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Der Evangelische Kirchentag im Glossary

»Du siehst mich« – unter diesem Motto findet im kommenden Jahr, vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin und in Wittenberg, der nächste Evangelische Kirchentag statt. Eine Großveranstaltung, die alle zwei Jahre tausende Besucher aus der ganzen Welt zusammenbringt. Dr. Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, gibt im Blog für die Eventplanung einen Blick hinter die Kulissen.

Feeling

Am Mittwochabend, wenn es nach zwei Jahren wieder losgeht, tauchen tausende Menschen das Stadtzentrum in ein Meer von Kerzen und dann entsteht etwas, das sehr selten ist – eine spirituelle Atmosphäre, eine konzentrierte Stille mitten in der Großstadt. Die folgenden vier Tage bis zum Sonntag sind ein großes Gewusel, ein Vielvölkergemisch – mit 5.000 Menschen aus mindestens 80 Ländern mitten unter den hunderttausend deutschen Teilnehmenden – sind ein Kulturfest, eine Wiedersehensfreude, sind eine Gelegenheit, neue Menschen zu treffen, Prominente zu sehen, zuzuhören, selbst aufzutreten, über den Markt der Möglichkeiten mit seinen 800 Initiativen zu schlendern oder einfach nur dabei zu sein. Der Kirchentag ist ein Klischee geworden für alle Events, auf denen dieses »Eine-andere-Welt-ist-möglich«-Feeling zu erleben ist.

Freiwillig

Wo gibt es das schon? Menschen, die anstrengende Jobs haben, nehmen ihren Jahresurlaub und schuften backstage. Sie machen diesen Riesenevent überhaupt erst möglich. Ungläubiges Staunen ruft das ausgeklügelte System von Freiwilligen, das der Kirchentag über die Jahrzehnte entwickelt hat, regelmäßig bei den Behörden hervor: Ehrenamtlich werden Eintrittskarten kontrolliert, der Müll entsorgt, die Besucher gelenkt, die Bühnen bespielt, die Referenten in Empfang genommen, Fahnen aufgehängt, Schilder gemalt. Eine Riesenanstrengung ist die »Abbaunacht« von Samstag auf Sonntag, wenn alles wieder eingesammelt und abtransportiert werden muss. Die normale Teilnehmerin kriegt davon nicht viel mit.

Kanzlerin

Tausende Smartphones blinken, wenn sie die Halle betritt, ein Popstar. Fast beängstigend ist das, denn ein kritisches Publikum muss doch erst einmal zuhören und sich dann eine Meinung bilden. Aber so ist es eben. Die Leute mögen, dass sie auf dem Kirchentag lockerer ist als sonst, und Sätze sagt wie: Heute hat fast jeder Facebook, wie ja auch fast jeder eine Waschmaschine hat. Mit den großen Panels zu Politik, Umwelt, Wirtschaft und sozialen Themen ist der Kirchentag auch die größte Volkshochschule des Landes.

Papphocker

Evangelischer Kirchentag, Foto markus rock

Dr. Ellen Ueberschär ist die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

Die einfachen Sitzmöbel sind das Markenzeichen des Kirchentages. Sie werden nach einem bestimmten System gefaltet und sind auch als Tisch, Bett, Wand oder Spielzeug einsetzbar. Für Messehallen sind Papphocker das praktischste Sitzmöbel überhaupt. Ungefähr 60.000 Stück werden aufgestellt und am Ende des Kirchentages verkauft.

Singen

Einfach so. Zusammen, in der Bahn, auf der Straße, bei den 2.500 Veranstaltungen sowieso. Vieles kennt man, manches singt man einfach mit. Schwupp, das Liederbuch aufschlagen – für jeden Kirchentag gibt es ein neues mit neuen Songs – und los geht’s. Irgendjemand hat immer eine Gitarre. Oder Samuel Harfst ist dabei, der Star unter Straßenmusikern. Besonders mitreißend wird es mit Chören aus Kenia oder Nigeria. Dann schwappt eine ganze Welle von Afrika-Gefühl und Rhythmus herein.

Verächter

Natürlich hat der Kirchentag auch Verächter. Erstens unter den Gebildeten, weil es so ein großes Volksfest ist und weil alle guter Laune sind. Und zweitens unter den Gottlosen, oder denen, die Gott los werden wollen, weil es was mit Gott zu tun hat. Aber irgendwie gehören die auch alle zum Kirchentag.

Inklusion beim Kirchentag

Alle sollen teilnehmen können. Das sagt sich so dahin für Leute, die im Rollstuhl sitzen, am Sehen oder Hören gehindert sind. Nach den Paralympics ist der Kirchentag weltweit die größte Veranstaltung für Menschen mit Behinderungen. 500 Freiwillige wirken daran mit, dass es geht – gleichberechtigtes Teilnehmen ohne Hindernisse.

Alles Öko hier

Schon in den 1980er Jahren gab es Gulaschkanone aus Porzellanschüsseln mit echten Löffeln. Inzwischen ist daraus die erste Großveranstaltung geworden, die ein europäisches Umweltzertifikat hält und andere Veranstalter ähnlicher Größenordnung berät. Öko kann auch lustig sein – Lastenfahrrad fahren, Komposttoiletten ausprobieren oder auf Rollschuhen Papiermülltonnen ziehen. Momentan ist die Verpflegungskette unser großes Thema: Wie kann möglichst alles, was gegessen wird, ökologisch, fair gehandelt und regional sein? Nicht nur die 200.000 x 4 Brötchen, die für das Frühstück in den Gemeinschaftsquartieren gebraucht werden.

Die Autorin

Dr. Ellen Ueberschär ist die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, einer Großveranstaltung, die alle zwei Jahre in einer anderen deutschen Stadt stattfindet. Der nächste Kirchentag findet vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin und in Wittenberg unter dem Motto »Du siehst mich« statt. Das Glossary steht auch in der showcases-Ausgabe zum Thema “Social Events & Green Events”.