Botticelli und die Kunst des Kopierens – Ausstellung in Berlin
Die Eventbranche gehört zu den Branchen, in denen gut und gerne kopiert wird. Gut? Nein, eher gerne. So fordert man Künstler zur Fälschung auf, wenn man das Original nicht bekommen kann oder es einem Kunden zu teuer ist. Das kann aber nach hinten losgehen. So musste ein bekannter Sportartikelhersteller viele Euros nachzahlen, als ein kopierter Act öffentlich wurde. Bei seinem Großevent wurden die bekannten trommelnden blauen Männer nachgemacht. Leider berichtete das TV breit gestreut über die Veranstaltung mit der sehr zahlreich versammelten Sportprominenz. Hätte man sich denken können. Aber Pech gehabt. Die blauen Männer sah nämlich der tatsächliche Rechteinhaber in der Tagesschau. Übrigens geht dieser Sportartikelhersteller seinerseits rigoros gegen Produktfälschungen vor. Im Eventfall wurde mit zweierlei Maß gemessen und Kunden und Show-Agentur waren beratungsresistent. Ausgezahlt hat es sich das für den Kunden nicht. Eine saftige Strafzahlung war fällig.
Wie man künstlerisch gelungen und ehrlich einwandfrei kopiert
Wie man künstlerisch gelungen und ehrlich und einwandfrei kopiert, zeigt eine Ausstellung zurzeit in Berlin: The Botticelli Renaissance. Die ist ein Inspirationsquell für die Kreation, den Bogen von Tribut und Original auszuloten. Denn es gibt nicht so viele wirklich verifizierte Originale des Meisters. Der bedeutende Renaissancemaler Sandro Botticelli (1445-1510) hat nämlich nur ganze zwei Werke signiert. Selbst die berühmte „Geburt der Venus“, die in den Uffizien von Florenz verblieben ist, trägt keine Signatur, aber an der Art die Haare zu abstrahieren, lässt sich die Handschrift des Meisters gut erkennen. Berlin zeigt viele Arbeiten, die sich auf dieses Bild (und ganz viele andere) beziehen. Berlin hat aber auch eine eigene nackerte Venus aufzubieten.
Spektakuläre Ansichten bei der Botticelli Ausstellung
Die stellenweise spektakuläre Ausstellung zeigt noch bis zum 24. Januar 2016 nicht nur wertvolle Originale, sondern auch andere Künstler, die sich auf Botticelli beziehen. Dabei entstanden eigenständige Werke (was man beim künstlerischen Kopieren allein schon aus urheberrechtlichen Gründen auch beachten sollte), die auch ohne den Bezug zum Original sehenswert sind. Andy Warhol war ein Meister in dieser Technik und machte die mechanisierte Reproduktion zum Kunstwerk (zum Teil mit Diamantenstaub!). Bling, bling, that‘s pop, baby! Grandios ist auch David LaChapelles “Rebirth of Venus” von 2009 oder die bezugnehmenden Kleider von Elsa Schiaparelli oder Domenico Dolce und Stefano Gabanna. Mode und Kunst sind zwei recht unterschiedliche, aber dennoch nah verwandte Schwestern einer Mutter: der Gestaltung.
Weiter in der Ausstellung: Die englischen Präraffaeliten wie Evelyn De Morgan mochten Botticelli eigentlich schon nicht mehr, kamen ihm aber sehr nahe und zollten so einen unfreiwilligen Tribut. Bill Viola tut das dagegen bewusst in seiner Panorama-Videoinstallation „The Path“ und bezieht sich auf den „Frühling/Primavera“. Insgesamt sind 150 inspirierende und vielfach quicklebendige Exponate zu sehen. Darunter auch eine typische Selbstbespiegelung von Cindy Sherman. Die wird übrigens gerade im immer besuchenswerten Berliner me Collectors Room auf der Auguststraße auch ganz groß abgefeiert. Bis zum 10. April 2016 sieht man: “Cindy Sherman – Works from the Olbricht Collection”. Dort hängen 65 großformatige Colorfotos aus unterschiedlichen Perioden. Hier lernt man/frau die Kunst der Variation.
Inspiration und Originalität von Events
Events zu gestalten, zu erfinden, zu kreieren ist mit der bildenden Kunst nicht ganz vergleichbar. Die Kunst ist frei, während die Eventkreation immer eine zweckgerichtete Botschaft zu vermitteln hat. Kunden, Agenturen und Eventkreative können sich als Kunsthandwerker dem unerschöpflichen Fundus anderer Künstler gerne als Quelle bedienen, wenn am Ende eine eigene Schöpfung herauskommt. Die Botticelli-Schau ist so ein Inspirationsort, wie man künstlerische Ableitungen schafft. Für die Inszenierung braucht es dafür immer eine Übersetzung. Die muss man als Künstler wie als Kunsthandwerker aber selber leisten. That’s the Job. Den künstlerischen Horizont zu erweitern, tut immer gut. Das kann man in dieser geschickt gestaffelten Ausstellung aufs Beste.
Im Pop ist das Cover zwar gang und gäbe, aber auch urheberrechtlich geregelt. Ein Song in einer Inszenierung zu verwenden ist nicht per se und immer gestattet. Bei Botticelli kann man sich aber zum Beispiel frei bedienen. Der Mann ist als Urheber nun mehr als 70 Jahre tot und kann sich auch mit den besten Anwälten nicht mehr wehren.
Ein inspirierender Katalog zum alten Meister Botticelli und der Ausstellung ist bei Hirmer in München erschienen. Ab März 2016 wandert die Schau in das Victoria and Albert in London.