SPANNENDE AUSSICHTEN – Der Techniktalk der Eventbranche
Technik ist das Rückgrat aller Events.
Die Entwicklungen prägen das Erscheinungsbild und damit die Emotionen der Gäste maßgebend. Wir befragten die Brancheninsider Hendrik Coers, Geschäftsführer des Dienstleisters Aventem bei Düsseldorf, Tobias Hagel, CEO des »Open Beatz«-Festivals, die Eventregisseurin Nicole Leu und Sebastian Schäffler, CEO von B&B Eventtechnik GmbH + B&B digital GmbH und der Betreiber der Hybrid-Location Gate22 in Filderstadt. Es geht um den heutigen Standard, Entwicklungen und die Aussichten auf KI und immersive Erlebnisse. Die Zukunft ist spannend.
Was ist heute in der Showtechnik State of the Art?
Nicole Leu: Der aktuelle Weg der Technik ist sicherlich eine immer weiter fortschreitende Digitalisierung in allen Bereichen. Video, Ton und Lichttechnik sind heute schon weitestgehend digital und werden schon vielfach über das Tablet oder Handy gesteuert. Darauf wird es hinauslaufen. Einige Prozesse können automatisiert werden und dann im Showablauf bequem gefahren werden. Es macht also Sinn, hier auf Digitalisierung zu setzen. Voraussetzung dafür ist aber immer auch eine stabile Internetverbindung! Interessant finde ich den Einsatz von Tools zur Barrierefreiheit, also die Erstellung von Echtzeit-Untertiteln, Gebärdendolmetscher sowie Live-Übersetzungstechnologien für internationale Veranstaltungen. Auch die Entwicklung beim Thema AR (Augmented Reality) und AR-Brillen für personalisierte Erlebnisse und die Vermittlung von Veranstaltungsinhalten wie bei Workshops finden vermehrten Einsatz.
Hendrik Coers: Neben der allgemeinen Evolution des technischen Equipments stellen in meinen Augen immersive Räume und Erlebnisse sowie interaktive Installationen den aktuellen Trend dar. Wir haben mit transluzenten Screens und transparenten LED-Flächen ein architektonisches Stilmittel, um in verschiedenen Ebenen Informationen zu transportieren und räumliche Erlebnisse zu schaffen. In Kombination mit den modernen kinetischen Installationen ergeben sich so stetig wandelbare Umgebungen, die dem Gast einmalige Erlebnisse bieten.
Tobias Hagel: Die Showtechnik hat sich enorm weiterentwickelt. Hochauflösende LED-Wände, Laser-Mapping und kinetische Lichteffekte sorgen für intensivere Erlebnisse. 3D-Visuals und Holografie kommen immer häufiger zum Einsatz. Auch Sound ist präziser: 360-Grad-Audio- und innovative Bass-Technologien sorgen für ein intensiveres Hörerlebnis und nicht nur ein Dröhnen. KIgesteuerte Synchronisation verbindet Licht, Visuals und Sound in Echtzeit. Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein großes Thema: Viele Festivals setzen auf energieeffiziente Technik und wenn möglich grüne Stromquellen.
Sebastian Schäffler: Ich denke, hierfür muss man zwischen verschiedenen Anwendungsfeldern unterscheiden. Bei einem Corporate Event ist ganz anderes Equipment »State of the Art« als bei einem Livekonzert. Im Bereich von Corporate Events kommt man an kreativen LED-Lösungen, die gleichzeitig die Bühne oder Szenenfläche gestalten, nicht mehr vorbei. Bei der Lichttechnik ist ein Großteil der Lampen für den Ambientebereich akkubetrieben und per Wireless DMX ansteuerbar. Große, wuchtige Beschallungssysteme sind häufig kleineren, schlanken Systemen gewichen.
Bietet heutige Veranstaltungstechnik noch genügend Spielraum für Kreativität oder ist sie zu dominant geworden?
HC: Dies ist aus meiner Sicht eine Frage der Herangehensweise an ein Projekt. Wir erhalten häufig die Anforderung, einen technischen Eyecatcher zu installieren, was aus meiner Sicht nur in Verbindung mit dem Produkt oder der Kommunikation funktioniert. Die Veranstaltungstechnik darf keinen Selbstzweck darstellen, sondern muss Werkzeug für die Inszenierung sein und die Kommunikation und Emotionen der Gäste verstärken.
TH: Technik ist ein Werkzeug – die Kreativität der Macher entscheidet, wie sie eingesetzt wird. Einerseits eröffnen moderne Tools völlig neue Möglichkeiten, andererseits kann zu viel Technik das eigentliche Event überlagern. Entscheidend ist ein ausgewogenes Zusammenspiel von Licht, Sound, Bühnenbild und Atmosphäre. Gute Shows nutzen Technik gezielt, um Emotionen zu verstärken, statt sich in den Vordergrund zu drängen.
SS: Neue Produkte im Bereich der Veranstaltungstechnik ermöglichen auch eine größere Vielfalt an Kreativität, deswegen würde ich nicht sagen, dass die Veranstaltungstechnik zu dominant geworden ist. Man sollte die Chancen nutzen, die sich durch die neuen Produkte ergeben.
NL: Die Fragen haben wir uns schon gestellt, als es eine Zäsur von analogen zu digitalen Pulten gab. Auch das war zu Anfang eine große Umstellung und für den einen oder anderen eine große Überwindung. Heute sind digitale Pulte eine Selbstverständlichkeit. Wichtig sind entsprechende Schulungen und Anpassung der Lehrinhalte, um mit der Geschwindigkeit der Entwicklung Schritt zu halten. Ich glaube, dass die Technik die Kreativität eher unterstützt. Wenn Technik für mehr Effizienz, Entlastung und schnelleres Arbeiten sorgt, bleibt mehr Raum für Kreativität.
Wohin wird KI die Veranstaltungsbranche führen?
SS: Es ist definitiv wichtig, sich mit KI zu beschäftigen und eine eigene Strategie für die Firma dazu zu entwickeln. Zum einen ergibt sich das aus dem AI Act der Europäischen Union, aber auch aus den Chancen, die die KI bietet und die man nutzen sollte. Ich persönlich denke, dass KI vor allem im Bereich der Effizienzsteigerung hilfreich eingesetzt werden kann. Das wäre dann für mich hauptsächlich im Vorfeld einer Veranstaltung, also bei der Organisation. Bei der Durchführung gibt es sicherlich auch Anwendungsfälle, wie zum Beispiel das Lenken von Besucherströmen oder das Teilnehmermanagement. In jedem Fall ist wichtig, KI zu verstehen, denn nur wer sie versteht, kann sie auch sinnvoll einsetzen.
HC: Hier stehen wir noch ganz am Anfang und wir durften bereits virtuelle Installationen mit Robotik und Veranstaltungstechnik unterstützen. Ich denke, dass wir hier speziell in den Bereichen der Simultanübersetzungen von Konferenzen und der Einbindung von interaktiven Elementen auf Messen noch bahnbrechende Innovationen erleben werden.
NL: Künstliche Intelligenz ist aus der Veranstaltungsbranche nicht mehr wegzudenken. KI ist in der Lage, viele Abläufe zu beschleunigen und zu automatisieren. Sie kann dazu genutzt werden, um visuell ansprechende Inhalte zu erstellen. Sprachmodelle oder Virtuelle Redner, Gesprächspartner können gezielt Inhalte transportieren. KI-Assistenten erstellen Reden und Präsentationen, Voraussetzung ist natürlich auch hier ein exaktes Briefing. KI-basierende Planungstools erleichtern die Veranstaltungsorganisation und helfen dabei, Zeit und Kosten zu sparen. KI ist, sinnvoll eingesetzt, ein Tool, das unseren Eventalltag erleichtern und bereichern kann.
TH: KI wird Shows individueller, interaktiver und effizienter machen. Algorithmen können Licht, Visuals und Musik in Echtzeit anpassen, um auf Publikum und Umgebung zu reagieren. Zudem optimiert KI die Logistik – von Ticketing bis Bühnenplanung. In Zukunft könnte KI auch kreativ mitgestalten – etwa in der Content-Generierung oder beim Live-Mixing. Trotzdem wird sie menschliche Kreativität nicht ersetzen, sondern erweitern. Wie wird sich der Markt in nächster Zeit entwickeln? Welche
Herausforderungen und Möglichkeiten gibt es? Wie entwickeln sich die Kosten?
TH: Die Branche wird weiter auf High-Tech und nachhaltige Lösungen setzen. Herausforderungen sind steigende Produktionskosten, Fachkräftemangel und die Balance zwischen Innovation und Budget. Technik wird leistungsfähiger, aber auch kostspieliger – dennoch könnten Effizienzsteigerungen und Automatisierung langfristig für Einsparungen sorgen.
SS: Der Trend geht aus unserer Sicht immer mehr zur ganzheitlichen Dienstleistung rund um die Veranstaltung. Agenturen und Endkunden wollen sich nicht mehr mit vielen unterschiedlichen Dienstleistern abstimmen und können davon profitieren, alles aus einer Hand zu erhalten. Das bedeutet, dass auch die Gewerke Messe-/Setbau sowie Mobiliar über einen Generaldienstleister bezogen werden. Eine Herausforderung dabei ist, dass sich aktuell abzeichnet, dass die Budgets kleiner werden. Das könnte dann zu einer Konsolidierung der Dienstleister im Markt führen. Vor ein bis zwei Jahrzehnten lag der Dienstleistungskostenanteil noch bei maximal 25 Prozent, heute sind 50 Prozent und mehr keine Seltenheit. Das kann zum einen daran liegen, dass sich die Arten der Events geändert haben und diese heute mehr Betreuung vor Ort benötigen, aber es liegt sicherlich auch an den deutlich gestiegenen Kosten für Personal. Gutes Personal ist aber einer der wichtigsten Faktoren für einen gelungenen Event, deswegen werden die Kosten sicherlich auch in Zukunft eher steigen als abnehmen.
HC: Wir haben heute schon ein Anforderungsprofil, welches erheblich mehr Technik als Standard impliziert als noch vor einigen Jahren. Aus meiner Sicht wird der Markt weiterwachsen und neue Bereiche erschließen, allerdings steigen die Produktionskosten stetig. Dies ist vornehmlich in den Kosten für Logistik, Personal und Nebenkosten begründet und nicht im Kern an der Miete für das technische Equipment.
NL: Während der Coronajahre wurden Veranstaltungen als Streaming-Veranstaltungen umgesetzt. Danach gab es dann wieder vermehrt Live-Veranstaltungen. Zukünftig wird es ein Mix geben von Live-Streaming und Hybrid-Veranstaltungen. Beispielsweise werden Hauptversammlungen aus Effektivitäts- und Kostengründen, aber auch aus Sicherheitsaspekten heraus vermehrt digital abgehalten werden. Auf Kundenseite werden schon seit einiger Zeit eigene Räume für Digitalveranstaltungen eingerichtet. Aber auch viele Locations bieten diese Möglichkeit an und stellen entsprechende technische Vorraussetzungen zur Verfügung. Die Herausforderung für die Branche wird es sein, mit der Schnelligkeit der Entwicklungen im technischen Bereich standzuhalten. Ich glaube aber, dass für neue Technologien und Tools für Effizienz und Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche auch Geld in die Hand genommen werden wird.