Theaterevent Faust von Robert Wilson 1 © Lucie Jansch

Theaterevent und Marke: Robert Wilsons Faust

Theaterevent Faust von Robert Wilson

Der Clinch zwischen Faust und Mephisto bietet viereinhalb Stunden reines Theatervergnügen © Lucie Jansch

Frank Castorf, Peter Brook und Robert Wilson haben es geschafft, ihre Inszenierungsformen zu Marken zu machen. Sie machen Welttheater. Sie machen Theaterevents, die man zu Recht so nennen darf. Sie machen nämlich wirkliche Ereignisse. Sie gehen mit einer eindeutigen Handschrift zu Werke. Die Wiedererkennung ist gewaltig, die Identifikation des Publikums ebenso. Das weiß, was es hat. Mit der Rotation im Berliner Intendantenkarussell wird es einige Veränderungen geben, aber es ist davon auszugehen, dass Castorf Berlin irgendwie erhalten bleibt, und der Peymann-Nachfolger im Berliner Ensemble, Oliver Reese, wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er auf Wilson verzichten würde. Der liefert dem weltbekannten Theater am Schiffbauerdamm solche Theaterevents. Einer folgt nach dem anderen. Das Publikum rennt denen die Bude ein. Grund ist aktuell die urdeutsche Komödie „Faust“ mit erstem und zweitem Teil in viereinhalb Stunden reinem Theatervergnügen, das eben nicht nur einer Bildungselite Spaß macht.

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Wilsons Inszenierungen haben einen hohen Wiedererkennungswert © Lucie Jansch

Ein bisschen Spaß muss sein!

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Christopher Nell als Mephisto: zwischen armem Würstchen und großem Manipulator © Lucie Jansch

Diese Bildungselite liebt Kratzbürste und Nagelbrett. Es geht aber auch anders. Robert Wilson hat sich erneut den Herbert Grönemeyer als Komponisten dazu gebeten und so wird der Faust-Stoff zum unterhaltsamen wie tiefgängigen musikalischen Bildertheater verdichtet, welches gar nicht nach Herbie klingt. Christopher Nell gibt einen grandiosen Mephisto zwischen armem Würstchen, das der Unfreiheit seines eigenen Wollens wie Könnens erliegt, und dem großen Manipulator. So ist er dem Faust gar nicht so unähnlich. Der wiederum wird von mehreren Schauspielern gleichzeitig gegeben, ebenso wie das Gretchen. Das sind große Auftritte für die Schauspielschüler der Ernst-Busch-Hochschule. Sie strampeln vor den grandiosen Wilson-Bildern zwischen Liebe und Wahn, die der in harter Arbeit der gesamten Bühnenmaschinerie bei diesem großen Theaterevent abringt. Die Premiere musste sogar, der Perfektion geschuldet, verschoben werden. Diese wiederzuerkennenden, gigantischen Bilder werfen manche Kritikaster dem Meister aus Texas vor: zu wenig Neuerung, zu wenig Variation. Das wäre aber so, als ob man Picasso den Kubismus vorwerfen würde. Ich sag es mit Mephisto: „Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern.“

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Bilder wie diese können helfen, das visuelle und inszenatorische Einerlei auf deutschen Bühnen zu durchbrechen © Lucie Jansch

Der Theaterevent als Touristenmagnet

Nicht nur das Berliner Ensemble, auch die Volksbühne haben inzwischen einen großen Sog, die diese Häuser auf deutsche wie internationale Touristen ausüben. Aber auch das Fachpublikum pilgert auf den Hügel wie an das Spreeufer, um dortige Köstlichkeiten zu verspeisen oder ebenso genüsslich zu zerreißen. Als gänzlich unverdaulich wird sehr selten etwas ausgespuckt. In diesen Touristenfallen wird man gut bedient und bekommt einen ästhetischen wie Erkenntnisgegenwert für die hart verdienten Taler. Wer leer ausgeht, ist letztlich selber schuld! Ein wenig einlassen muss man sich schon.

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Das Theaterevent erfreut sich großer Beliebtheit © Lucie Jansch

Bob Wilson gibt sich aber mit den Bühnenkünsten und diesen großen Theaterevents nicht zufrieden. Seine Zeichnungen sind auf Auktionen gefragt und seine Installationen haben es schon in den Pariser Louvre geschafft, wo er Lady Gaga zur Mona Lisa gesellte. Die Grenze zum Pop überwindet Wilson mit Leichtigkeit und Grandezza. Seine Bildsprache ist auch dort immer wiedererkennbar. Jeder, der Events inszeniert, sollte sich einmal zumindest mit einer Arbeit von Wilson auseinandergesetzt haben. Sie sind seit Jahrzehnten inszenatorischer „State of the art“ und Inspirationsquell und könnten helfen, das visuelle und inszenatorische Einerlei auf Deutschen Eventbühnen zu durchbrechen. Mit Jörg Sellerbeck ist mir erst ein deutscher Eventkreativer im BE begegnet. Karten für den Wilson-„Faust“ sind lange im Voraus vergeben. Es lohnt das Streben an der Theaterkasse.