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„Die LKWs waren schon unterwegs Richtung London“

Corona hat das Leben für viele Menschen auf den Kopf gestellt und große wirtschaftliche und soziale Schäden in allen Bereichen verursacht. Doch kaum eine Branche ist so umfassend betroffen wie die Veranstaltungsbranche. Von heute auf morgen wurde Unternehmen, Künstlern sowie zahlreichen Selbständigen und Freiberuflern jegliche wirtschaftliche Grundlage entzogen, indem Veranstaltungen verboten und Kontaktbeschränkungen auferlegt wurden.

Sebastian Schäffler ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit 45 Mitarbeitern, das hauptsächlich Veranstaltungen im Industriebereich betreut und die dafür benötigte Medien- und Eventtechnik bereitstellt. Eigentlich hätte b&b eventtechnik in diesem Jahr ihr 20-jähriges Firmenjubiläum groß gefeiert. Die Corona-Beschränkungen erwischten den Unternehmer auf dem Weg zum Flughafen:

Herr Schäffler, wie haben Sie den Lockdown erlebt?

Als Production Company mit allem, was dazugehört, gestalten wir das ganze Drumherum bei einem Event. Vor der Krise waren wir bei 110 Prozent Auslastung. Dann kam der Shutdown. Die LKWs waren schon unterwegs Richtung London. Wir hätten dort eine Kapitalmarktveranstaltung für einen deutschen Konzern durchführen sollen. Am Samstag hieß es dann auf einmal: Alles stoppen, LKWs zurückholen. Wir selbst waren quasi schon auf dem Weg Richtung Flieger. Das war die erste große Absage aufgrund von Corona. Im Laufe der nächsten zwei Wochen wurden dann wirklich alle Events storniert, so dass wir von 110 Prozent auf null Prozent gefallen sind.

Dabei sind Sie mit b&b eventtechnik inzwischen seit 20 Jahren am Markt.

In der 12. Klasse haben wir unsere erste Firma gegründet. Wir haben anfangs selber Events veranstaltet. Dafür haben wir Material gemietet und mit Marge weitervermietet. Immer wieder wurden wir gefragt, wie wir bestimmte Dinge gemacht haben, woraufhin wir sie dann an die jeweiligen Dienstleister weiterverwiesen haben. Irgendwann kam dann die Idee, dass wir das ja auch selber machen können. Seitdem sind wir von Jahr zu Jahr gewachsen. Heute haben wir 45 Mitarbeiter. Wir sind kein reiner Technik-Dienstleister, sondern eine Production Company. Wir haben eigenes Mobiliar, eigene Böden, eigene Zelte und wir decken auch den Bereich Event- und Kulissenbau mit ab. Wir gestalten also das Event von der Planung bis zur Durchführung komplett aus einer Hand.

Wie haben sich die Stornierungen aufgrund der Corona-Beschränkungen ausgewirkt?

Wir haben relativ gut und schnell reagiert, indem wir bereits Anfang März Kurzarbeit angemeldet haben. So konnten wir den Schaden etwas abmildern. Ich war dann selber sechs Wochen nur im Homeoffice. Das war eine ganz neue Erfahrung, weil es auch eine ganz andere Form der Kommunikation ist. Die ersten Wochen waren für alle nicht so schlimm, weil man sich erst einmal an alles gewöhnen muss und auch noch genug zu tun hat.

Und danach?

Nachdem man mal alles aufgeräumt und abgearbeitet hat, merkt man, dass es doch eine lange Zeit ist. Darüber hinaus ist das Zusammenspiel aus geschlossenen Kitas und Homeoffice nicht einfach. Ich persönlich war nicht darauf eingerichtet, mehr als sechs Wochen von zu Hause zu arbeiten, da wir kein extra Arbeitszimmer haben. Unsere Branche hat es früh getroffen und wir werden mit am längsten unter den Einschränkungen leiden. Wir rechnen in diesem Jahr mit keinem relevanten Umsatz mehr. Die Unternehmen, die uns beauftragen, müssen sich erst wieder sortieren und ihre Finanzen ordnen. Ich glaube nicht, dass es vor dem ersten Quartal nächsten Jahres wieder Eventplanung gibt. Die ersten großen Veranstaltungen werden wohl erst im zweiten Quartal nächsten Jahres stattfinden.

Gibt es staatliche Unterstützung?

Wir haben Soforthilfe beantragt und tatsächlich auch schon bekommen. Das ging schnell und unkompliziert. Allerdings hilft die Soforthilfe einer Firma in unserer Größe gerade einmal eine Woche.

Macht Ihnen das Sorgen?

Mich beschäftigt jetzt vor allem die Frage, ob eine zweite Welle kommt oder nicht. Wenn eine zweite Welle kommt, dann ist der Zeitplan, den ich vorhin genannt habe, nicht mehr zu halten. Dann zieht sich das Ganze noch weiter raus. Andererseits machen wir uns natürlich auch Gedanken, was passiert, wenn jemand von uns an Covid-19 erkrankt und wie es dann weitergeht.

Können Sie die Maßnahmen nachvollziehen?

Wir haben nicht verstanden, warum die Maßnahmen anfangs so ungleich ausgelegt wurden. In einem Fußballstadion oder im Flugzeug durfte man noch eng beieinandersitzen, aber Veranstaltungen durfte man schon nicht mehr besuchen. Mit der Zeit wurden die Maßnahmen ja angeglichen und man hat dann auch gemerkt, dass sie gut und wichtig waren, wenn man das vergleicht mit Ländern wie Italien und anderen, die es schwerer getroffen hat.

Wie erleben Sie jetzt die Veranstaltungsbranche?

Wir sind ein Stück weit enger zusammengerückt. Alle sitzen im gleichen Boot – und auf dem Trockenen. Vom Branchenverband gibt es Schätzungen, dass bis zu 75 Prozent der Unternehmen vom Markt verschwinden. Aber es wird nicht nur weniger Firmen aus unserer Branche, sondern auch weniger Events als vorher geben. Das bringt die durch Corona ausgelöste Umstrukturierung mit sich. Es gibt einige Events, die bisher live durchgeführt wurden, obwohl das nicht unbedingt nötig war. Nun wurden sie notgedrungen online durchgeführt, mit der Folge, dass einige dieser Events nicht mehr zurückkommen werden. Sie werden virtuell bzw. digital bleiben und bringen so weniger Umsatz.

Was heißt das für Sie?

Wir hoffen natürlich, dass keine große Preisschlacht losgetreten wird, in der Firmen versuchen, mit allen Mitteln an Aufträge zu kommen. Was wirklich im Markt passiert, wird aber wahrscheinlich erst Ende des Jahres zu sehen sein.

Wie überbrücken Sie und Ihre Mitarbeiter nun die Zeit?

Wir nutzen die Zeit, um unsere Marketingunterlagen zu überarbeiten und unsere eigene hybride Eventlocation GATE 22  voranzutreiben. Wir haben Fotos gemacht für die Homepage und wollen noch einen neuen Mietmöbelkatalog auflegen. Ansonsten sind eigentlich nur die Auszubildenden da und zwei Studenten von der Dualen Hochschule, die keine Kurzarbeit machen dürfen. Aber die Zeit fördert offenbar die Kreativität: Nachdem die ersten Wochen vorbei und alle Stornierungen abgearbeitet waren, haben die Mitarbeiter in Eigeninitiative ein kleines Streaming Studio bei uns im Lager gebaut, um Musikprojekte zu streamen, sich selbst weiterzubilden und nicht nur zu Hause rumzusitzen. Darauf sind wir echt stolz.