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Betriebsausgaben für Künstler – Chancen durch Corona-Soforthilfe

Die Verunsicherung bei Künstlern und Selbstständigen war groß, als es plötzlich hieß: Die Corona-Soforthilfe darf nur für Betriebsausgaben eingesetzt werden. Zu viele Ausnahmen und zu wenig Aufklärung führten bei vielen nicht nur zu Frust, sondern verstärkten zunächst sogar die Existenzängste. Dabei ging es immer wieder um dieselben Fragen:

  • Was zählt zu Betriebsausgaben für Künstler und was nicht?
  • Wie verhält es sich mit Personalkosten und eigenen Gehältern?
  • Dürfen Rücklagen gebildet werden?
Carsten Brehmer zu Betriebsausgaben für Künstler Corona-Soforthilfe

Carsten Brehmer ist Steuerberater aus Berlin und informiert zum Thema Betriebsausgaben für Künstler und Corona-Soforthilfe.

Wir haben mit dem Berliner Steuerberater Carsten Brehmer gesprochen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei geht es uns vor allem darum, aufzuzeigen, inwiefern die Reglementierung der Corona-Soforthilfe auf Betriebsausgaben für Künstler auch als echte Chance gesehen werden kann.

Doch vorab ein Versprechen: In diesem Beitrag erwartet euch kein bürokratisches Kauderwelsch! Unser Ziel ist es, einen möglichst einfachen Über- und Durchblick zu verschaffen. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Wir empfehlen immer eine individuelle Beratung. Rechts- und Steuerberatungskosten fallen übrigens auch unter Betriebsausgaben – das Stichwort, um zum Thema überzuleiten.

Corona-Soforthilfe: Das zählt zu Betriebsausgaben für Künstler

„Als Betriebsausgaben werden sämtliche Sach- und Finanzaufwendungen erachtet, die abfließen. Es spielt keine Rolle, wann die Betriebskosten entstanden sind, sondern wann sie bezahlt werden. Bei dem Soforthilfe-Programm werden immer die Ausgaben innerhalb der drei aufeinanderfolgenden Monate nach Antragstellung betrachtet. In den FAQs zum Soforthilfeprogramm des Bundes (Soforthilfe-Corona) Stand 21.04.2020 ist unter Verweis auf Ziffer 5.1 des Antragsformulars ausgeführt, dass der Monat der Antragsstellung nicht mitzählt. Meines Wissen ist dieser Hinweis unter Ziffer 5.1 des aktuellen Antragsformular nicht mehr enthalten, sodass davon auszugehen ist, dass der Drei-Monatszeitraum genau ab dem Tag der Antragstellung zu berechnen ist“, so Carsten Brehmer. Um die Begrifflichkeit aufzudröseln, nennt uns der Berliner Steuerberater einige konkrete Beispiele für Sach- und Finanzaufwendungen. Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern soll die wichtigsten und gängigsten Beispiele aufführen:

  • Miete der Geschäftsräume
  • Betriebliche Versicherungskosten
  • Zinsen und Tilgung (außer Sondertilgung)
  • Benötigte Waren und Betriebsstoffe
  • Laufende Kosten für Betriebsfahrzeuge (diese müssen bereits vorhanden sein)
  • Büromaterial (z. B. Papier, Ordner, Druckertinte, Stifte etc.)
  • Software-Gebühren (z. B. Buchhaltungsprogramme, Online-Tools etc.)
  • Webseiten- und Domain-Kosten
  • Franchise-Gebühren
  • Weiterbildungsmaßnahmen
  • Fachliteratur
  • Beratungskosten für Steuer- oder Rechtsberater
  • Leasingraten
  • Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen
  • Werbekosten

“Betriebliche Neuanschaffung von Wirtschaftsgütern (z. B. Laptop, Mikrofon etc.) sind grundsätzlich nicht bei der Berechnung der Liquiditätslücke zu berücksichtigen. Denn Neuanschaffungen werden über die Abschreibungen berücksichtigt und Abschreibungen stellen keinen Liquiditätsabfluss dar. Werden die Anschaffungen jedoch über Kredite finanziert, können diese in den Liquiditätsengpass mit eingerechnet werden, soweit sie in den dreimonatigen Zeitraum entfallen. Darüber hinaus zählen Personalkosten, eigene Gehälter und private Kosten, wie zum Beispiel die Miete für privaten Wohnraum oder Lebensmittel, nicht zu den Ausgaben, die mit der Soforthilfe finanziert werden dürfen“, ergänzt Carsten Brehmer.

Wichtig zu beachten ist, dass sich die kalkulierten Betriebsausgaben für den Bewilligungszeitraum in einem wirtschaftlich nachvollziehbaren Rahmen abspielen. Es wäre beispielsweise auffällig, wenn ein Künstler innerhalb der bezuschussten Monate plötzlich die fünffache Menge an Waren und Materialien ordert als üblich. Rücklagen dürfen von der Soforthilfe übrigens nicht gebildet werden. Jegliche Zuschüsse müssen innerhalb des dreimonatigen Zeitraums für Betriebsausgaben verwendet werden. Dennoch gibt es ein paar Möglichkeiten, die Finanzierungshilfe vorteilhaft einzusetzen, um die betriebliche Liquidität auch im Hinblick auf den Rest des Jahres 2020 positiv zu beeinflussen.

Geplante Ausgaben vorziehen

Carsten Brehmer empfiehlt, die geplanten Einnahmen und Ausgaben des gesamten Jahres 2020 genau unter die Lupe zu nehmen, um diese im Sinne der betrieblichen Zahlungsfähigkeit umzulegen. Wer beispielsweise bereits geplant hat, Ende des Jahres Geld für Werbemaßnahmen (z. B. Print-Anzeigen, Online-Werbeeinträge, …) in die Hand zu nehmen, kann sich überlegen, diese Investition in den bezuschussten Zeitraum vorzuziehen. „In dem Moment sind nicht nur die Werbekosten, sondern auch die darauf gezahlten Umsatzsteuer-Beträge Betriebsausgaben, die mit der Corona-Soforthilfe finanziert werden dürfen“, so der Steuerberater, „Andersherum zählt die vereinnahmte Umsatzsteuer bei einer Einnahme zum Gewinn des Betriebs.“ Laut Carsten Brehmer sei es daher eine überlegenswerte Möglichkeit, sämtliche geplante Betriebsausgaben innerhalb der bezuschussten drei Monate zu zahlen oder vorzufinanzieren und eventuelle Einnahmen außerhalb dieser drei Monate zu generieren. In dem Zusammenhang rät er Künstlern und Selbstständigen, auch eine anstehende Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt möglichst so abzugeben, dass sie die Situation begünstigt.

Eine Dokumentation aufstellen

„Es ist empfehlenswert, dass der Antragsteller eine detaillierte Dokumentation über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die anstehenden drei Monate aufstellt, für die er den Antrag auf Soforthilfe stellt“, so Carsten Brehmer. Diese Dokumentation dient nicht nur als Prognose für die benötigte Summe der Zuschüsse, sondern kann im Zweifelsfall bei einer Nachschau durch die Landesrechnungshöfe, dem Bundesrechnungshof oder auch dem Bundesministerium für Wirtschaft angefordert werden. Denn die Gelder aus der Corona-Soforthilfe müssen in der Steuererklärung für 2020 angegeben und versteuert werden.

Die Dokumentation als Chance wahrnehmen

Die Dokumentation der geplanten Einnahmen und Ausgaben bringt zudem einen enormen Vorteil mit sich: Klarheit über die finanzielle Aufstellung des Betriebs. Viele Künstler und Selbstständige sind sich im Laufe der Jahre gar nicht mehr bis ins Detail über ihre Ausgaben bewusst. Hier ein Zeitschriften-Abo, dort eine ungenutzte App – selbst kleine Beträge summieren sich ordentlich auf. „Die Dokumentation für die Antragstellung ist derzeit die Chance, sich endlich wieder einen Überblick zu verschaffen und alle Ausgaben zu hinterfragen. Welche sind nötig, welche überflüssig? Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um das eigene Business-Modell zu optimieren. In dem Zusammenhang ist es auch spannend zu wissen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie seine Förderprogramme hinsichtlich der Corona-Krise ausgeweitet hat. Viele Beratungen werden derzeit bis zu 100%, aber maximal 4.000 Euro, gefördert“, erklärt Carsten Brehmer.

Beiträge zur Künstlersozialkasse

Künstler, die über die Künstlersozialkasse versichert sind, können Zahlungserleichterungen bzw. Zahlungsaufschübe beantragen, sofern Zahlungsschwierigkeiten aufgrund des Corona-Virus bestehen. Der Stundungs-Antrag für die Beiträge ist formlos und schriftlich per E-Mail an die Künstlersozialkasse möglich. Wichtig ist eine eindeutige Begründung zu den Umständen der Zahlungsschwierigkeiten. Darüber hinaus ermöglicht die Künstlersozialkasse, das geschätzte Jahreseinkommen anzupassen. Selbst wenn das aktuell erwartete Einkommen in 2020 aufgrund der Corona-Krise unter den jährlichen Mindestsatz von 3.900 € fällt, geht der Versicherungsschutz für den Künstler bis auf weiteres nicht verloren. (Quelle und weitere Infos auf der Webseite der Künstlersozialkasse)

Zusätzliche Tipps für stark bedrohte Existenzen

Neben einer gut durchdachten Einnahmen-Ausgaben-Kalkulation hat Steuerberater Carsten Brehmer noch ein paar weitere hilfreiche Tipps auf Lager, die stark bedrohten Existenzen dabei helfen können, die Krise zu überstehen.

  • Bis Ende des Jahres (31.12.2020) gewährt das Finanzamt auf anfallende Steuerzahlungen eine zinslose Stundung. Das bedeutet: Kann der Künstler bzw. Selbstständige für eine Steuerzahlung derzeit keine Gelder aufwenden, kann der offene Steuerbetrag unter Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse zinslos aufgeschoben werden. Die zinslose Stundung muss beim zuständigen Finanzamt beantragt werden.
  • Ebenso können Künstler und Selbstständige unter Angabe der wirtschaftlichen Situation bis Ende des Jahres (31.12.2020) eine Herabsetzung der Steuervorauszahlungen beantragen.
  • Künstler und Selbständige, die für das Jahr 2020 mit einem erheblichen Verlust rechnen, können diesen auf Antrag in das Jahr 2019 zurücktragen lassen. Dieser Verlustrücktrag aus 2020 kann pauschal mit 15% des maßgeblichen Gewinns 2019 oder alternativ anhand detaillierter Unterlagen, die dann auch zu einem höheren Verlustrücktrag führen können, ermittelt werden.
    Liegt noch kein Steuerbescheid für 2019 vor, kann die Herabsetzung der Steuer-Vorauszahlungen für 2019 noch bis zum 31.03.2021 beantragt werden. Wurden die Vorauszahlungen für 2019 aufgrund des Verlustrücktrags aus 2020 gemindert, führen die Steuerbescheide für 2019 immer zunächst zu einer Nachzahlung, da der tatsächliche Verlustrücktrag aus 2020 fehlt. Dieser kann erst durchgeführt werden, wenn die Steuerbescheide für 2020 erlassen werden. Die Nachzahlungen für 2019, die auf den mangelnden tatsächlichen Verlustrücktrag aus 2020 entfallen, können auf Antrag bis einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides für 2020 zinslos gestundet werden.

Corona-Soforthilfe beantragen – Deadline am 31. Mai 2020

Abschließend haben wir noch ein paar zentrale Hintergrundinfos zu den Voraussetzungen für jene existenzgefährdete Künstler und Selbstständige, die die Corona-Soforthilfe noch gar nicht beantragt haben. Hauptberuflich tätige Künstler und Solo-Selbstständige können bundesweit bis zu 9.000 € beantragen. Diese finanziellen Zuschüsse sind dafür vorgesehen, bei unverschuldeten (drohenden) Liquiditätsengpässen zu helfen, um Zahlungsunfähigkeiten und Insolvenzen zu vermeiden. Aus diesem Grund müssen Künstler und Selbstständige wirtschaftliche Schwierigkeiten, die durch die Corona-Krise ausgelöst wurden, nachweisen können. Ausschlaggebend ist dafür nicht nur der reine Einnahmeausfall, sondern die Gesamtsituation im Hinblick auf die betriebliche Zahlungsfähigkeit. „Die Beantragung der Soforthilfe ist noch bis zum 31. Mai 2020 möglich. Der dreimonatige Zeitraum für die finanzielle Unterstützung der Betriebsausgaben beginnt immer im Folgemonat der Antragstellung“, so Steuerberater Carsten Brehmer.

Fazit: Eine gut durchdachte Planung bietet Chancen

Für die meisten war und ist der Schock über die Reglementierung der Soforthilfe auf Betriebsausgaben für Künstler und Selbstständige groß. Aber nach vorne gucken ist wichtig! Denn es wird wieder weitergehen. Seid jetzt aktiv, um euch auf die Zeit nach der Krise gut vorzubereiten. Zum Beispiel durch Beratungen oder vorgezogene geplante Weiterbildungs- und Werbemaßnahmen, die dazu beitragen, die Einkommenssituation in den nächsten Monaten positiv zu beeinflussen.

Wir danken Carsten Brehmer vielmals für das aufschlussreiche Gespräch!