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Aus dem Nichts – Eventheld:innen der Flutkatastrophe

„Ich habe Heimweh“ – diese Worte einer jungen Frau klingen noch immer in Johanna Bolz Kopf nach, wenn sie an die prägendsten Momente der vergangenen Monate denkt. Und davon gibt es Unzählige. Johanna ist Inhaberin einer Eventagentur und war eine der ersten freiwilligen Helfer:innen, die nach der Flutkatastrophe im Juli nach Bad Neuenahr-Ahrweiler zur Hilfe eilten.

Flutkatastrophe Ahrtal Eventhelden helfen

Im Juli haben tausende Menschen ihre Heimat verloren.

„Die Frau stand auf ihrem leeren, verschlammten Grundstück und blickte einfach nur auf ein riesengroßes Nichts. Denn genau das ist es, was die Flutkatastrophe in der Nacht vom 15. Juli in Bad Neuenahr-Ahrweiler hinterlassen hat: nichts“, sagt Johanna. Es ist spürbar, wie sehr sie mit den Emotionen kämpft. „Das Unwetter hat zehntausende Menschen nicht ‘nur’ um ihre Häuser, Autos, Dokumente oder Erinnerungen gebracht. Sie haben ihre gesamte Heimat, ihre Identifikation und teilweise sogar Familienmitglieder verloren. Dieser Schmerz ist nicht in Worte zu fassen. Niemand, der nicht schon selbst vor Ort war, kann sich ansatzweise vorstellen, was hier los ist“, ergänzt sie.

Ersthelfer:innen aus der Eventbranche innerhalb kürzester Zeit vor Ort

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Die Markant Tankstelle wurde zum Stützpunkt für Spendenausgaben.

Gemeinsam mit zahlreichen Kolleg:innen aus der Eventbranche war sie innerhalb von 48 Stunden mit kurzfristig organisierten Sach- und Lebensmittelspenden vor Ort. „Lars Schlingensiepen, Geschäftsführer von ‘Event Total’, hatte unmittelbar nach dem Ereignis die Initiative ergriffen und die Markant Tankstelle Bad Neuenahr als Stützpunkt für Spendenausgaben organisiert. Sie liegt nur 300 Meter von der Hauptzentrale der Rettungskräfte entfernt. Das war für die Zusammenarbeit in den darauffolgenden Tagen und Wochen enorm hilfreich“, berichtet die Eventexpertin.

Im Rahmen des Projekts #event_alltagshelden bildete sich innerhalb weniger Stunden ein großes Netzwerk aus Eventprofis. Unbürokratisch, uneigennützig und auf kürzesten Wegen stellte es ein unvorstellbar großes Maß an Arbeitskraft und Arbeitsmitteln zur Verfügung.

„Die Nachricht zu dieser Initiative verbreitete sich rasant über den WhatsApp-Status und hat eines bewiesen: Netzwerken, unkompliziert organisieren und kurzfristig agieren kann die Eventbranche! Es war fast wie ein riesengroßes Familientreffen. Nur dass es eben nicht ums Netzwerken ging, sondern um die Sache an sich. Es gab in dem Moment keine Fragen. Wir haben einfach nur reagiert“, erklärt die Helferin.

Bedingungslose Hilfe trotz eigener Existenznot

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Trotz eigener Existenznot haben sich zahlreiche Eventprofis innerhalb kürzester Zeit vereint, um mit allen möglichen Mitteln zu helfen.

Diese Tatsache an sich ist schon beeindruckend. Doch noch viel beeindruckender ist sie vor dem Hintergrund, dass viele der helfenden Eventakteur:innen seit Corona selbst von starken Existenzängsten betroffen sind. Auch Johanna musste die Räumlichkeiten ihrer Agentur aufgeben und ihre Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken.

„Die Eventbranche ist der Wirtschaftszweig, der von Anfang an in puncto Hilfestellung in der Pandemie vernachlässigt wurde und noch immer sehr leidet. Sie wurde viel zu lange lediglich mit Entertainment assoziiert, auf das in Notlagen zuerst verzichtet werden kann. Die Katastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass das Know-how, die Kontaktvielfalt und Kreativität unserer Branche weit darüber hinaus elementar für unsere Gesellschaft ist – und wirklich was bewegen kann“, so die Eventplanerin.

Von Gummistiefeln bis hin zu 40.000 Litern Trinkwasser

Durch ihr gemeinsames Netzwerk konnten die Eventprofis beispielsweise mehr als 1.000 Paar neue Gummistiefel, zahlreiche Stirnlampen, Möbel, Desinfektionsmittel, Hygieneartikel, Masken, über 2.500 Packkisten und sogar eine Spende von Lidl in Form von mehreren Sattelzügen Trinkwasser innerhalb kurzer Zeit organisieren. Sie hatten es geschafft, in kürzester Zeit auf dem offiziellen Platz der Rettungskräfte vor Ort der Flutkatastrophe ein großes Zelt als Versorgungslager aufbauen zu dürfen. Selbst um das Essen kümmerte sich das große Eventnetzwerk. Wochenlang versorgten einige Catering-Services aus der Region die Betroffenen und Helfer:innen täglich mit warmen Speisen.

Harmonische Zusammenarbeit mit den Rettungskräften

Besonders freut sich Johanna darüber, wie reibungslos die Zusammenarbeit mit den Rettungskräften und der freiwilligen Feuerwehr funktioniert hat. „Wir haben täglich Hand in Hand gearbeitet und uns gegenseitig unterstützt. Da es für die Rettungskräfte vorschriftsgemäß leider einige bürokratische Hürden gab und dadurch gewisse Beschaffungswege einfach viel länger dauern als bei uns, konnten wir genau an diesen Punkten helfen und Lücken schließen. So haben wir die Rettungskräfte beispielsweise mit Gummistiefeln mit Stahlkappen oder auch Desinfektionsmitteln beliefert. Ganz besonders aufbauend war auch die Atmosphäre unter allen Helfenden – seien es unsere Eventleute oder die Rettungskräfte. Es war spürbar, dass hier jede:r freiwillig geholfen hat. Das Bedürfnis, ohne Wenn und Aber einfach nur zu helfen, scheint ein gemeinsamer Charakterzug zu sein.“

Flutkatastrophe: Identifikation von heute auf morgen verloren

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Spenden, die während der Flutkatastrophe im Ahrtal zusammengekommen sind.

Neben der Ausgabe von Sachspenden und der tatkräftigen Hilfe, Schlamm zu schippen, setzten sich die Helfer:innen aus dem Eventnetzwerk auch mit ihrem Mitgefühl und seelischem Beistand ein. „Soweit es Corona ermöglichte, haben wir von Anfang an versucht, für die Betroffenen auch auf menschlicher Ebene da zu sein und sie zu trösten. Die psychische Belastung ist ergänzend zu dem sachlichen Schaden für die Betroffenen eine enorme Herausforderung. Sie haben ihre gesamte Existenz und Identifikation verloren“, sagt die Eventplanerin.

„Die Kraft war einfach da!“

Was den vor Ort tätigen Event-Helden in dieser Zeit besonders Kraft gegeben hat, steht für die Eventplanerin außer Frage:

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Jede:r Eventheld:in vor Ort hat sich mit Tatkraft und Herz für die Betroffenen eingesetzt.

„Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob du das Ausmaß der Zerstörung über Bilder im Fernsehen oder durch deine eigenen Augen siehst. Wer hier vor Ort war, hat sich nicht die Frage gestellt, woher er die Kraft nimmt, um zu helfen. Die Kraft war einfach da! Doch natürlich bestärkt es uns, zu spüren, wie dankbar die Menschen sind. Ein besonders schöner Moment war, als uns eine Lieferung mit selbstgebackenen Kuchen aus einem Altenheim in Köln als Dankeschön für unseren Einsatz erreichte. Der Kontakt kam über meine Kollegin Ute Schoormann, Inhaberin von K3 Services, zustande, die sich ebenfalls von Anfang an bedingungslos für die Betroffenen einsetzte – genau wie die Kölner Eventmanagerin Ellen Kamrad und zahlreiche weitere Eventprofis. Ganz besonders stark gemacht hat sich auch Erik Meyers, Inhaber des Zeltverleihs meventa. Er war einer der ersten vor Ort und ist nun einer der letzten, der Ende September – wortwörtlich – die Zelte abbricht.
Auch wenn wir unsere Lager vor Ort nun langsam abgebaut haben, sind wir für Notfälle noch immer erreichbar. So schlimm die Katastrophe ist, sie hat uns alle noch enger zusammengerückt. Und vor allem beweist sie, wozu die Eventbranche in der Lage ist: aus dem Nichts das Größtmögliche zu bewegen!“