Die Preisträger des 21. Melsunger Kabarett-Wettbewerbs

Melsungen, wo liegt eigentlich Melsungen? Diese Frage war für mich als VfL-Gummersbach-Fan schnell beantwortet: nämlich genau 8 Plätze über dem VfL in der Tabelle. Geografisch gesehen bedarf es aber auch keiner längeren Antwort, denn Melsungen liegt so ziemlich genau in der Mitte von Deutschland – in Nordhessen. Doch hier ist nicht nur ein Top-Bundesliga-Handball-Club zu Hause, sondern es wird auch seit stolzen 21 Jahren der Melsunger Kabarett-Wettbewerb verliehen. Und diesen haben wir uns dieses Jahr mal etwas genauer angeschaut und sind der herzlichen Einladung von Karin Braun von der Kultur- & Tourist-Info Melsungen gefolgt, um der Preisverleihung beizuwohnen.

Kabarettist vs. Comedian – Grundsatzfrage oder Wortklauberei?

Doch bevor ich zu den Preisträgern des diesjährigen Melsunger Kabarett-Wettbewerb komme, stellt sich mir erstmal die grundsätzliche Frage: Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff des Kabaretts? Wenn man der Definition von wikipedia Glauben schenken darf, ist das Kabarett eine Form der Kleinkunst, in der darstellende Kunst (schauspielerische Szenen, Monologe, Dialoge, Pantomime), Lyrik (Gedichte, Balladen) oder Musik miteinander verbunden werden. Kabarett ist in seiner Motivation gesellschaftskritisch, komisch-unterhaltend und / oder künstlerisch-ästhetisch. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kabarett)

Klingt erstmal ziemlich trocken und angestaubt. Und so war eigentlich auch immer mein erster Gedanke. Die Betonung liegt auf dem Wörtchen „war“, denn das sollte sich mit dem Besuch des Melsunger Kabarett-Wettbewerb ändern. Wenn ich zum Beispiel bis dato auf der Kulturbörse in Freiburg die Wahl hatte, mir einen Comedian oder einen Kabarettisten anzusehen, habe ich mich grundsätzlich für den Comedian entschieden. Doch gibt es den Unterschied wirklich oder ist es vielmehr der Begriff Kabarett, der eigentlich mal generalüberholt und entstaubt gehört?

Viele Kabarettisten werden jetzt losschreien und sagen, dass sie keine Comedy machen, und viele Comedians mögen hingegen vielleicht sagen, dass sie keine Kabarettisten sind. Doch für mich verschwimmen diese Abgrenzungen immer mehr und ich denke, dass es im Sinne der Veranstaltungsplanung auch vielen Kabarettisten gut tun würde, sich etwas von der Begrifflichkeit zu lösen. Denn es ist in meinen Augen kein Verbrechen, wenn man auf seinem Programm-Flyer Kabarett & Comedy stehen hat. Vielmehr hat man so die Chance, auch jüngere Veranstaltungsplaner – von denen es nunmal immer mehr gibt – zu erreichen und nicht nur vor „Grauschöpfen“ zu spielen.

Heinrich del Core sicherte sich den Publikumspreis “Die scharfe Barte”

Lachen gegen den Terror!

Um aber nochmal auf meine eingangs beschriebene Meinung zurückzukommen, dass Kabarett verstaubt ist, so muss ich das definitiv revidieren. So viel gelacht wie bei der Preisverleihung des Melsunger Kabarett-Wettbewerb habe ich schon lange nicht mehr. Und das war angesichts der schrecklichen Ereignisse, die sich am Tag vorher in Frankreich abgespielt haben, nicht selbstverständlich. Es stand auch vor der Veranstaltung bei den Organisatoren lange die Frage im Raum, ob man die Preisverleihung des Melsunger Kabarett-Wettbewerb überhaupt stattfinden lassen solle. Doch dann wurde entschieden, dass sie gerade deswegen stattfinden sollte. Und so brachten es nach einer Schweigeminute dann auch die Worte von Bürgermeister Markus Boucsein an den vollbesetzten Saal der Kulturfabrik ziemlich genau auf den Punkt. Nämlich ein Zeichen zu setzen und die Veranstaltung nicht abzusagen, sich nicht zu Hause zu verschanzen und gemeinsam einen Abend zu erleben, an dem trotz aller Ereignisse gelacht werden darf.

Mike & Aydin – Die Gewinner des 21. Melsunger Kabarett-Wettbewerb

Übergewicht oder Übergepäck, Latschenkiefer und Nord-Süd-Klischees

Durch den Abend führte im Anschluss HR4-Moderator Andreas Gehrke, der zu beginn den ersten der drei Finalisten Heinrich del Core mit seinem Programm „Alles halb so wild“ auf die Bühne bat. Von diesem Moment an war der Begriff Kabarett für mich sowas von entstaubt und ich habe Tränen gelacht über die Beobachtungsgabe von del Core, der Alltagssituationen so punktgenau beschreibt, dass man einfach nicht anders kann, als sich selbst in seinen Geschichten wiederzufinden. Kennen Sie zum Beispiel den Unterschied zwischen Übergewicht und Übergepäck am Flughafen? Nicht – dann sollten Sie sich mal del Cores Programm anhören. Darauf folgte Björn Pfeffermann mit seinem Programm „Meine Kresse! Ein Mann sieht grün“. Auch hier wieder eine völlig aus dem Leben gegriffene Story über die drei Lebensaufgaben, die ein Mann angeblich zu erfüllen hat. Und das alles inmitten einer spießigen Reihenhaussiedlung und mit Fragen gepickt, wie: „Sind Kiefern, die ich in FlipFlops pflanze, automatisch Latschenkiefern?“ Auch hier wieder nicht der geringste Anflug von Staubkörnern. Die dritten Finalisten waren das Duo Mike & Aydin mit einem Auszug aus ihrem aktuellen Programm „Nord-Süd-Gefälle“. Wie der Name schon andeutet, treffen Welten aufeinander. Die eines gebürtigen Engländers (Nordeuropäer) und die eines gebürtigen Türken (Südeuropäerländer). Lustiger können Klischees gar nicht dargestellt werden. Und auch nach den dritten Kabarettisten an diesem Abend sind wir uns einig, dass höchstens unser Mund vom Lachen staubtrocken ist – definitiv aber nicht der Begriff Kabarett! Und gegen den trockenen Mund gab es in der Pause einen leckeren Weißwein, bevor dann nach der Pause der Gewinner des Melsunger Kabarett-Wettbewerb aus dem Jahr 2006 die Bühne betrat. Lothar Bölck hat an diesem Abend zum letzten Mal sein Programm „Zwischen Tür und Angel(a)“ gespielt. In diesem spielt er den redsamen Pförtner der Kanzlerin und gibt tiefste Einblicke in die Geschehnisse im Kanzleramt. Ganz getreu dem Motto: „Kanzler kommen und gehen, der Deutsche Pförtner bleibt bestehen“.

Björn Pfeffermann – Meine Kresse! Ein Mann sieht grün

Melsunger Kabarett-Wettbewerb – wir kommen wieder!

Nach dem Auftritt von Bölck wurden dann – tataaa! die Preise verliehen. Sieger des 21. Melsunger Kabarett-Wettbewerb wurden Mike & Aydin, der zweite Platz ging an Björn Pfeffermann und dritter Gewinner wurde Heinrich del Core, der darüber hinaus noch den Publikumspreis „Die scharfe Barte“ gewonnen hat. Ich freue mich jetzt schon auf den 10. Januar, wenn wir das Programm von Heinrich del Core im Cafe Hahn in Koblenz in voller Länge genießen können. Und ja, ich hätte für diesen Abend noch die Wahl und habe mich diesmal bewusst für Kabarett entschieden. Denn Kabarett ist alles andere als trocken und eingestaubt. Danke Melsungen für diese Einsicht und hoffentlich bis zum nächsten Jahr!