Birk Sander: Stuntman und -berater für Film- und Fernsehproduktionen
Das sieht Birk Sander ähnlich: Erst stiftet er die Leute dazu an, sich bei Minusgraden in einem See zu prügeln, dann hängt er seinen Widersacher an den Füßen an der Decke auf. Wir freuen uns trotzdem wie verrückt, als wir den 43-Jährigen in seiner Heimatstadt Freiburg zum Interview treffen. Denn unser Gegenüber ist kein streitsüchtiger Rowdy, sondern gelernter Stuntman, und die Prügelei im See eine von ihm choreographierte Szene aus dem Schwabenkrimi „Trash Detective“ mit Rudolph Waldemar Brem, der im Februar 2016 in die Kinos kommt.
Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen, zu fragen: Was war Dein gefährlichster Stunt? Hast Du schon mal gebrannt? Bist du schon mal ohne Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen? Wie oft warst Du im Krankenhaus? Wir wollen unseren Gesprächspartner aber nicht gleich mit unserer Neugier überrollen und entscheiden uns für eine harmlose Frage zum Einstieg: „Kannst Du uns beibringen, mit unserem Auto auf zwei Rädern zu fahren?“ Birk Sander lacht: „Dafür bräuchten wir ein spezielles Trainingsgelände und viel Zeit, aber wir könnten ja mal mit einem Treppensturz anfangen.“
Birk Sander schult auch Schauspieler für Stunteinlagen
Wir schauen uns in dem Café um und sehen nur zwei Stufen, die hoch zur Theke führen. Nein, da würden wir uns vor all den Leuten nur lächerlich machen. „Aber genau so fängt man an, so etwas zu üben“, sagt Birk Sander, der sich mit seiner Stunt-Produktionsfirma Sander-Stunts auf die Zusammenarbeit mit Film- und Fernsehstudios, Schauspielhäusern und Musicalproduktionen spezialisiert hat. Einmal, erzählt er, habe er dem Hauptdarsteller eines Theaterstücks beibringen sollen, eine Treppe herunterzufallen. „Das Bühnenbild bestand nur aus einer einzigen, riesigen Treppe, der Schauspieler war nicht unbedingt sportlich und wir hatten nur drei Wochen Zeit.“ Also verschrieb Birk Sander seinem Schüler ein intensives Workout, um Körpergefühl und Muskelkraft aufzubauen, und begann gleichzeitig, ihm von der ersten Stufe ab die richtige Sturztechnik zu vermitteln. „Als ich bei der Premiere im Publikum saß und der Hauptdarsteller plötzlich von ganz oben herunterfiel, bin ich selbst erschrocken. Er hat es super professionell umgesetzt!“
Auch wenn Birk Sander und sein Team häufig als Sicherheitsberater für die heiklen Szenen verpflichtet werden, dürfen sie sich oft genug auch selbst der Gefahr aussetzen. „Wir lassen uns anzünden, springen Geröllfelder herunter, fallen vom Motorrad oder von Hausdächern und drehen Verfolgungsjagden mit dem Auto. Früher habe ich auch Überschläge mit dem Auto gemacht, aber da wir bei unserem Firmensitz in Homberg an der Saar kein geeignetes Trainingsgelände haben, machen wir das nicht mehr.“
Die Gefahr ist für einen Stuntman eine Lebenseinstellung
Die Begeisterung dafür sei schon seit frühester Jugend dagewesen. „Ich konnte früh Skifahren und Klettern, habe viel Extremsport gemacht und hatte eigentlich schon immer den Traum, Stuntman zu werden. Irgendwann fängt man an, zu üben, wie man vom Rad fällt, oder wie man sich anzündet und der Rest kommt dann von alleine. Das ist eine Lebenseinstellung.“
Umso schwerer fällt es zu glauben, dass sich Birk Sander trotz seines gefährlichen Berufs bisher noch nie schlimm verletzt hat: „Das Risiko ist immer kalkuliert. Wir trainieren fast täglich, haben ein ganzes Team, das uns sichert, und kennen unsere Grenzen. Blaue Flecken und Kratzer gehören dazu, aber im Krankenhaus will niemand von uns landen.“ Deshalb nimmt er auch nicht jeden Auftrag an. „Wir hatten mal die Anfrage eines Forschungszentrums, einen speziellen Motorradunfall zu simulieren, der im Straßenverkehr fast immer tödlich ausgeht, aber da haben wir abgelehnt.“ Die Dreharbeiten zur ARD-Kinderserie “Tiere bis unters Dach”, wegen denen Birk Sander beruflich häufiger in seiner Heimatstadt Freiburg weilt, sind da schon deutlich weniger nervenaufreibend.
Leider ist das Treffen mit Birk Sander viel zu schnell vorbei. Aber es war unglaublich interessant, einen Blick in den Arbeitsalltag eines Stuntmans werfen zu dürfen. Beim Verlassen des Cafés schauen wir noch mal hinüber zu den beiden Stufen. Zuhause werden wir diesen „Stunt“ ganz sicher mal wagen – aber nur, wenn niemand zuschaut.