Urbanscreen im Revier
Der Gasometer in Oberhausen ist ein beliebter Ort. Mit fast 120 Metern Höhe reckt er sich in den Himmel des Ruhrgebietes. 350 000 Kubikmeter umbauten Raumes wollen bespielt werden. Das Industriedenkmal ist seit 1994 der Ort für außergewöhnliche Ausstellungen. Die ziehen ein großes Publikum, auch wenn sie Kunst sind.
Christo, der Einpacker, war schon zweimal da.
2003 wurde die Ruhrtriennale mit einer gigantischen Videoinstallation von Bill Viola eröffnet. „Five Angels for the Millennium“ lockte fast 140.000 Besucher. Die Projektionen waren so gigantisch, wie die Wirkung. Die neusten, leistungsstärksten Projektoren von Barco kamen dafür zum Einsatz. Man erreichte jeweils bis zu 18.000 ANSI-Lumen für die fünf gigantischen Bilder. Das war damals auch technisch State of the Art.
“Der schöne Schein”
2014 besticht dieser Moby Dick des Industriezeitalters wiederum mit einer Videoinstallation. Wie Jonas wird man von dem Ungetüm verschlungen. Man begegnet in den unteren Etagen einem Disneyworld der Kunst: „Der schöne Schein“. Großfotografien und Abgüsse der prominenten Weltkunst sind hier versammelt. Das reicht von der Venus von Willendorf bis zu Sandro Botticellis „Geburt“ der selbigen in der Muschel. Von der „Mona Lisa“ bis zu van Goghs Sternenspiralen. Schön aber nicht wirklich erheblich. Die Zeitgenossenschaft ist in den oberen Teil des Bauwerks in ein einziges Werk verbannt. Und dort wird es dann wirklich spannend.
180 Meter Bildbreite
In „320°“ wird eine einfaches – mit 180 Metern Bildbreite wahrlich großes – Feuerwerk auf die Augen der Betrachter abgefeuert. Urbanscreen aus Bremen spielen mit der Entwicklung des Punktes zur Linie, der anschließenden Ausdehnung zu Fläche, der gewölbten Fläche und damit zum Binnenraum und Körper. Was simpel klingt, wird ob der Dimensionen zum gelungenen Spektakel. Die Zuschauer können, auf Kissen ruhend, ihren Blick ins Oben richten und den Lichtspielen Weiß auf Schwarz folgen.
Das Künstlerkollektiv mag ungewöhnliche Architektur. Durch ihre Video-Bespielung des markanten Sydneyer Opernhauses sind sie bekannt geworden.
21 parallele Ausspielwege
Wie Manuel Engels für das Kollektiv erklärt, erfolgte die Produktion der Inhalte mit Adobe Palette und wurde in Bremen, wo man eigens ein Fünfmetermodell vom Gasometer konstruierte, via Wings Vioso von AV Stumpfl final komponiert. Die letztliche Einrichtung mit Keystoning (Trapezkorrektur) und Kalibrierung wurde auf einem System mit 21 parallelen Ausspielwegen erzeugt.
Jeder der 21 Bild- bzw. Projektionskanäle wurde dann auf einen V-Man Player aufgespielt. Diese wiederum laufen im synchronisierten Netzwerkverbund. Jeder V-Player bedient dabei seinen eigenen Epson-Projektor aus der Z-Serie mit 10.000 ANSI-Lumen. Der technische Aufwand hat sich gelohnt. Die eingesetzte Materialschlacht tritt hinter die kontemplative Wirkung zurück. Dazu trägt der eigene Soundtrack bei.
Anderthalb Jahre Vorbereitung
Durch den Abbau des „Big Air Package“ von Christo verblieben netto ca. 2,5 Monate für Aufbau und Einrichtung. Durch die gute Planung der Medieningenieure waren Urbanscreen aber rund vier Wochen vor dem Start nahezu fertig. Es blieb Zeit für inhaltliche Anpassungsarbeiten und Justagen. Insgesamt umfassten die Projektläufe anderthalb Jahre ab der Präsentation des Konzeptes und des erfolgreichen ersten Tests mit einem Projektor.
Auf technischer Seite unterstütze Intermediate Engineering aus Hamburg das Kollektiv. Neben der eigentlichen Projektionstechnik haben diese auch die Kanzel- und Stromplanung durchgeführt und deren Produktion begleitet. Projektpartner war Epson Deutschland. Leica Geosystems half mit einem exakten Laserscan des Innenraumes. Erforderlich war zudem eine Verdunklung des Innenraumes, eine Abschottung vom Ausstellungsraum auf der zweiten Ebene und eine zusätzliche Abschottung des Daches.
Transformation von Gebäuden von Objekten in Subjekte
Urbanscreen geht es um die Transformation von Gebäuden von Objekten in Subjekte. Das Gebäude selbst erzählt dann seine jeweilige Geschichte. Das machen sie in Zukunft weiter international. Die nächsten Projekte sind zwar kleiner, finden aber im Libanon, in den USA, Korea oder Taiwan statt.
Anschauen!
“Der schöne Schein” ist noch bis zum 30. Dezember 2014 geöffnet und zwar jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, außerderm an Feiertagen sowie während der Ferien in NRW auch montags ebenfalls von 10 bis 18 Uhr.
Erwachsene zahlen 9 EUR, ermäßigt 6 EUR, Schüler und Lehrer im Klassenverband 3,50 EUR, Familienkarte (2 Erwachsene und max. 5 Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren) 20 EUR.
Tickets kann man online bestellen.