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Eventbranche in der (Corona-)Krise

Das Corona-Virus stellt derzeit das gesamte öffentliche Leben in Deutschland und vielen Ländern der Welt auf den Kopf. Seit Ende Februar, Anfang März werden Messen und andere Großveranstaltungen abgesagt, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Seit Mitte März werden auch Theaterveranstaltungen, Vereinsversammlungen und kleine Konzerte ausgesetzt. Was für die Gesundheit der Menschen richtig und wichtig erscheinen mag, stellt eine ganze Branche auf eine harte Probe. Mangels vergleichbarer Situationen ist für viele das Ausmaß der Folgen noch nicht absehbar.

Wenn eine Messe abgesagt wird, bleiben nicht nur Eintrittsgelder der Besucher aus. Wichtige Geschäfte und Kundenkontakte können nicht geknüpft werden, Aussteller bleiben auf bereits entstandenen Kosten für Planung und Vorbereitung, Transport, Aufbau, Unterbringung der Mitarbeiter und vieles mehr sitzen. Und meist hängen daran gleich noch eine ganze Reihe von Unterauftragnehmern wie Messebauer, Techniker, Hostessen, Künstler, häufig Kleinunternehmer und Freelancer, die womöglich nicht mehr bezahlt werden. Auch Gastronomie und Hotelbetriebe ächzen unter den Stornierungen. Ähnlich verhält es sich, wenn größere Konzerte oder Festivals abgesagt werden müssen.

Versicherungen greifen in vielen Fällen nicht

Genau für solche Fälle gibt es Versicherungen, die größere Schäden für Veranstalter abmildern oder übernehmen. Doch Versicherungsmakler Matthias Glesel von Event Assec verpasst im Fall von Corona Veranstaltern einen herben Dämpfer: „Nur eine Ausfallversicherung mit Pandemie-Einschluss beziehungsweise bei Caterern und Lebensmittelherstellern die Betriebsschließungsversicherung, würden hier leisten“, stellt er im Interview mit memo-media klar. Voraussetzung sei je nach Klausel eine behördliche Maßnahme oder zumindest eine behördliche Empfehlung. Solche Versicherungen sind laut dem Versicherungsmakler derzeit nicht mehr abzuschließen. Einzig im Bereich der Lebensmittelhersteller habe er noch von Ausnahmen gehört.

Und noch etwas ist für Veranstalter wichtig, betont Glesel: „Wird freiwillig ohne behördliche Maßnahme abgesagt, bleiben alle Verträge in Kraft und alle Zahlungs- und Leistungsversprechen zu erfüllen. Auf höhere Gewalt kann sich nicht berufen werden. Eine Vorsichtsmaßnahme entbindet den Veranstalter nicht von seiner Durchführungspflicht.“ Das bedeutet, vor allem bei den Veranstaltungen, die zu Beginn der Corona-Epidemie als reine Vorsichtsmaßnahme abgesagt wurden, haben Unterauftragnehmer theoretische Chancen, ihr Geld zu bekommen. „Es sind Mieten, Aufträge, Eventdienstleister, gebuchte Künstler etc. zu bezahlen“, so Glesel.

Matthias Glesel von Event Assec erklärt die Bedeutung von höherer Gewalt für die Veranstaltungsbrache.

Matthias Glesel von Event Assec erklärt die Bedeutung von höherer Gewalt für die Veranstaltungsbrache.

Corona ist ein Fall von Höherer Gewalt

Anders verhält es sich mit Events, die auf eine behördliche Anordnung hin abgesagt werden müssen. „Besteht dann wenigstens eine Ausfallversicherung mit (sehr seltener) Pandemie-Einschlussklausel, wäre der Versicherer in der Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten (Messeveranstalter, Eventagentur,Vermieter, Dienstleister)“, erklärt Versicherungsmakler Glesel gegenüber memo-media, verweist aber auf einen weiteren Passus, der bei Corona greifen könnte: Höhere Gewalt: „War eine solche Situation nicht absehbar und mit ordentlicher Sorgfalt nicht einkalkulierbar, dann könnte es jetzt um Höhere Gewalt gehen“, sagt er. Damit seien sowohl Veranstalter als auch Versicherer von ihren Verträgen entbunden. Das sieht auch Rechtsanwalt Thomas Waetke so: „Das Besondere der Höheren Gewalt ist ja gerade, dass niemand haftet – denn diese Gewalt kommt plötzlich und unvorhersehbar, ohne dass die Vertragspartner auf sie hätten Einfluss nehmen können“, erklärt er gegenüber memo-media.

Der Spezialist für Eventrecht beschäftigt sich nun damit, welche praktischen Folgen das für die Betroffenen hat. Allein in den vergangenen Tagen führte er „hunderte von Beratungen“. Besonders betroffen sind nach Waetkes Erfahrung Veranstalter und Kunden, die sich aufgrund „ungeschickter oder zweideutiger Formulierungen“ in den Verträgen noch weitere Unsicherheit aufgebürdet haben. Er rät deshalb dazu, Verträge und AGBs für die Zukunft zu überarbeiten: „Dieser Virus war nicht der letzte Virus, und es gibt auch noch andere Fälle der Höheren Gewalt. Mit ordentlichen – alleine schon eindeutig formulierten – Verträgen und Vereinbarungen kann man sich viel Ärger vom Hals halten“, erklärt er.

„Miteinander reden“

Für die aktuelle Situation rät Waetke betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen vor allem eines: „Miteinander reden, am besten ohne Anwälte.“ Zwar sei es nicht verkehrt, sich von einem Anwalt beraten zu lassen. „Aber ein ehrliches Gespräch unter Kaufleuten hat noch selten geschadet“, erklärt er. Auch im Beispiel eines Kunden konnten sich die Parteien in einem direkten Telefonat einigen. „Das spart Geld, Zeit und Nerven.“ Denn: Was ein Auftraggeber bei einer abgesagten Veranstaltung an Unterauftragnehmer bezahlen muss, hängt meist vom Einzelfall ab. Bei höherer Gewalt wie dem aktuellen staatlich angeordneten Versammlungsverbot gilt die gesetzliche Rechtsfolge: „Der Vertrag wird rückabgewickelt, die Vertragspartner sind so zu stellen, als ob sie sich nicht gesehen hätten.“ Dennoch wundert er sich, über Vertragspartner, die „erstaunlich brachial ihre angeblichen Forderungen durchzusetzen versuchen.“ In vielen Fällen fänden die Vertragspartner gute Lösungen, sagt Waetke. „Aber leider in vielen anderen Fällen wird keinerlei Rücksicht genommen – egal ob auf die finanzielle Lage oder auch andere Argumente.“

Doch was ist mit Veranstaltungen, die nach dem bisherigen Ende der Maßnahmen Mitte April stattfinden? „Das ist eine knifflige Situation: Ich empfehle in jedem Fall eine offene, transparente und ehrliche Kommunikation“, sagt der Rechtsanwalt. „Wer heute behauptet, er sei sich sicher, dass sein Event im Mai oder Juli stattfindet, hat vermutlich das Thema nicht verstanden. Da verärgert man sicherlich auch seine Dienstleister und Veranstaltungsteilnehmer.“ Juristisch spreche einiges dafür, dass man ein Event auch über die aktuellen Maßnahmen hinaus vorsorglich mit Verweis auf Höhere Gewalt absagen könne, ohne dass man zu Schadenersatz verpflichtet sei.

Doch der Passus Höhere Gewalt habe auch Grenzen, warnt Waetke, beispielsweise bei Verträgen die jetzt für Veranstaltungen im Winter geschlossen werden. Es könne ja passieren, dass es im Winter wieder zu Verboten kommt. „Ist dann die Höhere Gewalt in Gestalt eines solchen Verbotes aber juristisch immer noch „unvorhersehbar“? Dazu sollte man im Vertrag eine Lösung finden, sonst steht man im Winter vor dem nächsten, vermeidbaren Problem.“

Staatliche Hilfe wird nicht jeden retten

Wer aktuell in wirtschaftliche Schieflage gerät, für den gibt es staatliche Hilfsprogramme, die derzeit im Hauruckverfahren aus dem Boden gestampft werden. „Man mag über deren Effizienz streiten“, räumt Waetke ein. „Aber man muss bedenken, dass auch der Staat und seine Organe von der Pandemie überrollt wurden und dort Menschen sitzen, die ohne Blaupausen und Erfahrungswerte in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen sollen, von dem niemand weiß, wie es genau funktioniert.“ Für eine gute Hilfe hält er beispielsweise, dass die kurze Insolvenzantragsfrist bis Ende September ausgesetzt wurde. „Das heißt, hier hat man den Geschäftsinhabern einen wichtigen Spielraum geschaffen und belassen.“

Der Rechtsanwalt glaubt, dass die Krise sich auf künftige Verträge mit Klauseln zu Vorkasse, Storno-Bedingungen und Höherer Gewalt auswirken wird. „Das heißt, man muss umso mehr aufpassen, was man unterschreibt“, warnt Waetke. Doch er sieht das auch als Chance, aus der Situation zu lernen und sich für Extremfälle zu wappnen. „Viele Diskussionen und Unsicherheiten sind vermeidbar, wenn man das vorher vereinbart und regelt“, sagt er. „Ich kenne genug Mandanten, die früher keinen Vertrag oder keine AGB haben wollten, weil das „zu viel Text“ sei. Und jetzt wären sie um jeden Buchstaben froh gewesen, der für Klarheit hätte sorgen können.“

Zum Abschluss schlägt der Rechtsexperte beinahe melancholische Töne an: „Die zurzeit hoch gehaltene Solidarität hört hoffentlich nicht auf, wenn die Krise aufhört. Und hoffentlich erinnert man sich an diejenigen Vertragspartner, die damals wenig Ärger gemacht haben, zurückgesteckt haben, kompromissbereit waren und macht neue Deals mit ihnen.“