Sarah Wiener schreibt für showcases

Sarah Wiener schreibt für showcases

Diese Blogzeilen über Sarah Wiener sind ein Lob des vollendeten Autotidaktentums in der Küche: Die Österreicherin Sarah Wiener hat weder Schulabschluss noch Berufsausbildung. Trotzdem ist sie Deutschlands bekannteste Fernsehköchin. Ihre Karriere vor der Kamera begann als Mamsell in der Reality-Dokusoap Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus vor zehn Jahren in der ARD. Heute ist sie eine beliebte und neugierige Kochreisende im deutsch-französischen Kulturkanal ARTE. Nach FAZ-Küchenphilosoph Jürgen Dollase ist das ein Ding der Unmöglichkeit: Er stufte sie 2006 als „Gourmandise auf Ikea-Niveau“ ein. Tim Mälzer oder Jamie Oliver gleich mit. Sarah Wiener hat im – leider nicht fortgesetzten ZDF-Nachtstudio – mal beim Fleur de Sel bretonisch und französisch verwechselt und sich bei der Kristallstruktur der englischen Maldon-Seesalzflocken verhauen, worauf Dollase immer noch rumkaut. Ich habe den Drei-Sterne-Mann Jean-Claude Bourgueil, den ich als Koch und Küchenphilosophien auch immer noch sehr schätze, dagegen über Glutamat als Ingrediens stolpern sehen.

Eine herzliche Küche

Wer im „Speisezimmer“ nicht weit von Brechts Wohnhaus, im zweiten Innenhof der ehemaligen Borsigschen Lokfabrik in der Berliner Chausseestraße, so wie ich speist, pfeift auf diese Nickeligkeiten. Und er lässt Alain Ducasse oder Joachim Wissler auch mal einen guten Mann sein. Was man sowohl in Mälzers Hamburger Bullerei oder genauso bei Sarah Wiener bekommt, ist eine ehrliche, sogar herzliche Küche, die ohne rein dekoratives Chichi oder Pipapo auskommt.
Das ist auch die einzige Gemeinsamkeit mit den Kötbullar und Billy, den hier endet die Ähnlichkeit mit dem schwedischen Möbelhaus. Anstatt Pressspan werden ehrliche, exzellente Zutaten verwendet, die man auf dem Teller ohne Probleme identifizieren kann. In Sarahs Fall kommen die Gemüse inzwischen aus einem eigenen Biobetrieb vor den Toren der Hauptstadt. Regional und saisonal sind Trumpf.

Herrlich wolkig

Sarah Wiener kennt als Autodidaktin auch andere Zeiten. Bevor der persönliche Erfolg als Filmcatering-Köchin mit einem alten DDR-Militär-LKW startete, durchlebte sie auch die schattigeren Seiten als alleinerziehende Mutter. Das Sozialamt kennt sie nicht nur aus der Presse. Im Lokal „Exil“ ihres Vaters in Kreuzberg buk sie an den Vormittagen Kuchen und Torten, die sie anschließend verkaufte. Das Backen hat sie immer noch nicht losgelassen. In der Holzofenbäckerei „Wiener Brot“ in der Tucholskystraße im Scheunenviertel werden feine Backwaren verkauft. Die werden wie bei Frau Holle mit dem Schieber aus der Hitze eines mit brandenburgischem Robinienholz befeuerten Steinofen befreit, wenn sie fertig gebacken sind. Da schmecken die Kaisersemmel so herrlich wolkig wie in meiner Kindheit der beginnenden Sechziger, als der Bäcker in der Nachbarschaft noch Handwerker war und Backmischungen und tiefgefrorene Teiglinge noch in weiter Ferne am Horizont der industriellen Gewinnmaximierung  schwebten.

Mit Bodenhaftung

Bei Sarah Wieners persönlicher Geschichte ist es nicht verwunderlich, dass diese Frau nicht untätig ist. Dabei ist sie auch als Unternehmerin im großen Erfolg angelangt, hat die Bodenhaftung aber nicht verloren. Sie kämpft für die Realität eines bekömmlichen, gesunden und schmackhaften Schulessens, das auch für kleine Einkommen bezahlbar bleibt. Bei den berühmten Besteckdesignern Pott hat sie eine Kochmesserserie in Handarbeit aufgelegt, die bei traditionsgestählten Experten in Solingen geschmiedet wird. Neben ihren Restaurants bereiste sie bereit ganz Europa mit einem Kamerateam, um besten Zutaten und lokalen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Dafür warf sie in Whitby gewissenhaft ihre Netze für Fish and Chips aus und erntete am Vesuv die sonnenverwöhnten, ob ihrer empfindlichen Haut handgepfückten Corbara-Tomatendiven. In Frankreich stopfte sie Gänse mit dem Druckschlauch, um die definitive Entscheidung zu treffen fürderhin auf Foie gras in ihren Gastronomie-Betrieben „Gans“ ganz zu verzichten. Das betrifft auch ihr sehr angesehenes Catering Unternehmen, das nicht nur im Berliner Kommunikationsmuseum ehrliche Feinkost auftischt.

Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener in Asien

Sarah Wiener testet in Indien Chili

Auch in Indien ist Sarah Wiener unterwegs.

Bevor sie für die Weihnachts- und Jahresendausgabe unseres Magazins showcases das Glossar des Schwerpunktthemas Catering schreibt, ist Sarah Wiener dieses mal in den Fernen Osten aufgebrochen und hat ihre siebenmonatelangen Geschmacksabenteuerreisen im Reich der aufgehenden Sonne, Vietnam, Indien und China für uns und ARTE mitgebracht. Beonders haben es ihr „die vielen herzlichen Menschen“ angetan, denen sie begegnet ist und die ihr viel aus der Küche und dem Leben in Asien erzählt haben. In 10 mal 43 Minuten erntet sie Chili, mischt Curry, gart Pekingenten und zelebriert mundgerechte Köstlichkeiten mit einem wahren Sushimeister. Sie hat als Lieblingsgewürze Zimt, Kardamom und Pfeffer mitgebracht. Ihre Küche ist ehrlich, wiedererkennbar, ja auch bodenständig, aber an Raffinesse mangelt es Sarah Wiener trotzdem nicht.
Alle Rezepte der Sendung sind auch im ARTE TV-Guide abrufbar unter: arte.tv/guide

Sarah Wieners Asien-Abenteure im Einzelnen:

Montag, 8. September 2014
19.30 Curry und Indien

Sarah Wiener zieht es weit in den Osten. Was sind die Unterschiede zwischen asiatischer Küche in Europa und in Asien selbst? In ihren kulinarischen Abenteuern schaut Sarah Wiener direkt vor Ort in die Kochtöpfe und räumt mit manchem Vorurteil auf. In der ersten Folge ihrer kulinarischen Abenteuer geht sie einer scheinbar einfachen Frage nach: Was genau ist eigentlich Curry?

Dienstag, 9. September 2014
19.30 Indien und Chili

In einem Dorf des nordindischen Bundesstaates Rajasthan erfährt Sarah Wiener, wie scharf die Inder zu Hause wirklich essen. Sarah Wiener ist in Samode gelandet, einem kleinen Ort im Norden des Landes, im Bundesstaat Rajasthan. In dem traditionellen Dorf tragen die Männer noch einen Turban und die Frauen einen Sari. Hier werden scharfe Messer zum Schneiden von Gemüse und Fleisch zwischen den Zehen gehalten und es wird über offenen Feuern in den Innenhöfen gekocht. Mit der Familie eines Chilibauern probiert Sarah Wiener mit Chili gefüllte Chilis – und muss bekennen: Das ist wirklich scharf! Ihre Lippen und Zunge brennen wie Feuer – und das nicht nur einmal in diesem kulinarischen Abenteuer. Zum Glück lernt sie schnell, mit welchen Hausmitteln der Schärfe beizukommen ist.

Mittwoch, 10. September 2014
19.30 Indien vegetarisch

In dieser Episode ist Sarah in Indiens Norden, in Gujarat, unterwegs. Der ganze Bundesstaat lebt vegetarisch – Tiere zu essen gilt als Frevel. Sarah ist hoch im Norden Indiens, in Gujarat, unterwegs. Der ganze Bundesstaat lebt vegetarisch. Nicht nur die Kuh ist hier heilig, Tiere zu schlachten und zu essen ist ein Frevel. Zebus – Buckelrinder – prägen das Straßenbild größerer Städte, sie zu füttern gilt als religiöser Akt. Herr Patel von der Milchkooperative erklärt Sarah, warum die Kuh dennoch ein Nutztier ist.

Donnerstag, 11. September 2014
19.30 Japan und Sushi

In dieser Episode dreht sich alles um Sushi, das japanische Gericht, das meist mit rohem Fisch zubereitet wird und sich auch in Europa großer Beliebtheit erfreut. In Gobo trifft Sarah auf die Damen Yamamoto, Meisterinnen von Nare-Sushi – das Ur-Sushi schlechthin. Luftdicht verpackte Makrele mit Reis – das drei Wochen lang gegorene Sushi gilt als ganz besondere Delikatesse. Im traditionsbewussten Haus muss Sarah zum Kochen nicht nur einen Kimono tragen, sondern Nare-Sushi in allen Reifezuständen probieren. Der Meisterkoch Koshi Teranishi zeigt Sarah, wie man in Japan mit dem Messer umgeht. Zehn Jahre lang hat er gebraucht, um mit dem Messer wie mit einem Präzisionswerkzeug zu filetieren. Schafft Sarah den richtigen Schnitt zur Zufriedenheit des Meisters?

Freitag, 12. September 2014
19.30 Japan und Wild

Beppu auf der japanischen Insel Kyushu: Die Stadt der 1.000 heißen Quellen gilt als das Tor zum wilden Japan fernab vom weiten Meer. Aus allen Ecken quillt heißer Dampf empor. Der tätige Vulkan Aso auf der kleinen Insel ist dafür verantwortlich. Als besondere Attraktion in Beppu gilt eine Garküche, die sich aus den Quellen speist. Das lässt sich Sarah Wiener nicht entgehen, bevor es sie in die ausgedehnten Wälder rund um Beppu zieht. Dort leben Wildschweine und es gedeihen die berühmten Shiitake-Pilze. Die Pilze brauchen ein besonders mildes und sehr feuchtes Klima, tief in den Wäldern in der Nähe des Vulkans wachsen sie ideal und besonders schmackhaft. Mit den Shiitake-Züchtern bereitet Sarah ein einfaches Reisgericht zu, gewürzt mit Sojasoße und getrocknetem Fisch.

Montag, 15. September 2014
19.30 Vietnam und Sommerrolle

Sarah Wiener ist im Mekong-Delta unterwegs und lernt, die ultimative Sommerrolle, eine der beliebtesten vietnamesischen Spezialitäten, herzustellen. Doch was kommt alles hinein? Und vor allem, worin werden die frischen Zutaten eingerollt? Sarah Wiener ist im Mekong-Delta unterwegs, der Reiskammer Süd-Vietnams. Zwei- bis dreimal im Jahr wird in dieser Region der Reis geerntet. Hier gibt es schwimmende Märkte, schwimmende Garküchen – und schwimmendes Gemüse. Ein riesiger Elefantenohrfisch muss mitsamt seinen Schuppen an einem Stück frittiert werden. So verlangt es diese ganz besondere Spezialität.

Dienstag, 16. September 2014
19.30 Vietnam und Reis

Reis ist das Grundnahrungsmittel für mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Vietnam und wird deshalb auch das „weiße Gold“ genannt. Eine Mahlzeit ohne Reis gilt in Vietnam einfach nur als Snack. Die Reise führt die Österreicherin dieses Mal in den Norden Vietnams. Sie ist in der Hauptstadt Hanoi gelandet und macht sich dort und im Delta des Roten Flusses auf die Suche nach den vielen Reis-Variationen. In Hanoi trifft sie auf Mai Corlou, die zusammen mit ihrem Mann ein kleines Restaurant betreibt. Ihre Küche ist inspiriert von den vielen Garküchenrezepten der Stadt. Für Sarah bereitet sie einen Reis zu, den man so schnell nicht vergessen wird. Auf dem Weg dahin stolpert Sarah in einer Garküche über seltsam anmutende Zwerghühnchen in Cola-Dosen. Ob die wohl schmecken?

Mittwoch, 17. September 2014
19.30 Vietnam und Meeresfrüchte

Shrimps, Garnelen, Seeschnecken und Langusten – Meeresfrüchte sind das Sahnehäubchen der vietnamesischen Küche. Sarah Wiener ist zu Gast in der Bucht von Bai Rang, in der Nähe der Stadt Quy Nhon, einem bei gut situierten Vietnamesen beliebten Urlaubsort direkt am Meer. Drei Brüder leben hier am Strand mit ihren Familien. Täglich trotzen sie dem Meer ihren Lebensunterhalt ab. Jeder einzelne hat in dieser Einheit eine bestimmte Aufgabe. In einer kleinen Nussschale geht Sarah Wiener nachts mit Thung auf die Jagd nach Langustenbabys, um den kargen Ertrag am nächsten Morgen zu seinem Bruder Bôn zu bringen. Auf dem Meer mästet dieser die Langustenbabys, bis sie eine stattliche Größe erreicht haben und an die Luxusrestaurants der Stadt verkauft werden. Than, der dritte Bruder, taucht mit Sarah mehrere Meter tief nach nahrhaften Algen. Die Söhne klettern geschickt auf die Palmen und holen frische Kokosnüsse herunter. Gekocht und gegessen wird unter freiem Himmel. Sarah probiert Tintenfisch in Kokosmilch und frischen Algensalat.

Donnerstag, 18. September 2014
19.30 China und Tofu

In den Markthallen Shaoxings entdeckt die Fernsehköchin Sarah Wiener, dass es in China Tofu in endlosen Variationen gibt: geräuchert, in Fäden, als Süßspeise, als Cracker, als stinkender und als geschichteter Tofu. Aber nicht nur Tofu, sondern auch frische Bambussprossen sind allgegenwärtig und in unterschiedlichsten Formen und Größen zu haben. In der chinesischen Provinz Zhejiang ist Anji eine berühmte Bambusregion. Endlose Bambuswälder soweit das Auge reicht, ideal um dort Bambussprossen zu ernten und herauszufinden, wie frische Bambussprossen schmecken. Als Sarah Wiener zurück in der modernen Provinzstadt Shaoxing ist, zeigt ihr der Koch Herr Zhu eine ganz neue Variante: hauchdünnes Tofu-Papier, das gefüllt wird.

Freitag, 19. September 2014
19.30 China süß-sauer

„Ente süß-sauer“ ist die Nummer eins in jedem China-Restaurant in Europa. Sarah Wiener ergründet vor Ort, wie süß-sauer in China gegessen wird. Sie trifft einen sympathischen Biobauern, der eine zen-buddhistische Form der Schädlingsbekämpfung auf seinen Kohlfeldern betreibt. Er zeigt Sarah, wie in der Provinz Sichuan traditionell das Gemüse zu den berühmten Pickles verarbeitet wird – eingelegtes Gemüse, die saure Note in Gerichten. Es gibt nur wenige Biobauern in China, doch bei den Gaos ist alles Bio – sogar auf Spülmittel wird verzichtet.
In den Bergen wächst der berüchtigte Sichuanpfeffer, der auf der Zunge ein taubes Gefühl hinterlässt. Gewappnet mit neuen Eindrücken kehrt Sarah Wiener zurück in die Provinzhauptstadt Chengdu. Dort trifft sie die Köchin Frau Wang. Sie und ihr Mann haben ein altes Gemäuer vor dem Abriss bewahrt und ein eindrucksvolles Restaurant erschaffen. Frau Wang will Sarah in die Raffinessen der chinesischen Küche einweihen.

 




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