Kunst ohne Haltung

Kunst ohne Haltung ist keine – Comedians über ihr Metier

Kaum ein Genre boomt so auf Kleinkunstbühnen, in Arenen und auf der Mattscheibe wie Comedy. Kaum ein Sender, der etwas auf sich hält, der nicht eigene Comedyformate produziert. Comedy ist ernst zu nehmen. showcases fragte Vertreter:innen der witzigen Kunstgattung und Katharina Hoffmann, Hans-Joachim Heist und Marius Jung antworteten. Katharina Hoffmann ist erst spät von der »ernsthaften« Schauspielerei auf die Stand-up-Bühne gewechselt. Ist sie nun Comedienne, Kabarettistin, Schauspielerin, Moderatorin oder Frau oder gar Feministin? Eigentlich alles, nur etwas durcheinander gewürfelt, sagt sie von sich selbst. Hans-Joachim Heist ist einer der dienstältesten Comedians. Er ist seit vielen Jahren der perfekte Heinz-Erhardt-Impersonator. Unter vielem anderem. Denn er ist vielseitig und hat viele Programme gespielt. Der gelernte Schauspieler ist aber auch wieder auf der großen Theaterbühne zu Hause. Im Staatstheater Wiesbaden spielt er in »Die lustige Witwe«. Als Kommentator Gernot Hassknecht genießt er schließlich in der »heute-show« des ZDF Kultstatus. Marius Jung macht Stand-up, hat aber auch eine ernste Seite. Er ist Bestsellerautor, Moderator, Speaker und seine Expertise zu Rassismus ist geschätzt. Sein neuestes Buch »Wer wird denn da gleich schwarz sehen« geht Vorurteilen auf den Grund.

Welcher Unterschied besteht zwischen Kabarett und Comedy?

Marius Jung: Witzigerweise machen nur wir hier in Deutschland diesen Unterschied. Am Ende ist doch nur wichtig, ob es mich berührt und ob es für mich relevant ist, was da auf der Bühne erzählt wird.

Katharina Hoffmann: Comedy ist mit Katzen und Muschis, Kabarett ohne Katzen und Muschis.

Hans-Joachim Heist: Kabarett ist natürlich politischer als Comedy, aber ich habe den Eindruck, das verwässert in letzter Zeit etwas! Viele Comedians und Comediennes wollen politisch sein und einige Kabarettisten und Kabarettistinnen neigen sehr in Richtung Comedy.

Wie hat sich die Comedy in den letzten 20 Jahren entwickelt? Ist sie diverser geworden?

Katharina Hoffmann ist erst spät von der »ernsthaften« Schauspielerei auf die Stand-up-Bühne gewechselt.

Katharina Hoffmann ist erst spät von der »ernsthaften« Schauspielerei auf die Stand-up-Bühne gewechselt.

HJH: In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der Frauen in der Comedyszene erheblich vergrößert, und die Szene ist auch erfreulicherweise diverser geworden! Die Comedyszene ist in den letzten 20 Jahren insgesamt größer und vielseitiger geworden.

MJ: Es sind erheblich mehr Künstler:innen. Bis zur Corona-Zeit wurden es mehr und mehr offene Bühnen, wo sich die zum Teil auch sehr jungen Kolleg:innen ausprobieren konnten. Seit Beginn der Pandemie muss sich die gesamte Branche neu definieren, so mein Gefühl.

KH: Wenn mit »divers« mehr Migrationshintergrund gemeint ist, auf jeden Fall. Das ist fast ein Genre für sich. Lesben, Schwule und alle Zwischen- und Seitenableger davon wahrscheinlich eher nicht. Junge Frauen kriegen auf jeden Fall schnell eine Auftrittschance. Und auch für Ältere gibt es Interesse. Trotzdem stimmt das Verhältnis noch lange nicht. Und zu dem ewigen Vorwurf »Frauen sind seltener komisch« kann man nur sagen, dass es mehr ins Gewicht fällt, weil es überhaupt weniger Frauen gibt, die es machen. Männliche Comedians sind auch oft null komisch, das wird aber eher akzeptiert.

Wie haben sich die Auftrittsmöglichkeiten entwickelt?

MJ: Seit Beginn der Pandemie sind die Möglichkeiten für Auftritte zunächst völlig eingebrochen. Langsam erholt sich ein Teil der Branche, aber es ist kaum einzuschätzen, was publikumstechnisch funktioniert und was nicht.

Der gelernte Schauspieler Hans-Joachim Heist ist mittlerweile einer der dienstältesten Comedians.

Der gelernte Schauspieler Hans-Joachim Heist ist mittlerweile einer der dienstältesten Comedians.

KH: Mixed Shows gehen besser als Soloprogramme. Die jungen Stand-up-Shows und Open Mics, die nichts kosten, sind voll. Ansonsten muss man sehr bekannt sein, damit die Leute die Eintrittspreise zahlen.

HJH: Die Auftrittsmöglichkeiten für den Nachwuchs sind meines Erachtens besser geworden, da viele junge Comedians und Comediennes in der Corona-Zeit das Handtuch geworfen haben. Allgemein ist die Situation etwas schlechter, da auch einige Häuser in der Corona-Zeit schließen mussten.

Wie wichtig ist das Publikum?

KH: Das Publikum ist der Tanzpartner.

HJH: Das Publikum ist für alle Bühnenkünstler:innen sehr wichtig! Ein:e Künstler:in auf der Bühne ohne Publikum ist wie ein Fisch ohne Wasser!

MJ: Da zitiere ich mich selbst. Am Ende so mancher Show sagte ich: Ein besonderer Dank gilt euch, dem Publikum. Denn ohne euch hätte das heute Abend keinen Sinn ergeben.

»Ohne Publikum ist wie Backen ohne Mehl oder wie Ficken ohne Mann:Frau, Party ohne Musik, Saufen ohne Alkohol, Sommer ohne Sonne, Silvester ohne Raketen, Gassigehen ohne Hund, usw.«

Was geht und was geht nicht?

Marius Jung geht mit seinem neuestes Buch »Wer wird denn da gleich schwarz sehen« Vorurteilen auf den Grund.

Marius Jung geht mit seinem neuestes Buch »Wer wird denn da gleich schwarz sehen« Vorurteilen auf den Grund.

KH: Auf keinen Fall geht Antisemitismus. Da sollte man nicht mal in die Nähe kommen. Das ist in diesem Land aus gutem Grund ein Tabu und sollte es auch bleiben. Ansonsten sollte alles gehen. Den Shitstorm muss man dann allerdings aushalten.

HJH: Ich habe, was Satire betrifft, keine Schere im Kopf, aber bei Menschenverachtung und Intoleranz hört bei mir der Spaß auf!

MJ: Die alte Frage. Was darf gesagt werden? Ich finde eine klare Haltung wichtig. Kunst ohne Haltung ist für mich keine. Grundsätzlich geht alles, solange es nicht justiziabel wird. Provokation um der Provokation Willen halte ich für pubertär. Das ist nicht mutig und hat übrigens auch nichts mit Meinungsfreiheit zu tun.