativität einer Agentur?

Daniela Wilken führt ihre Agentur Wilkenwerk schon zweieinhalb Jahrzehnte

Daniela Wilken führt ihre Agentur Wilkenwerk schon zweieinhalb Jahrzehnte

DW: Das ist ein großes Thema. Wir glauben, es gibt nichts Relevanteres für eine Agentur als eine eigene Kreativität. Eine »eigene Kreativität« bedeutet, dass es individuelle Erfahrungen, Interessen und Persönlichkeiten braucht, um kontinuierlich aus der Masse herauszustechen. Wer nur »das Beste aus dem Briefing herausholt«, der arbeitet nicht wirklich kreativ. Um eine wertvolle kreative Beratung zu leisten, braucht es ein solides Verständnis von Kommunikation, einen analytischen Blick über den Tellerrand und den Mut, auch mal Grundsätze in Frage zu stellen.

DBK: Kreativität ist ein weiter Begriff, den ich gerne auf exzellente Kreation eingrenzen würde. Für mich ist eine Agentur dann außergewöhnlich kreativ, wenn es ihr gelingt, die Marke perfekt zu verstehen, deren Zielgruppen mit allen Sinnen anzusprechen und gleichzeitig ein einmaliges Erlebnis zu schaffen, das eine unverwechselbare Handschrift trägt.

PL: Wie sehr die Agentur fähig ist, die Herausforderungen individuell, mit klarem Blick und nicht nach Baukasten- oder Schubladensystemen zu lösen. Die heutige Zeit ist herausfordernd für alle und wir sehen uns permanent komplett neuen Herausforderungen gegenüber. Unsere Aufgabe ist es, einen Überblick zu haben, Übertragungen zu machen, genau zuzuhören und dann gemeinsam als Partner individuelle Lösungen zu finden. Das halte ich für Kreativität.

AK: Business Creativity first! Denn für unsere Kunden ist unsere Kreativität nur wertvoll, wenn diese direkten Business-Bezug hat und wir die Probleme unserer Auftraggeber nachhaltig lösen. Relevante Business Creativity entfaltet sich am besten hierarchiefrei und losgelöst von Wissenssilos – in einer Kultur, die Kreative fördert, sich über ihren »Jobdescription-Tellerrand« hinaus auf Themen, Trends, Entwicklungen, Menschen, Kulturen, Technik und die Welt intrinsisch einzulassen. Dazu braucht es Agenturen wie uns, die jedem von uns im Team echte Freiheit und Verantwortung möglich machen.

Wir erleben hier ein deutliches Zurück zum Live. Das ist bei unseren Stammkunden so, und auch bei unseren Neukunden verhält sich das nicht anders. Der Hype um Online und Hybrid schwächt sich deutlich ab.

Hat sich bzw. wie hat sich die Branche nach Corona verändert? Kommen die Jobs genauso wieder wie davor oder kommen andere hinzu? Was ist weggefallen?

AK: Dieses Jahr setzen Marken und Unternehmen noch mehr auf Kreativität, Eventformatvielfalt, Individualisierung des Teilnehmenden-Erlebnis, Umsetzungssicherheit und internationale Erfahrung. Post-Pandemiebedingt liegt die Kernnachfrage zurzeit vor allem auf Live-Formaten, die digital angereichert werden. Ausschließlich digitale B2B- und Corporate Events sind wieder rückläufig. Aktuell gibt es eine Vielzahl von Anfragen, sowohl von unseren bestehenden Auftraggebern als auch von richtig spannenden Neukunden.

DW: Wir merken, dass strategische Anforderungen und kreative Lösungen heute noch stärker im Fokus der Auftraggeber stehen als vor der Pandemie.

Dirk Bachmann-Kern entwirft Messebau und Showrooms in aller Welt

Dirk Bachmann-Kern entwirft Messebau und Showrooms in aller Welt

DBK: Wir sind ja besonders im Bereich Messe und Showrooms aktiv. Wir erleben hier ein deutliches Zurück zum Live. Das ist bei unseren Stammkunden so, und auch bei unseren Neukunden verhält sich das nicht anders. Der Hype um Online und Hybrid schwächt sich deutlich ab. Und auch beim Metaverse gibt es mehr Fragen als Antworten. Ein großes Thema ist Nachhaltigkeit. Da fühlen wir uns aber gut gerüstet, da wir immer schon auf Faktoren achten, die man heute als »nachhaltig« bezeichnet.

 

 

PL: Es ist sehr anders. Es sind viel weniger Menschen da. Das heißt der Bedarf und damit Druck ist höher. Die Preise und Forderungen auf Seiten von Arbeitszeit, Regularien und individuellen Ansprüchen sind enorm gestiegen, was, glaube ich, die Eventlandschaft radikal verändern wird. Und es geht viel weniger um einzelne Events, sondern stattdessen um integrierte Kommunikationsprozesse, was den Bedarf an Beratung und Storytelling hochschraubt.

Wie ist euer Verhältnis zu Pitches?

DBK: Pitches können Sinn machen, aber sicher nicht um jedes einzelne Projekt. In unserem Bereich werden oft Pitches ausgeschrieben, bei deren Gewinn und Beauftragung die anschließende Laufzeit über mehrere Jahre und Projekte geht. Das empfinde ich als sinnvoll und auch nachhaltig. Pitchen um jeden Preis verbrennt nicht nur kreative Ressourcen, sondern auch reale.

AK: Wir sind kompetitiv, das ist grundsätzlich ein wichtiges Motiv für Kreative – und nicht nur für die! Unsere Pitch-Teilnahmen entscheiden wir immer hochanalytisch und extrem selektiv. Dabei sind, neben den rationalen Rahmenbedingungen, die wirkliche Transparenz, die ernstgemeinte Kommunikation auf der Seite der Ausschreibenden und die Zwischenmenschlichkeit zentrale Elemente für uns. In letzter Zeit konnten wir sogar ein paar Pitches abwenden und Kunden anders überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten.

Ein positives Zeichen ist, dass viele Großunternehmen den Irrsinn der übergroßen Pitch-Teilnehmerzahlen erkannt haben und neue Wege einschlagen.

Duravit auf der Internationalen Sanität- und Heizungsmesse in Frankfurt, Design von Studio Bachmannkern

Duravit auf der Internationalen Sanität- und Heizungsmesse in Frankfurt, Design von Studio Bachmannkern

PL: Wir pitchen wenig. Das liegt daran, dass wir unsere Kunden zumeist inhaltlich langfristig begleiten. Als Partner entwickeln wir die kommunikative, ko-kreative Strecke, woraus sich die kommunikativen Formate entwickeln. Oft setzen wir diese dann um. Manchmal werden sie auch ausgeschrieben. Aber immer können wir den Kunden unterstützen, die Storyline zu führen und zu halten. Bei einzelnen Pitches für einzelne Tools hat man ja immer nur einen Impact auf den einzelnen Event, was den Effekt auf die notwendige Gesamtlinie stückelt. Daher finden wir Pit- ches heute sehr schwierig.

DW: Stell dir vor, es ist Pitch, und keiner geht hin. Nein, ganz so eng sehen wir es nicht. Wir nehmen an den Ausschreibungen teil, die uns interessieren. Ein positives Zeichen ist, dass viele Großunternehmen den Irrsinn der übergroßen Pitch-Teilnehmerzahlen erkannt haben und neue Wege einschlagen. Daumen drücken.

Ich glaube, unsere Branche wird sich in den nächsten zwei Jahren grundlegend verändern.

Was hältst du für den wichtigsten Faktor, der die Zukunft der Branche bestimmt?

DW: Den Menschen. Das heißt nicht, dass wir hier nicht am Ball bleiben müssen, aber bei der Frage nach dem Puls der Zeit legen wir den Finger lieber ans Handgelenk der Zielgruppe anstatt auf Trends zu zeigen.

AK: Competence Diversity wins! Entscheidend ist ein interdisziplinäres Team: Konzeptioner:innen, Berater:innen, Digital- und UX- Designer:innen, Lernexpert:innen, Architekt:innen und Event-Manager:innen und viele weitere Skills müssen noch integrierter zusam-menarbeiten, um die Komplexität zu beherrschen und für unsere Kunden nachhaltige Wirkung sicherzustellen.

DBK: Das ist das Thema Human Ressources: gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu binden. Deshalb bilden wir auch aus. Aber der »War for Talents« wird eine Herausforderung für uns alle. KI kann bei organisatorischen und planerischen Prozessen schon bald unterstützen und den Druck etwas mindern. Die beste KI kann kreative Exzellenz irgendwann perfekt kopieren, aber noch lange nicht ersetzen. Deshalb ist es wichtig, auch als Employer-Marke attraktiv zu sein. Da sollte man nicht nur auf die Generation Z schauen.

PL: Die derzeit so sehr steigenden Kosten, Ansprüche, Regularien und Menschenmangel versus ein gleichbleibendes oder sich verringerndes Budget und erhöhte, notwendige Bedarfe spielen eine große Rolle. Ich glaube, unsere Branche wird sich in den nächsten zwei Jahren grundlegend verändern.

Wir danken für die Interviews!