BrandEx-2020-Wachenfeld_OW2_6930 (Custom)

Plain Terms – Die große Herausforderung

Ein kommentierender Bericht von Andreas Schäfer

Als reiche ein merkelines „weiter so“ für die Kommunikation 2020, ging es am Morgen des 14. Januar 2020 in den Dortmunder Messehallens los. Den Auftakt machte eine Pressekonferenz, bei der Jan Kalbfleisch vom Famab, Sabine Loos von der Messe Dortmund, Michael Hosang vom Studieninstitut für Kommunikation mit Colja Dams von Vok Dams in Wuppertal als Kennerverstärkung, den Eindruck machten, als wäre die Kommunikationsbranche eine selige Insel und die Zukunft eine prosperierende Fortsetzung der Gegenwart.

Dabei war der Kongressteil der BrandEx inhaltlich schon weiter als die Pressekonferenz. Dass dem so war, war unter anderem Simon Stahl, dem neuen Creative Director von fischerApppelt als BrandEx-Flüsterer bei der Programmgestaltung zu verdanken. Und Professor Roland Lambrette von der Hochschule für Künste (HfK) Bremen. Seit 2017 ist er deren Rektor und eigentlich einer der wichtigsten Erfinder der Eventbranche überhaupt. Als kreativer Kopf befeuerte er mit seinem Atelier Markgraph bis 2017 den Kampf um das Höher, Schneller, Weiter und verstand mit ästhetischen Konzepten, die Botschaften seiner Industriekunden glänzend aufzupolieren.

Während des Kongress-Teil des BrandEx konnten die Teilnehmer verschiedenen Vorträgen und Workshops zuhören.

Während des Kongress-Teil des BrandEx konnten die Teilnehmer verschiedenen Vorträgen und Workshops zuhören.

Im Gegensatz zu den meisten Protagonisten hat er seine Distanz genutzt, neu zu denken. Und so schlug er seine Thesen per Powerpoint an die Morgenpforte des Traumwelten-Brand-Ex-Doms zu Dortmund, wie einst Martin Luther an die Pforte der Schlosskirche zu Wittenberg mit Hammer und Nagel. Dabei sparte er nicht mit Selbstkritik, was seinen Thesen umso mehr Gewicht verleiht. Traumwelten, so sagt er, könnten wir uns gerade nicht erlauben. Unsere Träume müssten sich darum drehen, wie wir in Zukunft leben können. Es geht vom Wie zum Was?

„Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir alle – die Agenturen und jeder Einzelne von uns – sich viel, viel kritischer mit den Botschaften auseinandersetzen müssen, die wir aussenden.“Unangemessener Aufwand und Ressourcenverbrauch führen zu harter Kritik. Das Publikum stimmt mit den Füßen ab und kommt einfach nicht mehr – siehe IAA. Die CeBit ist Geschichte. Lambrette: „Wir wissen und spüren also alle, dass wir in einer radikalen Umbruchsituation stecken, jeder Einzelne, jedes Unternehmen und wir alle als Gesellschaft. Das hat natürlich mit der technologischen Wende zu tun, das hat mit dem Klimawandel zu tun. Das hat aber auch mit Gerechtigkeit, mit Demokratie und Autonomie und mit politischen Landschaften zu tun. Politische Sicherheiten und Überzeugungen geraten ins Wanken.“ Dabei ist er sich der Wirk- und Finanzmacht, und dem Ungleichgewicht um die Botschaften bewusst: „Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir alle – die Agenturen und jeder Einzelne von uns – sich viel, viel kritischer mit den Botschaften auseinandersetzen müssen, die wir aussenden.“ Und er ist überzeugt, verantwortungsvolle Kommunikation ist auch profitabel. Für Lambrette gehen Leidenschaft und Verantwortung zusammen: „Ein neues Selbstverständnis der Verantwortlichkeit für unsere Kommunikation verändert unsere Kriterien, unsere Arbeitsweise, unsere Ernsthaftigkeit, unseren Diskussionsstil, unsere Argumentation, vor allem unser Verhältnis zu unseren Kunden. Unsere Branche bekäme eine neue Identität und wäre mehr  als nur ‘Ideen-Schmiede‘ für Vermarktungs- und Imagestrategien zu sein.“

Wer wollen wir sein, geschickte professionelle Heuchler oder verantwortungsvolle Communicators?

"Brandmessages good enough to eat" durchgeführt von FR Catering gewann beim BrandEx Gold für das Beste Catering.

“Brandmessages good enough to eat” durchgeführt von FR Catering gewann beim BrandEx Gold für das Beste Catering.

An den Endpunkt des inhaltlichen Kongressteils hatten die Planer Cesy Leonard vom Zentrum für Politische Schönheit gesetzt. Der Sinn bildete den Bogen wie den Horizont. Das ZPS ist ein Künstlerkollektiv, das bei seinen spektakulären politischen Aktionen immer auch ein großes persönliches Risiko eingeht. Die Klagen, die gegen sie eingereicht werden, kommen zuverlässiger als das Wetter. Unter den Standing Ovations des Dortmunder Publikums verabschiedet die Aktionskünstlerin sich. Einige Fragen bleiben. Verantwortung muss die Blaupause sein, aufgrund deren künftige Kommunikationsstrategien entwickelt werden. Sind wir Teil der Aufklärung oder der Manipulation? Wer wollen wir sein, geschickte professionelle Heuchler oder verantwortungsvolle Communicators?

Und damit kommen wir nach dem gelungenen Kongressteil zum weiterhin entwicklungsfähigen Awardteil, der dann doch nach diesem inhaltsreichen Tag ein paar Fragen zur Konsequenz aufrief. Oder um es mit Roland Lambrette zu sagen, die Gesellschaft ist weiter als es Teile unserer Branche sind. Die Awardzeremonie, an die Detlev Winzen von Insglück seine dramaturgische Hand angelegt hatte, gelang als Kurzversion, wobei aber Transparenz, Information und auch manchmal Wertschätzung der Preisträger auf der Strecke blieb. Auch Aljoscha Höhn trug an diesem Abend nicht so ganz zur Aufklärung bei, warum manche Projekte mit Gold und andere mit unedlerem Metall verziert wurden. Zu willkürlich waren die Befragungen von – irgendwie ohne nachvollziehbare Kriterien herausgegriffenen – Nominierten. Diese Nachfragen hätte man sich bei einigen Preisträgern gewünscht. Das war dann auch Gesprächsthema bei der Party mit den wieder leckeren LECA-Caterern. Denn wo sind die Nachhaltigkeitskriterien des Brand-Ex abgebblieben, wenn es zum Beispiel Gold gab für Vok Dams für einen Event, bei dem sie ein BMW-E-Auto in ein Flugzeug steckten (Gold in Best Live PR) und um die Welt jetteten? Oder Bronze für Stagg and Friends, die Porschemotoren in einer Halle laut um die Wette aufheulen ließen (Bronze in Best Brand Activation)? Oder eine temporäres Eishaus für ein zuckriges Kindereis (Gold in Best Store Concept) von fischerAppelt live marketing GmbH, das die wenigsten Anwesenden an ihre Kinder verfüttern würden, wie ein anderer altgedienter Branchenhase feststellte? Dass diese Events vor Greta Thunberg konzipiert wurden, ist eine Seite der Medaille, dass diese ein Jahr nach dem Beginn der Klimastreiks ausgezeichnet wurden, die andere. Der aufrichtigste Preis ging an FR Catering. Das Konzept stammte vom Querdenker und showcases-Gastautor Jörg Sellerbeck. Gold für Best Catering – “Brand messages good enough to eat – Catering SHIFT2019 by ottomisu”. Das lässt hoffen.

Die Gewinner des BrandEx-Award 2020

Die Gewinner des BrandEx-Award 2020