Stopp machen und Herausforderungen angehen: Politikgespräche im Tourbus
vom 23.10.2024 veröffentlicht über meinMemoDie Veranstaltungsbranche ist schon lange existenziellen Herausforderungen ausgesetzt. Dabei ist sie als sechstgrößter Wirtschaftszweig ein wesentlicher gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Akteur. Mit der Tourbusaktion haben Vertreter des Sektors hierauf aufmerksam gemacht und Gesetzgeber zum Gespräch eingeladen. Es wurden Nöte klargestellt und Lösungsansätze unterbreitet.
Am 16. Oktober 2024 stand ein Tourbus einen Tag lang vor dem Reichstag, zwischen Paul-Löbe-Haus und Kanzleramt. Diesmal wohnten darin nicht Rockstars auf einem Stopp zwischen zwei Großkonzerten. Sondern die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft hatte Abgeordnete eingeladen, die aktuellen Herausforderungen des sechstgrößten Wirtschaftszweiges kennenzulernen.
Zu Gast bei der Eventindustrie
Den Nightliner, wie diese Busse auch genannt werden, hatte die Firma Berlin Rock Coaches zur Verfügung gestellt. Im Inneren fanden zahlreiche Gespräche statt mit Mitgliedern des Bundestages und deren Mitarbeiter:innen. Es wurden fünf besonders brennende Anliegen der Eventindustrie diskutiert und praxisnahe Lösungsansätze präsentiert, unter anderem mit MdB Anja Karliczek (CDU), MdB Heike Brehmer (CDU), MdB Anja Liebert (Grüne), MdB Jana Schimke (CDU), MdB Stefan Schmidt (Grüne), MdB Dr. Petra Sitte (Linke) und MdB Kerstin Vieregge (CDU). Vom Rat der Vertreter:innen der Bundeskonferenz haben Christian Eichenberger, Marcel Fery, Tobias Naujoks und Alexander Ostermaier mit Nachdruck die Lasten benannt, unter denen die Branche ächzen muss.
Einzelunternehmer rechtssicher beauftragen
Mit den Mitgliedern des Bundestages wurde im Bus diskutiert, dass Gesetze und Richtlinien angepasst werden müssen, damit eine rechtssichere Beauftragung von Einzelunternehmer:innen möglich wird. Denn auch hier sind die praktischen Erfordernisse des Sektors nicht ausreichend berücksichtigt. Grundlage einer solchen Beauftragung ist der beidseitige Vertragswille. Anders als möglicherweise in anderen Branchen, kommt es im Veranstaltungswesen projektspezifisch eben nicht zu einer wesentlichen, dauerhaften wirtschaftlichen Abhängigkeit, nicht zur Belastung der Allgemeinheit etwa bei Arbeitslosigkeit oder im Alter sowie nicht zur Schwächung von betrieblichen Mitbestimmungsrechten abhängig Beschäftigter.
Arbeitszeitregelungen an Arbeitsrealitäten anpassen
Die Abgeordneten erfuhren zudem, dass Gesetzgebungen bisweilen an den Wirklichkeiten mancher Wirtschaftssegmente vorbeigehen. Anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit, wie bisher, soll eine wöchentliche oder monatliche Arbeitszeitregelung möglich werden. Denn „nine to five“ lassen sich keine Events durchführen. Um den spezifischen Bedürfnissen der Branche gerecht zu werden und ihr Gesetzeskonformität zu ermöglichen, ist hier mehr Flexibilität erforderlich.
Freibetrag für betriebliche Veranstaltungen erhöhen
Im Tourbus wurde der steuerliche Freibetrag für Betriebsfeiern thematisiert. Dieser wurde seit Jahrzehnten nicht mehr angepasst ― allen Teuerungswellen zum Trotz. Endlich soll er auf 300 Euro pro Person und Betriebsveranstaltung erhöht werden. Einerseits wäre dies ein Anreiz für veranstaltende Unternehmen und Gastgeber, mehr Mitarbeiteranlässe auszurichten. In der Folge hätte dies auch positive wirtschaftliche Auswirkungen auf nachgeordnete Branchen. Mit 300 Euro sind die konservativ berechneten Kosten einer durchschnittlichen Betriebsfeier im Jahr 2023 umfasst.
Transformationsbemühungen unterstützen
Die Veranstaltungsbranche will sich transformieren hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.Gezielte politische Maßnahmen können dabei helfen, diesen Wandel rasch, wirksam und nachhaltig zu erzielen. Die Bundeskonferenz steht mit ihrer Branchenexpertise bereit, die Regierung beim Konkretisieren von Lösungen sachkundig zu informieren. Denkbar sind erstens ein Gewerbesteuerabzug bei kurzfristigen Anmietungen, zweitens eine Umsatzsteuersenkung für kreislauffähige Produkte sowie drittens die Förderung von Mietmodellen mit umweltschonenden Wiederaufbereitungsprozessen. Zusätzlich sollen neue umweltfreundliche Veranstaltungsformate und Geschäftsmodelle politisch gefördert werden.
Branche jährlich betrachten
Die Veranstaltungswirtschaft war bis zur Corona-Pandemie eine unbekannte Größe, obwohl sie zu den umsatz- und mitarbeiterstärksten Sektoren in Deutschland gehört. Ein jährlicher Branchenbericht soll staatlich gefördert werden, um Transparenz für Handlungsstrategien zu schaffen – angelehnt an das Satellitenkontenverfahren, wie bei der Tourismuswirtschaft. Schließlich hat eine gesunde Veranstaltungswirtschaft positive Umsatzeffekte auf zahlreiche weitere Branchen, wie Hotellerie, Gastronomie, Personenbeförderung und Einzelhandel. Unnötige, politisch induzierte Hemmnisse müssen in einem Regelbericht aufgedeckt und aus dem Weg geräumt werden.
Die Nightliner-Aktion vor dem Parlament wurde ermöglicht dank der Unterstützung von Berlin Rock Coaches GmbH, Sebastian Hänel, Axica Kongress- und Tagungszentrum, Getränke Preuss Münchhagen GmbH, Mundwerkkunst sowie der TSE AG.