Omnivolant Flugtrapez

Flugtrapez-Show von Omnivolant: Der Moment, in dem man schwebt

Über 20 Jahre lang hatte es in Deutschland keine größere Flugtrapez-Gruppe mehr gegeben. Zu gefährlich, zu platzraubend, zu aufwändig in der Produktion, hieß es lange. Dann kamen Julia Knaust und ihre Kollegen von Omnivolant und erfüllten sich nach jahrelanger harter Arbeit und einigen Rückschlägen ihren Herzenswunsch: Seit wenigen Monaten sind sie mit ihrer Flugtrapez-Show „Gravity is a Mistake“ auf Deutschlandtour und lassen reihenweise staunende Gesichter zurück.

Oft braucht es viele Worte, um nachvollziehen zu können, was einen Menschen antreibt. Manchmal reicht ein einziger Satz und man versteht sofort. „Es gibt diesen schwerelosen Moment, kurz nach dem man das Trapez losgelassen hat und kurz bevor man fällt, da hat man das Gefühl, man würde schweben“, schwärmt Julia Knaust mit leuchtenden Augen. Ich selbst war eigentlich nie besonders scharf aufs Fliegen, aber für einen Moment bilde ich mir ein, sie ebenfalls zu spüren: diese alles bestimmende Sehnsucht des Menschen, die Grenze zwischen Erde und Himmel zu überwinden.

„Es dauert sehr, sehr lange, Fliegen zu lernen“

Omnivolant Flugtrapez

Der Moment, in dem man fliegt: Für Julia Knaust und ihre Kollegen die Erfüllung aller Träume

Aber wer sich die Entstehungsgeschichte der Flugtrapezshow von Omnivolant anhört, merkt schnell, dass das Projekt ohne diesen Traum und die damit einhergehende außerordentliche Motivation schnell gescheitert wäre. Julia Knaust und ihr Kollege Nils Wollschläger sind als Omnivolant schon seit einigen Jahren erfolgreich durch Deutschland gezogen. Julia Knaust hat die Circusschule absolviert, Nils Wollschläger war vorher als Jongleur und Artist durch die Welt gereist. Beide verband die Liebe zur Artistik und der Wunsch, ihre Kunst mit einem Inhalt zu verknüpfen.

Auf seinen Reisen sammelte Nils Wollschläger irgendwann in Australien erste Erfahrungen mit einem Flugtrapez und erlag sofort dessen Faszination. Die letzte große Flugtrapez-Gruppe in Deutschland war mit der DDR und ihrem Staatscircus verschwunden. Seitdem lag dieses Feld aus vielen Gründen brach: „Es dauert sehr, sehr lange, Fliegen zu lernen“, erklärt Julia Knaust. „Eine Flugtrapez-Truppe muss lange zusammen üben und gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Das widerspricht aber dem Zeitgeist, weil viele heutzutage nur nach sich selbst und ihrer eigenen Karriere schauen.“

Der Traum scheint in Erfüllung zu gehen

Omnivolant Flugtrapez

Es dauerte lange, bis die Truppe endlich stand

Doch Nils Wollschläger ging die Erfahrung aus Down Under nicht mehr aus dem Kopf. Er stieß bei seinen Recherchen auf einen alten Flugtrapez-Artisten aus Südafrika, Mike Wright, der mittlerweile in England als Lehrer an einer Circusschule unterrichtete. Omnivolant stattete dem Veteranen einen Besuch ab und ab da war es um das Duo geschehen. Julia Knaust: „Es war so ein unbeschreibliches Gefühl, als wir uns schließlich dazu entschlossen, eine eigene Gruppe aufzubauen.“

Es dauerte eine Weile, bis die erste Besetzung stand, und noch mal ein paar Jahre, in denen die Truppe verschiedene Trainingshallen austestete. Um auf Dauer unabhängig zu sein und ein Trapez zu haben, mit dem Omnivolant auf Tour gehen konnte, musste eine Alternative her. Eine Freundin, die Theatertechnik studierte, kam zur Hilfe und machte die Statik-Berechnungen für ein mobiles Flugtrapez zum Thema ihrer Masterarbeit. Auf Grundlage dieser Pläne ließen Julia Knaust und Nils Wollschläger einen Anhänger mit Flugtrapez zum Ausklappen für eine Open-Air-Show bauen. Das große Ziel schien zum Greifen nah.

Die behutsam aufgebaute Flugtrapez-Gruppe brach auseinander

Omnivolant Flugtrapez

Eines der vielen Projekte von Julia Knaust und Nils Wollschläger: Nagetusch

Aber die lange Wartezeit und die Ungewissheit hatten an der Truppe genagt. Einige der Artisten schlugen ihren eigenen Weg ein. Die so behutsam aufgebaute Gruppe brach auseinander. Der große Traum war geplatzt wie eine Seifenblase. Also gingen Julia Knaust und Nils Wollschläger wieder als Duo auf Tour. Sie gründeten Pandoras Circus und begeisterten ihr Publikum mit einer Mischung aus Luftartistik und Straßentheater. Nebenbei gab Nils Wollschläger Flugtrapezkurse. Er lernte einige talentierte Leute kennen und bevor sie sich versahen, hatten sie wieder eine Gruppe zusammen, die heiß darauf war, die Flugtrapezshow von Omnivolant doch noch zum Leben zu erwecken. Es ging endlich los.

Der erste Auftritt fand im Mai auf dem Kleinkunstfestival auf Usedom statt. „Wir waren gespannt, wie die Show, in die wir so viel von uns selbst gesteckt hatten, beim Publikum ankommen würde“, erinnert sich Julia Knaust. Würden die Leute beim bedächtigen Anfang aufstehen und gehen oder warten, bis sich die Dramaturgie zum Höhepunkt hin steigerte? Doch die Zuschauer blieben wie gebannt auf ihren Stühlen angesichts dessen, was die fünf Artisten dort auf ihrem 15 Meter langen Anhänger darboten. Die Jury zeichnete die Newcomer am Ende des Festivals sogar mit dem Kleinkunstpreis aus.

„Das Fliegen macht uns einfach glücklich. Und das merken die Zuschauer!“

Omnivolant Flugtrapez

3.000 Zuschauer kamen in Oldenburg in den Genuss der Flugtrapez-Show von Omnivolant

Die endgültige Bestätigung (falls es diese überhaupt gebraucht hätte) bekam Omnivolant dann beim Auftritt vor 3.000 Zuschauern in Oldenburg. „Es war unglaublich, wie viel Begeisterung uns entgegenschlug“, sagt Julia Knaust. „Ich habe die Show danach auf Video gesehen und hätte nicht gedacht, dass sie so gut ist. Das Fliegen macht uns einfach glücklich. Und das merken die Zuschauer.“