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„Es hat aber auch etwas Positives“

Corona hat das Leben für viele Menschen auf den Kopf gestellt und große wirtschaftliche und soziale Schäden in allen Bereichen verursacht. Doch kaum eine Branche ist so umfassend betroffen wie die Veranstaltungsbranche. Von heute auf morgen wurde Unternehmen, Künstlern sowie zahlreichen Selbständigen und Freiberuflern jegliche wirtschaftliche Grundlage entzogen, indem Veranstaltungen verboten und Kontaktbeschränkungen auferlegt wurden.

Das Team von Energy Rental, Spezialist für die Klimatisierung von Messen und Events, war gerade beim Aufbau ihrer Anlagen für mehrere Messestände einer  großen Messe in Berlin, als die Absage kam. Für Geschäftsführer Karsten Kressmann eine Hiobsbotschaft:

Karsten Kressmann, wie hast du den Shutdown erlebt?

Wir waren in der Vorbereitung einer Großveranstaltung im europäischen Ausland, auf die wir uns monatelang konzentriert hatten. Wir hatten insgesamt Equipment von neun Vierzigtonnern bereitstehen. Eine Woche vor Abfahrt, wurde uns mitgeteilt, dass die Veranstaltung nicht stattfinden kann. Bei einem anderen Projekt waren die Anlagen für eine Messe sogar schon teilweise aufgebaut. Die Sachen, die wir gerade montierten, konnten wir also gleich wieder abbauen.

Wer trägt in einem solchen Fall die Kosten?

Das ist schwierig, weil wir versuchen, mit dem Kunden eine einvernehmliche Lösung zu finden. Teilweise wird das Material eingelagert, in der Hoffnung, dass die Veranstaltung in dieser Form später wieder stattfinden kann. Teilweise haben wir Teilbeträge überwiesen bekommen. Aber die Vorplanungen bekommen wir nicht bezahlt. Die Messen, die für Frühjahr und Sommer geplant waren, wurden abgesagt, ohne dass wir irgendetwas in Rechnung stellen konnten. Einerseits kann man die Planungsleistungen unsererseits nur schwer beziffern. Außerdem will man sich mit dem Kunden, der auch Sorgen hat, nicht juristisch streiten. Da wurden viele Gentlemen-Agreements getroffen. Einige unserer Kunden werden die Coronazeit nicht überleben.

Was macht Energy Rental genau?

Energy Rental gibt es seit 2003. Angefangen habe ich als Einzelunternehmer, später habe ich dann mit meinem Partner zusammen die GmbH gegründet. Wir sind insgesamt elf Mitarbeiter und haben uns darauf spezialisiert, den temporären Bedarf an Lüftung, Klima, Heizung mit dem zugehörigen Strom anzubieten. Ein großer Kundenkreis ist die Event- und Messebranche, hauptsächlich in Berlin und Brandenburg. Wir passen unsere Anlagen individuell den Räumlichkeiten an. In Modulbauweise klimatisieren wir alles, von kleinen Räumen mit 50 Quadratmetern bis Flugzeughangars mit mehreren tausend Quadratmetern. Bei uns kommt alles aus einer Hand: Planung, Genehmigungsverfahren, Anlieferung, Montage. So sind wir stetig gewachsen und inzwischen auch deutschlandweit und darüber hinaus im Einsatz.

Wie arbeitet ihr normalerweise?

Je größer das Event umso mehr geht es in Vorlauf. Eine große Messe, die normalerweise im September stattfindet, wäre jetzt in der Planungsphase. Da würden wir intensiv mit dem Kunden kommunizieren, den finalen Bauplan besprechen und dann unsere Anlagen einbauen. Des weiteren sind wir auch für Noteinsätze da. Wenn also bei Büros oder Locations die Klimaanlage ausfällt, stehen wir Gewehr bei Fuß. Vor Corona haben wir auch mal am Wochenende gearbeitet, je nachdem wann halt die Veranstaltungen waren. Im Moment ist die Belegschaft bis auf einen Mann zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Der Umsatz ist von 100 auf zehn Prozent gefallen.

Was sind die verbleibenden zehn Prozent?

Zehn Prozent sind Noteinsätze. Wobei die sich auch sehr reduziert haben, weil ja nicht nur die Veranstaltungsbranche brach liegt, sondern durch die Hygienemaßnahmen auch viele im Homeoffice arbeiten. Das heißt, die Büroklimatisierung beziehungsweise witterungsbedingte Einsätze sind auch stark zurückgegangen. Meetings, für die wir sonst Klimaanlagen liefern, finden nicht statt. Unabhängig von der Veranstaltungsbranche ist das  ein weiterer Punkt, der bei uns einschlägt.

Wie ist die Lage bei euch?

Ich hoffe, dass wir mit drastischen Maßnahmen und Überbrückungshilfen unser Unternehmen halten können. Ein großer Kostenpunkt bei uns ist das Personal. Das konnten wir mit Kurzarbeit auffangen. Teilweise können wir Mieten für Maschinen und Lagerflächen vom Überbrückungsgeld bezahlen. Außerdem suchen wir Neukunden außerhalb der Veranstaltungsbranche. Wir hoffen, dass wir witterungsbedingte Aufträge bekommen, im Sommer im Bereich der Klimatisierung und ab Herbst dann im Bereich Heizung. Veranstaltungen ab 5000 Personen sind in Berlin ab Ende Oktober wieder erlaubt. Wir hoffen, dass es dann langsam wieder losgeht. Wie es so schön heißt, die Veranstaltungsbranche ist die erste die betroffen war und sie wird die letzte sein, die wieder in den Normalzustand kommt.

Woran liegt das?

Veranstaltungen haben häufig lange Vorlaufzeiten und im Moment wird kaum geplant. Das Weihnachtsmarktgeschäft ist jetzt schon gefährdet, weil die Vorlaufzeiten so lang sind. Material muss gekauft, Verträge müssen geschlossen werden – da gibt es viele Leute, die ihre Unsicherheit zum Ausdruck bringen, indem sie nicht planen.

Wie hast du die Restriktionen aufgrund von Corona wahrgenommen?

Die Frage ist, ob die Maßnahmen, so drastisch wie sie waren, sinnvoll waren. Das kann man erst im Nachhinein feststellen – oder vielleicht auch gar nicht. Ich denke, dass eine koordinierte Öffnung der Veranstaltungsbranche mit klaren Vorgaben, die bundesweit gelten, sinnvoll ist. Im Moment werden die Veranstalter allein gelassen. Es gibt keine Direktive, die vorgibt, unter welchen Maßnahmen Veranstaltungen wieder gestattet sind. Es gibt viele Ungereimtheiten. Einerseits wird überreagiert und andererseits werden sinnvolle Hygienemaßnahmen missachtet. Da sollte es von der Bundesregierung klare Vorgaben geben. Veranstaltungen im Freien halte ich zum Beispiel für vollkommen unproblematisch, wenn man die Abstände der Personen einhält. Das kann man organisieren. Man kann Plätze zuweisen, man kann ihre Abstände überprüfen. Das Ansteckungsrisiko ist unter freiem Himmel deutlich geringer als indoor.

Welche Ideen habt ihr, um durch die Krise zu kommen?

So viele Alternativen haben wir im Moment nicht wegen der Spezialisierung. Eine Möglichkeit ist der Anlagenbau. Die Baubranche boomt und damit sind Maßnahmen willkommen, die beschleunigend wirken durch Einsätze von Heizungen und Trocknungsanlagen – Estrichtrocknung, Belüftung, Trockung von Gebäuden. Da versuchen wir uns zu positionieren. Der zweite Punkt ist, kleine Veranstaltungen ein bisschen sicherer zu machen, indem wir dort Hygienelüfter, die mit speziellen Filtern die Luft reinigen, einsetzen. Wenn man sich wie wir auf einen bestimmten Kundenkreis stark konzentriert hat, dann ist das Umschwenken anfangs nicht leicht. Die Kommunikation mit den neuen Kunden ist ungewohnt. Da muss ich mich erst einmal auf die geänderten Bedürfnisse einstellen. Das ist für uns eine Herausforderung.

Welches Fazit ziehst du aus der Krise?

Man sollte sich als Dienstleister nicht nur auf einen Kundenkreis beschränken. So hart es ist, aber durch die ganzen Maßnahmen sind wir gezwungen, unser ganzes Geschäft nochmal neu zu überdenken. Es hat aber auch etwas Positives, wenn man eingefahrene Strukturen überarbeitet. Das Thema Kommunikation ist ein großer Punkt. Früher hat man sich häufiger getroffen, heute nutzt man eher Telefon- oder Videokonferenzen – und das geht auch. Die Effektivität konnten wir dadurch steigern. Aus der Not macht man also eine Tugend. Telefon- und Videokonferenzen werden in Zukunft einen großen Anteil einnehmen, was veränderte Arbeitsbedingungen und Kundenkommunikation darstellt. Es ist eine gewisse Bereinigung, eine Neuorientierung des gesamten Geschäftes.