Das „Indien-Experiment“ – Künstler auf der Suche nach Inspiration
Was Künstler nicht alles tun, um sich in ihre Rollen hineinzuversetzen: Julian Böhme und Pierre-Nicolai Scheffler vom Varieté-Duo klirr deluxe sind in Person ihrer Bühnencharaktere Ron und Salim zehn Tage lang kreuz und quer durch Indien gereist und dabei bis an ihre Grenzen gegangen. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Auf dem Rückflug hatten sie einen unglaublichen Reisebericht und lauter Ideen für ihr neues Bühnenprogramm im Gepäck.
Die wichtigste Regel, die die Künstler Julian Böhme und Pierre-Nicolai Scheffler im Vorfeld ihres „Indien Experiments“ aufgestellt hatten, lautete: Jeder muss über die vollen zehn Tage in seiner Rolle bleiben. Egal, was passiert. Und das ging schon am Hamburger Flughafen los. Pierre war also nicht mehr Pierre, sondern der überaus kontaktfreudige Halb-Inder Salim. Ein Fakir, stilecht mit orangenem Turban und perfektem indischen Akzent, der darauf brannte, seinem Freund Ron seine indische Heimat vorzustellen (die Pierre-Nicolai Scheffler selbst übrigens nie zuvor gesehen hatte). Ron hingegen trägt Hosenträger, ist penibel und ängstlich und ohne Besteck und Klopapier aufgeschmissen. Beste Voraussetzungen also für einen Trip ans andere Ende der Welt.
Mit Show und Moderation haben sich die Künstler klirr deluxe einen Namen gemacht
In den letzten Jahren haben sich Ron und Salim bereits mehrfach gemeinsam auf der Bühne bewiesen. Zum Programm der beiden sympathischen Allroundtalente gehören unter anderem Show und Moderation, Walk-Acts, Zauberei und vieles mehr. Doch mit dem „Indien-Experiment“ wollte das Künstler-Duo von Klirr deluxe noch einen Schritt weiter gehen. „Wir wollten unsere Figuren noch näher kennenlernen, in ihre Rolle schlüpfen und dann ein paar Tage als sie leben“, erklärt Julian Böhme. Das bedeutete aber auch: Keine privaten Gespräche als Julian und Pierre und keine Telefonate nach Hause. Für den allerschlimmsten Notfall hatten sie ein Codewort ausgemacht. Sobald einer der beiden (Achtung, jetzt kommt’s) „Pinguin-Mann“ sagen würde, wäre das Rollenspiel sofort beendet.
Schon beim ersten Umsteigen in Moskau wurde das Konzept auf eine harte Probe gestellt. Die Behörden am dortigen Flughafen waren irritiert von Salim, der zwar einen deutschen Pass hatte, sich aber wie ein Inder benahm. „Es war ein lustiges Bild, wie er da mit Turban vor ihnen stand, Bollywood-Englisch geredet und mit dem Kopf gewackelt hat. Aber die haben wenig Spaß verstanden und ihn ganz schön auseinander gepflückt“, so Julian Böhme.
Niemandem fiel auf, dass Salim gar kein echter Inder war
Doch als die beiden ungleichen Freunde nach einer nervenaufreibenden Reise endlich in Delhi ankamen, verwandelte sich Pierres authentisches Auftreten plötzlich in einen unschätzbaren Vorteil. Denn dort war Salim schließlich ein Einheimischer, der nicht die Touristenpreise bezahlen musste und schnell mit seinen Landsleuten ins Gespräch kam. Julian Böhme: „Wir hatten erst Angst, dass sich die Inder veräppelt vorkommen würden, aber dort fiel niemandem auf, dass Salim nicht der war, für den er sich ausgab.“ Die helle Haut? Hatte er von seiner deutschen Mutter. Die Tatsache, dass er kein Wort Indisch sprach? Fiel niemandem auf, da es in Indien über 120 verschiedene Sprachen und mindestens doppelt so viele Dialekte gibt und alle deshalb meist Englisch reden.
Dementsprechend wohl fühlte sich Salim auch in seiner Heimat und ging voll in seiner Rolle auf, wie sich Julian Böhme lachend erinnert: „In Indien laufen die Männer meist Hand in Hand und umarmen sich ständig. Ich mag das gar nicht, aber Salim hat das voll ausgenutzt und ist stundenlang mit mir Hand in Hand gelaufen.“
800 Kilometer durch Indien, in einem Abteil mit den Ärmsten der Armen
Ein Reiseziel war Varanasi, eine der ältesten und heiligsten Städte Indiens. Mit dem Zug ging es rund 800 Kilometer quer durch das Land, in einem Abteil zusammen mit den Ärmsten der Armen. Julian Böhme: „Da saßen 18 Leute auf einfachen Holzbänken, fünf hockten oben im Gepäcknetz. Das Essen tropfte denen darunter in die Haare, andere setzten sich einfach ungefragt auf deinen Schoß. Hemmungen hat da niemand.“
„Ich habe in dieser Zeit viel über mich gelernt“, sagt Julian Böhme. „Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass dieses ‘so tun als ob’ so viel Macht hat. Ron war immer ängstlich und hat seine Ziele deshalb selten erreicht. Salim hingegen ist mit seiner gut gelaunten Art auf alle zugegangen und hat immer Hilfe bekommen. Genau so hat Ron Flugangst. Ich habe keine, habe mich dann aber schnell richtig unwohl gefühlt, als ich sie spielen musste.“
Als es am Ende doch noch brenzlig wurde, musste der Pinguin-Mann helfen
Nach zahlreichen weiteren schönen, skurrilen und überraschenden Erlebnissen wurde es am vorletzten Tag des Experiments dann doch noch mal brenzlig. Salim hatte sich zwischendurch eine starke Erkältung eingefangen und lag mit 42 Grad Fieber im Bett. Und das in einer Hütte mitten im Dschungel. Ron machte sich zu Fuß auf die Suche nach Hilfe und lief dabei unwissend ein Stück auf einem Trampelpfad für Elefanten entlang. „Ein paar Einheimische haben mich dann völlig entsetzt darauf aufmerksam gemacht, wie gefährlich das ist und was ich für ein Glück hätte, dass ich noch lebe“, sagt Julian Böhme. „Da ist mir bewusst geworden, dass das kein Spaß mehr ist. Als ich später wieder bei Salim war, habe ich also das Codewort gesagt und die Sache abgebrochen.“
Erlös vom Fotokalender für ein Altenheim
Heute können Julian Böhme und Pierre-Nicolai Scheffler wieder darüber lachen. Aus den Fotos ihrer Reise haben sie einen Fotokalender zusammengestellt, mit dessen Erlös sie ein Altenheim in Indien unterstützen wollen. Wer Interesse an dem Sammlerstück hat, kann es für 15 Euro direkt bei Julian Böhme unter der Telefonnummer 01 73/9 52 87 95 oder per E-Mail an mail@klirrdeluxe.de bestellen. „Mit einem verkauften Kalender können wir einen alten Menschen einen ganzen Monat lang ernähren“, sagt Julian Böhme. „Das Land hat uns viel gegeben und auf diesem Weg können wir ihm und den Leuten etwas zurückgeben.“
Im November 2015 wollen die beiden Künstler die Reise mit einem Fotografen wiederholen und weitere Anregungen für ihr Bühnenprogramm sammeln. Julian Böhme denkt sogar darüber nach, ein Buch über das „Indien-Experiment“ zu schreiben. Einen ersten Vorgeschmack, wie das aussehen könnte, finden Sie hier. Wir dürfen also sehr gespannt darauf sein, was wir in den kommenden Monaten noch von den Jungs von klirr deluxe hören werden.