Artistenschule – Manege frei für die Newcomer
Ein Langzeit-Experiment: showcases begleitet im nunmehr vierten Jahr Schüler der Staatlichen Schule für Artistik Berlin. Diese bietet ihren Schülerinnen und Schülern eine neunjährige professionelle Ausbildung mit dem Abschluss „Staatlich geprüfte/r Artist/in“ in Verbindung mit verschiedenen Modellen schulischer Bildung einschließlich des Abiturs. Luzie und Tim stellten sich vor kurzem den showcases-Fragen im Interview. Und die Dritte im Bunde? „Emily ist nicht mehr auf unserer Artistenschule, da sie den Spaß an der Artistik verloren hat“, weiß Tim zu berichten.
Was waren die Gründe dafür, dass du dich an der Staatlichen Schule für Artistik beworben hast?
Luzie: Ich habe schon 7 Jahre lang geturnt, bevor ich mich an der Artistenschule beworben habe. In dieser Schule habe ich eine große Chance gesehen.
Tim: Früher war ich Turner im SC Potsdam. Dann, als ich zehn war, musste ich nach Cottbus wechseln, um weiter trainieren zu dürfen. Da das leider nicht hingehauen hat, bin ich durch meine Schwester auf die Staatliche Artistenschule Berlin gekommen, weil sie in der Ballettabteilung tätig war. Dann hab mich dort beworben und wurde aufgenommen.
Welche Erinnerungen hast du an den Tag der Aufnahmeprüfung? Und in welchem Ausbildungsjahr bist du heute?
Luzie: Wir mussten eine Übung zeigen, das weiß ich noch ganz genau. Als wir mit der Prüfung fertig waren, mussten wir circa eine Stunde warten und dann wurde uns gesagt, ob wir weiter sind oder nicht. Als meinen Eltern und mir gesagt wurde, dass ich auf der Artistenschule aufgenommen wurde, haben wir uns total gefreut, doch meine Mutter war etwas traurig, denn sie wusste jetzt, dass ich ins Internat gehe. Ich bin jetzt im 5. Ausbildungsjahr.
Tim: Ich war damals selbstverständlich aufgeregt, weil das alles noch so neu war. Aber alle Personen dort waren nett und es ist ja alles gut gelaufen. Außerdem hab ich an dem Tag schon neue Freunde kennen gelernt. Deswegen hab ich nur noch gute Erinnerungen. Als ich damals aufgenommen wurde, war ich in der ‘A1’, also 5. Klasse. Jetzt bin ich in der 9. Klasse, also ‘A5’. Das ist dann das 5. Ausbildungsjahr.
Wie würdest du dich in ein paar Worten beschreiben?
Luzie: Ich bin 15 Jahre alt, sportlich, und mir wird immer gesagt, dass ich sehr verantwortungsbewusst bin.
Tim: Ich bin jetzt 14 Jahre alt, bin deutlich größer als damals und sportlich. Meine Hobbys sind zurzeit sportliche Aktivitäten wie Longboard oder Snowboard fahren. Ich habe leider nicht so viele Hobbys, weil ich von jedem so ein bisschen mache: Serien gucken, manchmal angeln…
Was sollte jemand wissen oder „mitbringen“, der sich für die Ausbildung an deiner Artistenschule interessiert?
Luzie: Man sollte ein gewisses Talent mitbringen und man sollte sich im Klaren sein, dass der Schultag sehr lang und hart ist.
Tim: Wenn sich jemand an der Artistenschule bewirbt, braucht diese Person nicht unbedingt Erfahrung im Artistik haben, muss aber zumindest das, was auf dem Zettel steht, den man bekommt, können. Er sollte ein gutes Durchhaltevermögen haben und niemals aufgeben. Es gibt Zeiten, in denen man gar keine Lust auf Training hat, oft eben auch schon. Man darf einfach nur nicht aufgeben. Man hat auf jeden Fall nur Vorteile, wenn man vorher schon Sport gemacht hat, aber es ist auch ohne das möglich, aufgenommen zu werden.
Wie sieht – zusammengefasst – ein typischer Tagesablauf für dich aus?
Luzie: Wir haben eigentlich immer im Wechsel Unterricht und Sport.
Tim: Morgens um 7.00 Uhr stehe ich auf, mach mich fertig und gehe in die Mensa frühstücken, verbringe den ganzen Tag abwechselnd mit Training und Schule. Am späten Nachmittag, so durchschnittlich 16.00, habe ich Schluss und verbringe meine Zeit im Internat. Um ungefähr 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr gehe ich dann schlafen.
Wie motivierst du dich?
Luzie: Ich weiß, dass ich immer, egal, was ich mache, zu meinem Ziel komme und ich einfach nur Geduld brauche.
Tim: Ich brauche eigentlich selten Motivierung. Wahrscheinlich motiviere ich mich unbewusst, indem ich mich aufs Wochenende freue. Ich denke bei den Fächern, die mir nicht so viel Spaß machen, daran, was ich danach habe oder was ich dann in meiner Freizeit mache…
Was macht dir in der Ausbildung am meisten Spaß?
Luzie: Dass man fast jeden Tag was Neues lernt.
Tim: Am meisten Spaß macht mir auf jeden Fall das Training, weil ich ja deswegen hier bin. Aber ich habe auch nichts gegen Theorieunterricht. Am Training macht mir Spaß, dass ich Sport mache und dass ich nicht so viel darauf achten muss, leise zu sein.
Welche Rolle spielt für dich Angst? Was sind deine Grenzen?
Luzie: Man darf keine Angst beim Sport haben, man darf Respekt vor etwas haben, mehr aber auch nicht. Ich mach nur Sachen, die ich mir selbst und meine Trainerin mir zutraut.
Tim: Angst spielt für mich leider, leider, leider eine relativ große Rolle. Dadurch bin ich langsamer darin, neue Tricks schnell zu lernen. Ich würde nicht sagen, dass ich ein ‘Angsthase’ bin, der sich überhaupt nichts traut, ich trau mich schon vieles, doch nicht alles sofort oder manchmal auch gar nicht. Meine Grenzen sind da, wenn ich schon von vornherein weiß, dass es für mich unmöglich ist, diesen Trick zu schaffen, ohne ihn vorher probiert zu haben. Man kann alles schaffen, wenn man sich darauf vorbereitet und sich dementsprechend fühlt.
Welche Fähigkeiten würdest du gern noch erlernen?
Luzie: Ich möchte irgendwann mal so richtig frei sein können auf der Bühne.
Tim: Wenn mit Fähigkeiten gemeint ist, zum Beispiel nicht ängstlich zu sein, dann würde ich gern lernen, Techniken von Sprüngen besser zu können und in dem Falle auch mutiger zu sein.
Was bedeutet Glück für dich?
Luzie: Ich bin glücklich, wenn ich etwas richtig gut hinbekommen habe, was noch nie so richtig funktioniert hat.
Tim: Ich habe keine so richtige Definition von Glück für mich. Ich hab Glück, wenn ich später viel von Veranstaltern gebucht werde und viele internationale Auftritte habe.
Welche Vorbilder und Einflüsse hast du außerhalb der Schule?
Luzie: Es gibt keine bestimmte Person, aber wenn ich mir Videos oder Shows angucke und etwas ganz besonders schön finde, hab ich großen Respekt vor den Personen.
Tim: Da ich mit BMX absolvieren möchte, also der Fahrradkunst, ist Frank Wolf ein Vorbild für mich. Er ist ein erfolgreicher Artist auf dem BMX.
Was machst du gern in deiner Freizeit?
Luzie: Ich treffe mich gern mit Freunden, klingt vielleicht komisch, aber ich backe sehr gern, und Sport geht auch immer.
Tim: In meiner Freizeit bin ich meistens erschöpft. Deswegen mache ich nur ruhige Aktivitäten, wie am Computer sitzen und mit Freunden zu quatschen, nichts sonderlich Großartiges.
Gibt es einen Ort, an dem du gern auftreten würdest?
Luzie: Ich möchte gern in Varietés arbeiten.
Tim: Ich würde gerne mal im ‘Circus Monte Carlo’ auftreten, weil dort sehr viele gute Artisten auftreten und es schon eine Ehre für mich wäre, dort auftreten zu dürfen.
Kannst du sagen, inwieweit dich deine Ausbildung in den Jahren verändert hat?
Luzie: Ich bin selbstbewusster geworden.
Tim: Meine Ausbildung hat tatsächlich sehr viel verändert. In der A1 war ich in der Grundausbildung. Das heißt, dass es noch keine richtige Artistik ist, sondern Kraftaufbau, Haltungsübungen usw. Da ich vorher jedoch beim Turnen war, war das für mich keine Herausforderung. Im Gegenteil: Ich habe mich leider ein bisschen verschlechtert. Jetzt bin ich aber in der 9. Klasse. Hier beginnt die Vorspezialisierung, also wirklich Artistik. Und ich glaube, dass ich jetzt schon mindestens wieder auf dem gleichen Stand bin wie früher. Vorspezialisierung bedeutet, dass wir jetzt an Requisiten trainieren und bei unserer LEK (Lern-Erfolgs-Kontrolle) alle zugucken dürfen, was vorher verboten war.
Was sind deine Träume für die Zukunft?
Luzie: Dass ich die Ausbildung schaffe und wenn ich sie geschafft habe, will ich natürlich so lange wie möglich als Artistin arbeiten.
Tim: Meine Träume sind, dass ich viel Erfolg in meiner Artistikkarriere habe und viel gebucht werde!!! 😉