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Der große Charme der Freiheit – Evi Niessner im Portrait

Evi Niessner wollte schon als Kind Sängerin werden. Als Erwachsene hat sie sich diesen Traum längst erfüllt. Sie ist eine Spezialistin für New-Vintage-Shows, besonders aber für die Musikkultur der Goldenen Zwanziger Jahre im damaligen Babel Berlin.

Evi Niessner ist Sängerin mit Leib und Seele

Evi Niessner ist Sängerin mit Leib und Seele

Der »Glanz auf dem Vulkan« ist ein lang geplantes Vorhaben gewesen und ganz unabhängig um den Hype um »Babylon Berlin« entstanden. Evi hat sich schon lange mit Friedrich Holländer, Kurt Weill, Lion Feuchtwanger, Mascha Kaleko und all den anderen tollen Künstlerinnen und Künstlern beschäftigt, die damals Berlin zur heißesten Stadt auf der Welt und die Zwanziger Jahre zum goldenen Jahrzehnt machten. Im Romanischen Kaffee traf dann der Nobelpreisträger Albert Einstein auf die kokainsüchtige Nackttänzerin Anita Berber, während die Dichterin Else Lasker-Schüler im Eckchen ewig bitterlich knapp am Gelde ganz langsam ihre heiße Schokolade nippte und sich aufwärmte. Berlin war in jeder Hinsicht divers und frivol. The place to be. Für alle die, die von Karrieren an Bühnen oder mit Büchern träumten. Oder von freier Liebe.

Als alle anderen ABBA und Disco hörten, war Evi Niessner zuerst Elvis-Fan. Später hat sie Mozart und Beethoven gehört. Maria Callas war ihr großes Idol. Und dann kam Édith Piaf und dann die Zwanziger. Wie sie es selber sagt, hat sie die ganze Geschichte von hinten aufgerollt oder auch »quer durch den Gemüsegarten«. 2005 hat sie in New York die Burlesque-Shows für sich entdeckt. Die künstlerisch-ironische Aufarbeitung von Erotik, von Frau-Sein hat sie mit ihren Disziplinen Gesang und Schauspiel verknüpft. »Evi & das Tier« hatte als Show 2008 Premiere im Friedrichsbau Varieté in Stuttgart. Die Show ist keine vordergründige Vermarktung von Sexualität, sondern Feminismus durch die Hintertür, sexy selbstbestimmter Feminismus: »Es scheint ein Paradoxon zu sein, aber das ist das, worum es geht.«

Das neue Programm "Glanz auf dem Vulkan" war schon lange geplant

Das neue Programm “Glanz auf dem Vulkan” war schon lange geplant

Die große Kulturvielfalt und diesen Reichtum, der das Goldene Berlin ausmacht, bei der Frivolität auf Kunst trifft, ist dann eine konsequente Weiterentwicklung. 1989 hatte Evi Niessner als junge Sängerin ein dreiköpfiges »Berliner Luft«-Ensemble gegründet, um das Kabarett zu feiern. Schon damals hatte sie aber den Gedanken, eine große Show auf die Bühne zu stellen, wenn sich die Zwanziger zum 100-Jährigen im 21. Jahrhundert wiederholen, was ihr mit »Glanz auf dem Vulkan« und dem elfköpfigen Ensemble nun tatsächlich gelungen ist. Der Bogen ist geschlagen, der Transfer gelungen. Die Erfahrungen von 30 Jahren Bühne flossen in das neue Programm ein. Dabei ist die Show keine Nostalgieshow, sondern eine Verschmelzung der 1920er und 2020er. Originalmusiken treffen auf Neukompositionen, die sich am Charme der bewegten Zeit orientieren. Dazu Evi Niessner: »Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber wir können sie neu gestalten, und ich mache das mit meinen Mitteln. Ich bin Künstlerin, sowohl als darstellende Künstlerin auf der Bühne, aber natürlich auch als die Kreateurin dieser Idee, dieser Show. Wir bringen mehr als eine Show auf die Bühne! Ich habe wirklich eine Haltung, einen bestimmten Geist und auch eine bestimmte Ästhetik und eine Botschaft, die ich damit auf die Bühne bringe.«

Diversität in alle Richtungen, das ist das Stichwort – also in sexueller Ausrichtung, in Formen des Feminismus, auch in Ambivalenz dieser Themen. Wie zerstritten waren schon allein die Dadaisten über ihre Utopie untereinander. Diese Widersprüchlichkeit und das, was daraus resultiert, eben diese Spannung, das ist das, was Evi Niessner an den Zwanzigern des zwanzigsten Jahrhunderts am meisten fasziniert. Dieses riesige Spannungsfeld und dieser unerschöpfliche Reichtum, wo es nie genug zu entdecken gibt, obwohl Evi Niessner schon dreißig Jahre lang in die Tiefen dieser Zeit recherchierend hinabgetaucht ist. Es ging und geht Evi Niessner nicht um Nostalgie, sondern immer um die Freiheit des Geistes, die sie meint und die sie gerne zelebrieren möchte.